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Sie befanden sich inmitten eines weiten Höhlensees, der von den Zwergen Meer der schwarzen Schnecken getauft worden war. Solche Seen waren gefährlich. Wenn die Angabe bei einer Richtungsänderung nur um einen Grad falsch war, würden sie bei einer Distanz von einigen Meilen bis zum nächsten Barinstein diese Navigationsmarke weit verfehlen und rettungslos im Dunkel verloren gehen. Im Westen war keine Begrenzung des Höhlensees auf der Karte verzeichnet. Kein Zwerg hatte ihn je ganz erkundet. Gewiss war nur, dass dort, wo sie jetzt fuhren, das Wasser bis zur Decke der Höhle reichte. Sie könnten also hier nicht auftauchen. Erst beim nächsten Barinstein. Dort gab es ein flaches Riff.

Galar blickte zu dem Stundenglas, das über dem Steuerplatz hing. Der Sand war schon mehr als zur Hälfte durchgelaufen. Bald wären acht Stunden vergangen, seit sie das letzte Mal aufgetaucht waren, frische Luft durch das Luk gelassen und Wasser geschöpft hatten. In den Papieren zu diesem Aal hatte gestanden, dass sie alle sieben Stunden frische Luft brauchen würden. Aber auch das stimmte nicht. Es stank zwar erbärmlich – vor allem dank Frar, der allzu regelmäßig seine Windel füllte –, aber atmen ließ sich die Luft noch ganz gut. Wahrscheinlich weil sie eine viel kleinere Besatzung waren, als für den Betrieb dieses Aals vorgesehen war.

»Sind wir noch auf Kurs?«, fragte Nyr. Hornbori zählte zwar unbeirrt weiter, sah ihn aber ebenfalls sorgenvoll an.

»Alles bestens«, log Galar. Man musste sich nur das Wasser ansehen, das schon wieder acht Zoll hoch im Rumpf schwappte, um zu wissen, dass es nicht sonderlich gut um sie stand.

Der Schmied verschränkte die Finger ineinander und streckte sie vor, bis die Gelenke knackten.

»Wir sind im Meer der schwarzen Schnecken. Etwa anderthalb Stunden noch, dann erreichen wir einen Ankerplatz.« Galar machte nicht mehr den Fehler zu sagen, wie viele Umdrehungen es noch waren. Auch war die Zeitangabe mehr als großzügig bemessen. Aber besser, sie erreichten ihr Ziel etwas früher, das würde die Stimmung der beiden heben. Sie wurden jedes Mal unruhig, wenn er auf die Karte sah.

Er schob den Barinstein in seine Lederhülle, und es wurde dunkel im Boot. Leise plätscherte Wasser herab. Die Kurbelwelle machte ein schabendes Geräusch. Er konnte sie nicht vernünftig gefettet halten, wenn so viel Wasser im Boot stand. Wenn sie diese Tauchfahrt überleben sollten, würde er nie wieder einen Fuß in einen Aal setzen, schwor sich Galar.

Der Schmied streckte sich zwischen den beiden Steuerhebeln aus und lag halb im Wasser. Es war eisig. Bald begannen ihm die Zähne zu klappern. Wenigstens würde er so nicht einschlafen. Endlos ins Dunkel zu starren machte müde. Selten einmal huschte etwas Helles an einem der drei gläsernen Augen vorbei. Galar wusste, dass die meisten Fische in den lichtlosen Höhlen weiß waren. Aber hier lebten nicht nur Fische. Manchmal sah er in der Ferne Lichter. Anfangs hatte er sie für Barinsteine gehalten. Aber sie bewegten sich! Er erzählte seinen Gefährten besser nichts davon und versuchte sich lieber auch nicht vorzustellen, was Lichter durch die Seen tief unter den Bergen tragen mochte.

Galar lauschte auf das monotone Zählen Hornboris.

»Dreitausendeinhundertelf, dreitausendeinhundertzwölf …«

Bald sollte der nächste Barinstein in Sicht kommen. Der Schmied rieb die Hände aneinander, doch seine klammen Finger wollten nicht warm werden.

Was war das? Etwas Längliches war durch das Gesichtsfeld des linken Bullauges gehuscht. Galar drückte seine Nase gegen die kalte Scheibe. Tief unter ihm zog eines der wandelnden Lichter durch den See. War da ein Schatten voraus? Ein nicht eingezeichnetes Riff?

Er kniff die Augen zusammen und starrte. Nein, kein Riff. Etwas kam ihnen entgegen. Schnell! Galar zuckte unwillkürlich zurück, als dicht vor dem gläsernen Auge ein Kiefer mit dolchlangen Zähnen erschien. Eine Weiße Schlange!

Ihr Leib schrappte den Rumpf entlang. Der Aal ruckte. Galar konnte spüren, wie sie vom Kurs abwichen. Aber um wie viel? Zwei Grad oder vielleicht drei?

Ein Schlag ließ das Boot erzittern. Frar wachte auf und begann zu quengeln.

»Was war das?« Hornboris Stimme war schrill vor Angst.

»Zähl weiter, oder wir werden in diesem verdammten Schneckenmeer verloren gehen!«

»Aber was …«

»Tretet in die Pedale.« Es war sinnlos, die beiden zu belügen. »Uns greift eine Weiße Schlange an!«

Ein langer, weißer Schemen zog am vorderen Auge vorüber. Die Schlange umkreiste sie. Wie hatte dieses verdammte Mistviech sie nur in diesem endlosen Dunkel gefunden? Und was versprach es sich davon, ein großes Fass anzugreifen? Hatten diese Seeschlangen genug Verstand, um zu wissen, dass in diesem Fass ein paar saftige Bissen steckten?

Ein Schlag traf das Boot von unten, so heftig, dass alle an Bord durchgeschüttelt wurden, als seien sie mit einem Karren durch ein tiefes Schlagloch gefahren. Die dicken Holzdauben knackten bedenklich. Wie vielen solcher Angriffe würde der Aal noch standhalten?

»Wir werden in dieser Tonne ersaufen wie die Ratten, nicht wahr?« Hornbori hatte aufgehört, in die Pedale zu treten.

»Wir werden kämpfen«, entgegnete der Schmied entschlossen.

»Womit denn? Der Aal hat keine Waffen!«

Ein weiterer Stoß traf das Boot und rüttelte sie alle durch. Aus dem Leck in der Decke, aus dem es bislang nur getröpfelt hatte, spritzte eine fingerdicke Wasserfontäne.

»Nyr! Hol Kork! Mach das Leck dicht. Hornbori, du hältst die Kurbelwelle in Gang. Wir müssen wenigstens ein bisschen Fahrt machen!« Die beiden durften nicht denken, dass er sich genauso hilflos fühlte wie sie.

Galar zog den Barinstein aus der Lederhülle und blickte auf die Karte. Sie mussten auftauchen, doch laut Karte reichte das Wasser hier noch immer bis zur Decke der Höhle. Bald hätten sie so viel Wasser genommen, dass sich die Frage des Auftauchens gar nicht mehr stellen würde. Dann gab es nur noch eine Richtung. Abwärts!

Nyr mühte sich ab, das Leck mit einem Korkstück zu stopfen. Zwischendurch tätschelte er mit einer Hand Frar. Der Kleine war in mürrischer Stimmung. Er war nass, und ganz gewiss fror er wie alle. Sein Leben hatte noch nicht einmal richtig angefangen. Er hatte keinen Stollen gegraben, nie mit einem Hammer in der Hand an einer Esse gestanden oder mit einer langen Saufeder ein Wildschwein erlegt. Es war der bevorstehende Tod des Jungen, der in Galar eine verzweifelte Wut schürte. Sie würden auftauchen! Manchmal gab es Löcher in der Höhlendecke. Vielleicht hatten sie ja Glück!

Entschlossen packte der Schmied die Kurbel neben den Hebeln für das Seiten- und Tiefenruder und begann sie zu drehen. Er spürte den Widerstand des Wassers in den Ballasttanks. Durch die dicken Glasaugen konnte er nichts mehr erkennen. Das Licht des Barinsteins hatte seine Nachtsicht ruiniert.

»Hinten ist noch eine Kurbel«, sagte Nyr, dem eisiges Wasser durch den Bart rann. »Das Loch hier krieg ich nicht zu.«

Die zweite Kurbel! Galar stöhnte auf. Das Boot hatte zwei Ballasttanks. Wenn man in beide gleich viel Wasser einließ, hielt sich der Aal auf Tauchfahrt wahrscheinlich in der Waage.

»Lass die Finger von der Kurbel. Benutz sie lieber, um das Leck zu stopfen«, entgegnete Galar unwirsch. Wie hatte er nur die zweite Kurbel vergessen können!

Ein Schlag gegen den Rumpf brachte ihn auf andere Gedanken. Das Boot ruckte zur Seite. Wie weit sie wohl schon vom Kurs abgewichen waren? Sie mussten bald …

Eine Daube an der Seite brach, und ein dicker Schwall dunklen Wassers ergoss sich in den Aal.

»Wir werden ersaufen«, schrie Hornbori. »Ersaufen wie die Ratten!«

Der Aal schwang noch stärker hin und her als vorhin. Hatten sie die Wasseroberfläche erreicht? Stimmte die Karte wieder nicht? Die Glasaugen lagen zu tief im Rumpf. Durch sie konnte er nicht sehen, ob sie aufgetaucht waren.