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»Wir steigen aus«, entschied Galar. Das Wasser im Aal reichte ihm schon fast bis zum Knie.

»Sind wir denn aufgetaucht?« Nyr hatte Frar aus dem Frachtnetz genommen und drückte sich den Jungen an die Brust.

»Klar sind wir aufgetaucht. Sonst würde ich den Befehl wohl kaum geben«, log Galar. »Ich gehe vor.« Er griff sich die Armbrust, ihre einzige Waffe an Bord, und kletterte die kurze Leiter zum Luk hinauf. Wenn sie noch auf Tauchfahrt waren, würde es zumindest schnell gehen. Lieber schnell das Boot mit Wasser fluten, als noch eine Stunde langsam abzusaufen. Der Schmied löste den Riegel am Luk und drückte es auf. Ein Schwall Wasser spritzte ihm ins Gesicht.

Glamirs Turm

Ein Maul voller dolchlanger Zähne schnappte nach ihm. Galar ließ sich nach unten in den Aal fallen. Die Schnauze der Seeschlange schmetterte gegen das Einstiegsluk, dass es im Boot wie in einer Glocke dröhnte. Gischt spritzte die Leiter hinab.

Das Ungeheuer stieß einen langen, heulenden Laut aus und bekam Antwort. Tief im Wasser erklang ein seltsamer, an- und abschwellender Ruf. Galar hatte so etwas in seinem ganzen Leben noch nicht gehört. Es klang beängstigend fremd. Und es schien aus mindestens zwei verschiedenen Richtungen zu kommen.

Nyr hob etwas Helles auf, das durch das Luk in den Aal gefallen war. Die Spitze eines Fangzahns. »Der hast du es gegeben, Galar. Diese Mistschlange wird sich noch lange an dich erinnern.«

»Und das war noch nicht alles«, murmelte der Schmied und fischte die Armbrust aus dem Wasser, das ihm inzwischen bis über das Knie reichte.

»Wir sind tot«, sagte Hornbori tonlos. »Wir können wählen zwischen ersaufen oder gefressen werden. Es ist vorbei.«

Galar spannte die Armbrust. »An die Pedale mit euch. Wir fahren, solange wir Kraft in den Beinen haben. Ich kämpfe bis zum letzten Atemzug. Mich hinzuhocken und mein Unglück zu bejammern ist nicht meine Art.«

»Und was hilft das?«, fuhr ihn Hornbori erbost an. »Ändert das vielleicht etwas daran, dass wir hier verrecken werden?«

»Ja, für mich ändert es in der Tat etwas. Wenn ich schon sterbe, dann wenigstens in der Gewissheit, bis zuletzt um mein Leben gekämpft zu haben.« Er legte einen Bolzen auf die Führungsschiene der Armbrust, trat über die Kurbelwelle hinweg, griff nach der Leiter und zog sich ein Stück hoch. Mit einer Hand die Armbrust balancierend, zielte er auf das offene Luk, während er sich mit der anderen an einer Sprosse festhielt. »Heh, Schlange, willst du nicht noch mal versuchen, deinen Kopf durch das Luk zu stecken? Wir sind noch da! Hörst du mich?«

Alles blieb still.

»Wenn du schon nicht in die Pedale trittst, dann hol wenigstens den Barinstein und halt ihn hier hoch. Ich will, dass das Biest das Licht sieht. Dann wird es kommen.«

Hornbori gehorchte ganz ohne einen seiner üblichen Kommentare.

Immer noch waren die seltsamen Laute im Wasser zu hören. Sie klangen jetzt näher.

»Da sammelt sich eine ganze Herde von den Biestern«, stieß Hornbori mit klappernden Zähnen hervor.

»Seeschlangen sind Einzelgänger«, entgegnete Galar mit einer Entschiedenheit, als habe er sein halbes Leben dem Studium der Familienverhältnisse der Schlangen gewidmet. »Wenn mehr kommen, ist das gut. Die werden sich um ihre Beute streiten. Dann haben wir bessere Aussichten zu entkommen. Aber vorher soll noch eine von denen schmecken, wie das so ist, wenn man einen Armbrustbolzen im Gaumen stecken hat.«

Hornbori lächelte, obwohl die Hand zitterte, mit der er den Barinstein hochhielt. Nass und ausgemergelt sah er immer noch ziemlich gut aus. Genauso wie sich jeder Zwerg einen Helden vorstellte. Wenn er nur nicht so ein verdammter Schisser wäre, dachte Galar!

»Sorgen wir dafür, dass Zwerg im Aal nicht ihr Leibgericht wird!« Zwerg im Aal, den Spruch würde er sicher noch oft zu hören bekommen, wenn sie das hier überlebten. Hornbori klang schon fast so, als übe er an einer Siegesrede.

Galar blickte zum Luk hoch. »Noch da, Schlange?« Er wollte nicht noch einmal den Kopf herausstrecken. Diesmal würde das Vieh vorsichtiger sein.

Etwas Großes traf den Aal und ließ ihn auf dem Wasser tanzen, sodass Galar sich an die Leiter klammern musste, um nicht zu stürzen. Fangzähne erschienen im Dunkel über dem Luk und schimmerten gelb im Licht des Barinsteins.

Der Schmied richtete die Armbrust auf das weit aufgerissene Maul. »Friss das!«

Ein dumpfer Schlag erklang. Ungewöhnlich laut. Blut tröpfelte in das Boot hinab. Der Kopf des Ungeheuers sank auf den Aal. Aus dem Tröpfeln wurde ein fast armdicker Sturzbach von Blut.

Galar blickte verwirrt auf die Armbrust, dann zu Hornbori.

»Was für ein Schuss!«, sagte Nyr.

»Wenn uns das Vieh weiter so das Boot vollblutet, saufen wir trotzdem noch ab«, stellte Hornbori sachlich fest.

Galar stieg die Leiter hinauf und wurde dabei vom Blut der Seeschlange durchnässt. Er stemmte sich mit dem Rücken gegen den Kopf, der über dem Luk lag. Zoll um Zoll bewegte sich der Kadaver. Dann plötzlich geriet er ins Rutschen.

Der Schmied schob den Kopf ins Freie. Als die Seeschlange vom Aal ins dunkle Wasser rutschte, sah er gerade noch den Schaft eines Speeres seitlich aus dem Kadaver ragen. Verwundert sah er sich um. Er konnte kaum über den Bug des Tauchbootes hinausblicken. Die Finsternis war nahezu vollkommen. Das einzige Licht weit und breit war der Schimmer des Barinsteins, der durch das offene Luk fiel. Etwa zwei Schritt über sich konnte er die feucht schimmernde Decke der Höhle erkennen. Noch nie war er so glücklich über eine fehlerhafte Karte gewesen.

»Heh, Aal! Da sind noch zwei Schlangen, die Kurs auf euch halten.«

Durch die Akustik der Höhle klang die Stimme verzerrt. Galar konnte nicht entscheiden, aus welcher Richtung der Ruf gekommen war. Aber den Dialekt erkannte er sofort. Es war ein Zwerg aus den Ehernen Hallen, der gerufen hatte.

»Wir liegen fünfzehn Grad voraus. Legt euch in die Pedale! Oder sie erwischen euch.«

Galar legte die Hände an den Mund, um einen Trichter zu bilden. »Wir sind leckgeschlagen. Nur zwei Mann können noch treten. Wir brauchen Hilfe.« Jetzt konnte er eine flache, weiße Welle auf dem Wasser erkennen, die sich auf sie zubewegte.

»Wer ist da draußen?«, fragte Hornbori vom Fuß der Leiter.

»Freunde und Feinde.«

»Geht das ein bisschen klarer?«, kam es ungehalten von unten.

»Das wünschte ich mir.« Hornbori konnte jetzt den Schattenriss der Seeschlange ausmachen.

»Kopf einziehen!« Das scharfe Klacken einer Speerschleuder schallte über das Wasser.

Galar duckte sich. Fast im selben Augenblick schmetterte etwas gegen das Boot. Ein Seil rutschte über die Kupferplatten. Galar stieß sich von den Sprossen ab und schnellte aus dem Luk. Gerade eben bekam er das Seil noch zu packen, bevor es ins Wasser glitt. Ein starkes, mehr als daumendickes Tau. Er zog es zu sich heran.

»Unten bleiben!«, befahl der unbekannte Helfer. Galar hörte das leise Klicken der Winden, mit denen Speerschleudern gespannt wurden. Ganz deutlich konnte er auch die Silhouette der Weißen Schlange sehen, die auf sie zuhielt. Weiter steuerbord näherte sich ein zweites der Ungeheuer.

Der Schmied fand am Ende des Seils einen eisernen Enterhaken. Er befestigte ihn am Schutzbügel vor dem Luk. »Holt uns ein!«, rief er aus Leibeskräften.

Speere zogen leise zischend über das Wasser.

Das Seil straffte sich. Wasser troff aus dem Hanf. Ihr Aal machte einen Ruck, schwang nach steuerbord und nahm Fahrt auf.

Auch die Seeschlange schien schneller zu werden.

Galar wusste, dass er an Deck nichts mehr tun konnte. Er zog sich durch das Luk zurück und verschloss es.

Hornbori stand noch immer am Fuß der Leiter und hielt den Barinstein hoch. Sein Mienenspiel lag zwischen Bangen und Hoffen.

Galar erzählte seinen Gefährten, was geschehen war.

»Zwerge aus den Ehernen Hallen?« Hornbori machte keinen Hehl daraus, wie wenig begeistert er war. »Die sind aber weit weg von zu Hause.«

»Mir ist alles recht, was weder Schuppen noch einen Schlangenschwanz hat.« Nyr trat noch immer wacker in die Pedale, obwohl es längst nicht mehr nötig gewesen wäre. Dabei hielt er Frar auf dem Arm, der verzaubert das Licht des Barinsteins bewunderte.