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»Ich sehe, Ihr stellt Euch die richtigen Fragen. Wir schließen einen Pakt der Vernunft, Schwertmeister, der uns beiden Nutzen bringen mag. Kann ich mich nun darauf verlassen, dass Ihr nicht fortlaufen, sondern treu an Nandalees Seite stehen werdet?«

»Eines muss ich noch verstehen, bevor ich Euch mein Wort gebe. Ihr sagtet, dass wir größten Gefahren ausgesetzt sein werden. Nandalee braucht also einen Beschützer. Sie bedeutet mir mehr als mein Leben, ich würde alles für sie tun, doch wenn ich recht verstanden habe, schwächt mich das, denn etwas zu verlieren zu haben, macht mich zu einem weniger entschlossenen Schwertkämpfer. Warum bin ich dann die beste Wahl, wenn es darum geht, sie zu beschützen?«

»Liegt das nicht auf der Hand? Wenn sie bedroht wird, kämpft Ihr mit vollem Einsatz. Doch wenn es allein um Euch geht, werdet Ihr Schwäche zeigen. Ihr werdet das Glück, von dem Ihr gekostet habt, nicht mehr missen wollen. Es gibt eine Zukunft, in der ich Euren Tod wünschen werde, Meister Gonvalon. Und wenn es sich ergeben sollte, dass ich Nodon zu Euch schicken werde, dann möchte ich, dass er Euch besiegt.«

Ein Kind von dunkler Leidenschaft, ein Kind von kaltem Herzen

Nachtatem dachte an sein Gespräch mit Gonvalon. Der Schwertmeister hatte sich aufsässiger gezeigt, als er erwartet hätte. Er wusste, dass der Elf darüber nachsann, wie er ihn hintergehen könnte, um mit Nandalee zu fliehen. Dieser neue Geist der Aufsässigkeit unter den Drachenelfen musste ausgemerzt werden. Vielleicht sollten sie einige der Drachenelfen töten? Er malte sich aus, wie Gonvalon sich verzweifelt mit seinem Schwert zu wehren versuchen würde. Wie er ihn in Drachengestalt vor sich herscheuchte und zuletzt seine Krallen in dessen zerbrechlichen Leib hieb. Der Gedanke an warmes Blut ließ Geifer von den Lefzen des Dunklen tropfen. Er hatte zu lange nicht mehr gejagt! Und ihm blieb auch jetzt keine Zeit zu einem solchen Vergnügen. Er sollte mit seinen Nestbrüdern über die Drachenelfen sprechen. Der Angriff auf die Tiefe Stadt hatte die Moral der Elfen erschüttert. Zum ersten Mal, seit es sie gab, stellten sie die Entscheidungen der Himmelsschlangen infrage. Es war die logische Konsequenz aus dieser maßlosen Racheorgie. Bislang hatten sich die Drachenelfen als Hüter der Gerechtigkeit empfunden. Dieses Gefühl war für immer verloren. Es war auch nutzlos, mit der Vergangenheit zu hadern. Sie mussten entscheiden, wie sie ihre Meuchler wieder zu dem Werkzeug machen konnten, das sie jahrhundertelang gewesen waren. Vielleicht sollten sie jene mit rebellischem Geist auf Missionen schickten, von denen sie nicht zurückkehren würden. Das mochte klüger sein, als sie vor den Augen aller zu zerfleischen.

Ganz gleich, was sie taten, es sollte wohlüberlegt sein. Bemerkten die Drachenelfen, was vor sich ging, mochten sie sich ganz und gar von den Himmelsschlangen abwenden. Nicht dass sie eine Bedrohung für die Herrschaft der Himmelsschlangen waren. Aber sie waren einfach zu nützlich, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Und konnte er darlegen, welcher Schaden durch den unbedachten Angriff auf die Tiefe Stadt entstanden war, würde es die Stellung des Goldenen schwächen, der in letzter Zeit allzu eifrig danach trachtete, den ersten Platz in ihrem Rat einzunehmen.

Nachtatem streckte sich auf dem Thronstein tief unter seiner Pyramide. Er hatte Drachengestalt angenommen. Der Elfenkörper war ihm unangenehm. Diese Gestalt war ein Zugeständnis an Gonvalon gewesen. Er wusste, wie sehr es die Albenkinder quälte, wenn eine Himmelsschlange in Gedanken zu ihnen sprach. Sie empfanden jede Emotion vielfach stärker. Ein freundlicher Gedanke stürzte sie in Euphorie, ein zorniger hingegen gab ihnen das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen. Jetzt, auf seinem Thron, war er frei von aller Rücksichtnahme. Er würde Gonvalon für seine Zwecke nutzen. Für kurze Zeit …

Das Gespräch mit dem Elfen hatte ihn tief verärgert. Er musste darüber nachdenken, seine eigenen Emotionen ergründen. Deshalb hatte er die Gazala fortgeschickt. Ihr beständiges Murmeln in Trance hätte ihn zu sehr abgelenkt. Es galt, einsame Entscheidungen zu treffen.

Dass der Goldene ein Kind mit Nandalee gezeugt hatte, empfand er als befremdlich. Noch nie hatte sich eine Himmelsschlange mit einer Elfe gepaart. Sollte sie tatsächlich empfangen haben, was für eine Kreatur würde sie gebären? In all ihren Prophezeiungen hatten die Gazala nie von der Gestalt der Kinder Nandalees gesprochen. Sie blieben vieldeutig, wie meist.

Zwei Kinder wird sie einst gebären. Ein Kind von dunkler Leidenschaft, ein Kind von kaltem Herzen. Das hatte Firaz erst gestern prophezeit. Eines von ihnen würde nach dem Thron Albenmarks greifen. Würde das Kind von dunkler Leidenschaft der Spross des Goldenen sein? War es nicht seine Pflicht, ein Gleichgewicht herzustellen? Wusste sein Goldener Bruder etwas über die Zukunft, was ihm noch unbekannt war? Hatte er deshalb das Kind gezeugt?

Gonvalon zeigte keinerlei Anlagen, die einen Herrscher ausmachten. So außergewöhnlich seine Schwertkunst war, er war kein Eroberer. Niemand, der sich etwas nahm. Macht schien ihm nichts zu bedeuten. Selbstlosigkeit mochte ein edler Charakterzug sein, doch bei den Intrigen, die an einem Königshof zu erwarten waren, würde diese Eigenschaft einen Herrscher nur früh in sein Grab bringen. Wäre das zweite Kind Nandalees wie Gonvalon, würde es vermutlich nie nach der Krone streben. Und dann hätte sein Nestbruder schon jetzt entschieden, wer einst in Albenmark herrschen würde.

Nachtatems Krallen fuhren über den Fels, unter dem das Herz Nangogs ruhte. Er konnte nicht einfach aufgeben. Er würde Nandalee täuschen, so wie es sein Bruder getan hatte. Das zweite Kind sollte seines sein! Eine besondere Eigenart der Elfenfrauen kam ihm dabei zugute. Der Tag, an dem sie ein Kind empfingen, war nicht zwingend der erste Tag ihrer Schwangerschaft. In unruhigen Zeiten ruhte das befruchtete Ei und begann erst zu reifen, wenn die Elfe ein friedlicheres Leben führte und die Aussichten, eine unbeschwerte Schwangerschaft zu erleben, günstiger waren. Er musste Nandalee also nur erneut auf eine Mission schicken, dann würde sich ihre Schwangerschaft verzögern.

Er würde es wie der Goldene machen und Nandalee in der Gestalt Gonvalons erscheinen. Danach müsste Gonvalon sterben, damit er ganz sicher sein konnte, dass er ihr niemals verraten könnte, dass auch mit dieser Liebesnacht etwas nicht stimmte.

Nachtatem blickte über das spiegelnde Wasser, das den Boden des weiten Gewölbes bedeckte. Es missfiel ihm, Nandalee zu hintergehen. Er dachte an die Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten. Er hatte ein starkes Gefühl für sie empfunden. Es war anders als die Gefühle, die er für seine übrigen Drachenelfen hegte. Es würde ihm besser gefallen, sie nicht zu hintergehen. Aber würde sie ein Kind mit ihm zeugen wollen? Wohl kaum! Jedenfalls nicht, solange Gonvalon lebte.

Er hatte Hunger. Nein, er gierte nach Blut. Er sollte eine der Gazala rufen. Eine der weniger begabten. Zum Jagen blieb jetzt keine Zeit.

Petersiliensamen

Die Priesterinnen hatten sie tatsächlich in Frieden gelassen. Shaya blickte über die weiten Gärten, die zum Haus des Himmels gehörten. Jeden Tag kam sie in eine Laube auf der Rückseite ihres Hauses und verbrachte Stunden damit, die Terrassengärten und die Berge zu betrachten. Sie hatte ihren Frieden mit sich gemacht und entschieden, was sie tun wollte. Wann sie in die Tempelstadt Isatami gebracht würde, wusste sie nicht, aber es konnte nicht mehr lange dauern. Die Nächte waren nur noch kurz, Mittsommer konnte nicht mehr fern sein.

Sie wusste nicht, was nach der Nacht auf der Zikkurat mit ihr geschehen würde. Sie würde über sich ergehen lassen, was immer Muwatta ihr antat, aber sie würde niemals ein Kind von ihm bekommen. Ihr war klar, was das für sie bedeutete. Lieber würde sie sterben, als ein Leben in Gefangenschaft zu führen. Die Hoffnung, dass Aaron sie befreien würde, hatte sie aufgegeben. Er konnte nicht. Sie beide waren in den Machtkampf der Devanthar verstrickt worden. Zu der Überzeugung war sie in den Stunden der Einsamkeit in der Laube gelangt. Andernfalls hätte Aaron nichts unversucht gelassen, den Brautpreis Muwattas zu überbieten oder sie zu befreien.