Artax war es unangenehm, seinen alten Freund neben sich stehen zu haben. Er fürchtete, Ashot könnte erraten, wer er war.
»Ich habe euch rufen lassen, um euch meinen Schlachtplan vorzustellen. Ich möchte euch bitten, an diesem Abend frei zu sprechen und mir Bedenken und Verbesserungsvorschläge ohne Zögern mitzuteilen. Wir alle wissen, dass Muwatta viel mehr schlachterprobte Krieger aufbieten kann als wir. Deshalb müssen wir jeden noch so kleinen Vorteil nutzen, den wir erringen können. Datames, stell unsere Schlachtlinie auf.«
Der Hofmeister legte einen langen, dünnen Ast an das Ufer des trockenen Flusses. Dahinter legte er eine Reihe der weißen Holzklötze.
»Wir werden uns entlang des Ufers des trockenen Flusses aufstellen und so Muwattas Krieger zwingen, die Böschung hinaufzustürmen, wenn sie kämpfen wollen. Das verschafft uns einen Vorteil. Allerdings wird es ihnen leichter fallen, mit ihren Speeren nach den Beinen unserer Männer zu stoßen. Deshalb wird jeder in der ersten Reihe Beinschienen und einen großen Schild tragen.« Artax deutete auf den dünnen Ast. »Unsere erste Linie wird aus zweitausend erfahrenen Kriegern bestehen und den zweitausend Besten von unseren Bauernkriegern. Jede Zehnergruppe wählt ihren besten Krieger, um ihn in die vorderste Schlachtreihe zu bringen. Nur jeder zweite wird genommen werden. Unsere Schlachtlinie soll eng aufgestellt sein und viertausend Mann lang sein. Das werden fast zwei Meilen sein. Wir werden zehn Mann tief stehen. Jeder Zehnertrupp reiht sich hintereinander auf.«
Artax blickte zu Ashot, der nachdenklich den Kopf wiegte. »Irgendwelche Anmerkungen?«
»Ich halte es nicht für klug, sie alle hintereinander aufzustellen. Das bedeutet, dass jeder rechts und links Fremde neben sich stehen hat. Das wird die Männer verunsichern. Sie werden besser kämpfen, wenn sie in kleinen Blöcken stehen. Drei Mann breit und drei tief. Wir haben doch miteinander geübt, um die Gefährten in unseren Zehnergruppen besser zu kennen. Das war alles vergebens, wenn jeder umgeben von Fremden kämpft.«
Datames stöhnte leise. »Ein guter Einwand, aber es wird viel schwerer werden, so die Schlachtlinie aufzubauen. Nach unserem alten Plan lassen wir einfach die Zehnergruppen nebeneinander aufmarschieren. Wir wissen nicht, wie schnell Muwatta angreift. Er marschiert gedeckt durch die Hügelkette am anderen Ufer auf. Wenn sein Heer gut geführt ist – und daran habe ich keinen Zweifel –, dann wird er die Gelegenheit nutzen und angreifen, während wir noch versuchen, eine Schlachtlinie zu formen.«
»Wir üben ab morgen, die Linie zu bilden«, entschied Artax. »Sollte sich herausstellen, dass Ashots Vorschlag nicht umzusetzen ist, bleiben wir beim alten Plan.«
»Es ist ganz gleich, wie viel wir üben. Wenn nur jeder zweite Mann in der Front ein erfahrener Kämpfer ist, werden Muwattas Krieger durchbrechen«, sagte Mataan. »Der Vorteil, dass wir höher stehen, reicht nicht aus, um ihre Kampferfahrung aufzuwiegen.«
»Ich glaube nicht …«
»Ihr wolltet ein offenes Wort, Unsterblicher. Und ich sage, es wird nicht gelingen. Habt ihr schon einmal im Schildwall gekämpft?«
Artax horchte in sein Inneres.
Der Platz für einen Feldherren ist auf einem Hügel, von dem aus er die Schlacht überblicken kann. Oder in einem Streitwagen, mit dem er einen kühnen Angriff über die Flanke führt. Wir waren niemals im Gedränge eines Schildwalls!
Artax deutete auf die Mitte des dünnen Astes. »Bisher habe ich noch nie im Schildwall gekämpft. In vier Tagen wird sich das ändern. Dann werde ich dort stehen. Ich denke, das wird die Moral der Männer heben.«
»Das ist nicht klug«, entfuhr es Datames.
Mataan sah ihn nur abschätzend an, während Ashot nickte. »Meine Männer werden besser kämpfen, wenn sie wissen, dass Ihr unter ihnen seid.«
»Es ändert nichts daran, dass die erfahrenen Krieger es nicht schätzen werden, einen Bauern an ihrer Seite zu haben. Ihre Moral wird untergraben sein, bevor die Schlacht beginnt. Man muss dem Mann neben sich in der Schlachtlinie vertrauen können. Das ist kein guter Plan, Unsterblicher.«
Artax setzte drei große weiße Holzklötze in gleichmäßigen Abständen hinter die Schlachtlinie. »Jeder dieser Blöcke stellt tausend erfahrene Kämpfer dar. Du, Mataan, Bessos und Kolja werden je eine Tausendschaft befehligen. Sollte unsere Schlachtlinie brechen, seid ihr unsere Reserven. Ihr müsst den Feind zurückwerfen.«
»Und wo ist sich mein Platz?«
Artax legte einen ovalen Holzklotz hinter die Reserven. »Du befehligst die Streitwagen, Volodi. Sobald sich Muwattas Streitwagen in Bewegung setzen, werden sie so viel Staub aufwirbeln, dass wir wissen, wo sie sind, auch wenn die Hügelkette die Wagen selbst noch vor unseren Blicken verbirgt. Fünf Meilen westlich von hier ist das Ufer niedrig. Dort werden sie wahrscheinlich den trockenen Fluss passieren. Du musst sie aufhalten. Wahrscheinlich wird Muwatta selbst den Befehl führen, und er wird mindestens doppelt so viele Streitwagen haben wie wir.«
Volodi nahm die schwarze Holzscheibe, die für die luwischen Streitwagen stand, legte sie auf das Schlachtfeld und spuckte darauf. »Ich mich zerschmettern sie! Habe ich besiegt ihre Wagen, als ich war zu Fuß. Was glaubst du dich wird geschehen, wenn ich auf Wagen mit Sichelräder stehe? Mache ich klein die Luwier. Sehr klein!«
»Was tut Ihr, wenn Muwatta seine Streitwagen aufteilt, Unsterblicher?«, fragte Ashot.
»Dann werden auch wir unsere Streitmacht in zwei Wagenschwadronen teilen. Aber seine Macht zu teilen ist nicht üblich. Die Streitwagen sind dazu geschaffen, um an einer Stelle mit allen Kräften den Todesstoß zu führen. Deshalb führt sie üblicherweise der Herrscher selbst an. Wo die Streitwagen kämpfen, wird über Sieg oder Niederlage entschieden.«
»Aber Ihr seid in der Schlachtlinie«, sagte Mataan vorwurfsvoll.
»Diese Schlacht wird anders verlaufen.« Artax war zutiefst davon überzeugt, dass sie es schaffen konnten. »Wir werden am Steilufer siegen, wo Muwatta glaubt, dass er leichtes Spiel haben wird. Was denkst du, wie er dort angreifen wird, Mataan?«
Der Fischerfürst nahm die schwarzen Klötze, die noch auf dem Tisch lagen, und bildete eine schwarze Linie gegenüber der weißen. »Er wird versuchen, seinen Schildwall länger zu strecken als wir, und seine Linie dünner aufstellen, um uns zu überflügeln.«
»Die Reserven schützen unsere Flügel«, entgegnete Artax ruhig. »Und ist sein Schildwall länger als unserer, dann wird er nicht den Druck aufbauen können, um unsere Linie zu durchbrechen. Dazu müssen seine Männer viele Reihen tief stehen.«
Mataan nickte, sichtlich widerstrebend. »Das ist wahr. Wenn unser Schildwall aus Bauern hält …«
»So wie du redest, habe ich eher das Gefühl, dass wir uns Sorgen machen müssen, dass unsere Krieger fortlaufen«, mischte sich Ashot ein. »Die Löwen von Nari werden standhalten.«
»Worte sind billig. Mich überzeugen Taten!«
»Können wir nicht uns machen ein paar Tricks? Ist sich immer gut, den Feind sich zu überraschen. Sich schmeißen Köpfe von toten Luwiern in Reihen von Muwatta wird sich sein gut sehr!«
Datames stieß einen tiefen Seufzer aus. »Und woher sollten diese Köpfe kommen?«
»Schicken wir unsere Katzen sich holen. Zapote-Männer machen sich gerne Köpfe abschneiden.«
»Wir haben andere Überraschungen parat.« Datames fuhr mit ausgestrecktem Finger über das gegenüberliegende Ufer. »Wir werden hier die Böschung abgraben. Sie steiler machen. Muwattas Männer sollen sie noch passieren können, aber wehe, einer strauchelt. Dann geraten die Reihen der Feinde in Unordnung.«
Volodi schüttelte den Kopf. »Ein paar Männer fallen sich um? Ist sich nicht nix großer Trick. Gar nicht voll von Eindruck.«
»Wir haben Plänkler im trockenen Fluss. Bogenschützen, Speerwerfer und Schleuderer. Es werden mehr als nur ein paar Männer straucheln, wenn Muwattas Heer über die Böschung herabsteigt.«