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Muwatta löste sich aus den Armen Ištas und landete federnd auf dem Altar. Er streckte ihr eine Hand entgegen.

Shaya wusste, was von ihr erwartet wurde. Sie ergriff die angebotene Hand, und Muwatta zog sie zu sich auf den Altar. Wohlgeruch umfing den Unsterblichen. Er war mit Rosenölen eingerieben, und seine Haut glänzte silbern im Mondlicht.

Muwatta griff nach ihren Schultern und zerriss das Kleid, statt die Schmuckfibeln zu lösen. Seine Hände strichen über ihren Leib, doch seine Augen blieben kalt.

»Knie nieder!« Diesmal sprach er leise. Er packte sie erneut bei den Schultern, versuchte sie herabzudrücken, doch sie leistete Widerstand.

»Glaube nicht, dass in dieser Nacht etwas nach deinem Willen geschehen wird. Füge dich, Menschenkind!« Išta landete neben dem Altar. Sie berührte Shayas Bein, und alle Kraft wich von ihr. Sie sank nieder.

Du bist mein in dieser Nacht, genauso, wie du ihm gehörst. Die Stimme der Göttin erklang in ihrem Kopf. Du verkörperst mich. Einige dort unten zweifeln an Muwattas Manneskraft. Wenn diese Nacht vorüber ist, wird es keine Zweifler mehr geben!

»Lass mich das Gefäß deiner Liebe sein, Unsterblicher!« Es waren Shayas Lippen, über die diese Worte kamen, doch hatte sie sie nicht gewählt. Diesmal lag auch in ihrer Stimme der Zauber, der jede Silbe weit hinaus in die Stadt trieb.

Wie zur Antwort ertönte ringsherum Zimbelklang.

Shaya rang um ihren Körper. Sie wollte Muwatta verfluchen, doch diesmal bekam sie den Mund nicht auf. Stattdessen lösten ihre Hände sein Lendentuch. Ein verzückter Laut kam über ihre Lippen, die ihr nicht länger gehorchten. Tränen der Wut und Verzweiflung rannen über ihre Wangen.

Du wirst Dinge für ihn tun, die die meisten Huren nicht täten. Und die ganze Stadt wird dir dabei zusehen.

Shaya versuchte, sich gegen die Stimme in ihrem Inneren zu verschließen, während ihre Hände Muwatta liebkosten. Wieder dachte sie an Shen Yi Miao Shou. Er hatte ihr gezeigt, wie sie entfliehen konnte. Sie konnte nicht gegen eine Göttin ankämpfen, entschied sie und griff in ihrer Erinnerung nach dem Bild der Zwillingsmonde am Himmel von Nangog. Sie ließ ihren Geist ganz und gar in die Erinnerung eintauchen. Ließ das Hier und Jetzt von sich abfallen.

Sie konnte Aaron riechen. Den Duft seines mit Öl bestrichenen Bartes. Sie dachte an jene Nacht, in der sie einander ihre Narben gezeigt hatten, in der sie sich so nahe gewesen waren wie nie zuvor. Deutlich sah sie seine gütigen Augen, seine sinnlichen Lippen. Sie hatte jegliches Gefühl für ihren Körper verloren. War ganz und gar in ihre Erinnerung eingekehrt.

Aarons Gesicht glänzte silbern im Licht der Zwillingsmonde. Seine Züge wirkten weicher, verschwammen, sein Bart war plötzlich verschwunden. Shaya blickte in das Antlitz Ištas.

Es gibt keinen Ort, an den du vor mir fliehen könntest.

Shaya dachte daran, was Shen Yi Miao Shou ihr über das Licht gesagt hatte. Dass sie ihm nicht zu nahe kommen durfte, wenn sie leben wollte. Dieses Leben war vorüber. Allen Demütigungen zu entfliehen und ins Licht zu gehen wäre ihr letzter Triumph.

Das Einzige, was entfliehen wird, ist dein Verstand, Shaya. Die Göttin lächelte grausam. Das ist die Wahl, die ich dir lasse. Sei mit all deinen Sinnen hier und erlebe, was Muwatta mit dir tut, oder ergib dich dem Wahnsinn.

Helme und Hühner

Narek betrachtete den Helm in seinen Händen. Er war aus dicken aneinandergenähten Lederstreifen gefertigt. Mitten über den Kopf verlief ein wulstiger Kamm, wo das Leder aneinanderstieß. In die Naht waren weiße Federn gesteckt. Er würde aussehen wie ein großer, fetter Hahn, wenn er dieses Ding aufsetzte. Eine tiefe Kerbe war über dem linken Auge in das Leder geschnitten. Die linke Wangenklappe war voller dunkler Flecke. Seinem vorherigen Besitzer hatte dieser Helm kein Glück gebracht, so viel war sicher.

Narek sah sich unter seinen Gefährten um. Die meisten blickten etwas hilflos auf die Speere, Helme und Schilde, die unter ihnen ausgeteilt worden waren. Nur Lamgi schien damit gut klarzukommen.

Wochenlang hatten sie geübt, Krieger zu sein. Es war wie ein großes Abenteuer gewesen. Aber jetzt, da richtige Waffen verteilt wurden, war ihnen allen der Tod einen großen Schritt näher gekommen. Gestern noch auf dem Mittsommerfest hatten sie gezecht und gescherzt. Das ganze Heerlager hatte gefeiert. Nun kam die Ernüchterung.

Narek wünschte, Ashot wäre hier. Vor drei Tagen war er zum Anführer einer Hundertschaft gewählt worden. Ashot hatte nicht gerade viele Freunde, aber er strahlte etwas aus, das den meisten Bauern fehlte. Im Dorf war Narek das nie aufgefallen. Ashot hatte hierherkommen müssen, um aufzublühen. Er war eine Pflanze, die auf dem Boden von Schlachtfeldern gedieh. Er würde niemals aufgeben. Er hatte die Löwen von Belbek geformt. Hatte den Trick ersonnen, mit dem sie die Leibwache des Unsterblichen besiegt hatten. Das hatte sich herumgesprochen im Heerlager. Dabei legte es Ashot gar nicht darauf an, irgendjemanden anzuführen. Er wollte das nicht … Seit er für hundert Männer verantwortlich war, war er noch übellauniger und mürrischer als sonst.

»Das Ding setzt man auf den Kopf, Narek. Hineinzustarren wird dich nicht klüger machen.«

Aleksan schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter, aber in seinen kleinen Schweinsäuglein funkelte der Spott. »Komm, Dickerchen, auf den Kopf damit. Du wirst zum ersten Mal aussehen wie ein richtiger Mann, wenn du den Helm aufsetzt.«

Narek bedachte den Hauptmann der Nachtwache mit einem finsteren Blick. Wenn er beleidigt wurde, fiel ihm nie eine passende Antwort ein. Immer erst hinterher, wenn er darüber nachdachte. Ihm war unbegreiflich, wie er damals in Belbek auf das großspurige Getue des Werbers hatte hereinfallen können.

Narek zwang sich zu einem Lächeln und setzte den Helm auf. Er passte nicht! Er war viel zu klein. Er versuchte, ihn sich auf den Kopf zu zwängen. Die Wangenklappen standen zur Seite ab.

»Oh! Was haben wir denn hier?«, prustete Aleksan. »Narek aus Belbek, das Kampfhuhn!«

Narek spürte, wie er rot wurde. Alle ringsherum sahen ihn an. Einige fielen in das Gelächter ein. Keiner ihrer Löwen.

»Gock, gock, gock!« Aleksan ahmte mit angewinkelten Armen das aufgeregte Flügelschlagen einer Henne nach. »Komm, mein Kampfhuhn! Gock, gock, gock!«

»Nimm den Helm hier, der müsste dir passen. Mir ist er viel zu groß.« Lamgi, der als Letzter in die Gruppe der Löwen gekommen war, blickte kühl zum Hauptmann der Wache. »Du gibst auch ein gutes Huhn ab.«

Narek war es ein bisschen peinlich, gerettet zu werden, aber seinen Helm gab er gerne her. Lamgis Kopfschutz war ebenfalls aus dickem Leder gefertigt, doch auf ihm prangten ein paar grün angelaufene Messingplättchen, und es gab keinen albernen Federschmuck. Narek probierte ihn aus. Das Leder stank nach altem Schweiß. Aber der Helm passte.

»Du kannst wohl keinen Spaß verstehen, du Knochengerüst.«

Lamgi bedachte den Hauptmann der Nachtwache mit einem Blick wie ein Dolchstoß. Nie hatte Narek so kalte, harte Augen gesehen. Er wünschte sich, er könnte so blicken, dann würden sie weniger über ihn spotten.

»Suchst du Streit, Kerl?«

Lamgi wandte sich einfach ab, was Aleksan noch mehr in Rage brachte. »Heh, Kerl. Ich bin der Hauptmann der Nachtwache. Und du … Du bist nicht mehr wert als der Dreck zwischen meinen Zehen.«

»Wenn du es sagst, Nachtwächter.«

Aleksan schnappte nach Luft. Die Adern an seinem Hals schwollen an, bis sie dick wie Schnüre waren, und seine kleinen Schweinsäuglein schienen ihm aus den Augenhöhlen quellen zu wollen. »Du drehst dich sofort wieder um, Bauer, oder ich lasse den Knüppel auf deinem Rücken tanzen, bis du Blut spuckst. Ich bin ein Hauptmann