»Wir müssen schnell handeln«, raunte Datames an seiner Seite. »Die Panik greift schon um sich.«
Die Plänkler, die sie im Flussbett postiert hatten – Krieger, bewaffnet mit Steinschleudern, Bögen und leichten Wurfspeeren –, drängten gegen den Schildwall, der sich aufzulösen begann. Schon hatten die ersten Elefanten das gegenüberliegende Ufer erreicht. Behutsam suchten sich die Tiere einen Weg hinab. Die Türme auf ihren Rücken schwankten dabei so stark hin und her, dass die Bogenschützen darauf nicht schießen konnten.
»Sie dürfen nicht bis zum Schildwall kommen«, rief Artax und eilte, so schnell es die Holzschuhe zuließen, die Böschung hinab. »Folgt mir, Männer!«
Die ersten Elefanten waren im trockenen Fluss angelangt. Einer kam direkt auf Aaron zu. Sein Treiber schlug mit einem spitzen Haken auf den Nacken des Tieres ein. Die kleinen Augen der Kreatur waren angstweit.
Plötzlich bäumte sich der Elefant auf, riss seinen Rüssel zurück und stieß ein schrilles, durchdringendes Trompeten aus. Artax sah Krähenfüße in den dicken Sohlen des Tieres stecken. Der Turm auf dem Rücken des Elefanten kam ins Rutschen. Er krängte zur linken Seite und riss den Elefanten zu Boden. Die Turmbesatzung wurde in den Sand geschleudert. Der Treiber, der im Nacken des Elefanten gesessen hatte, lag halb eingeklemmt unter dem Tier, das verzweifelt versuchte, sich wieder auf die Beine zu kämpfen.
Überall ringsherum bäumten sich die Elefanten auf. Ihre Trompetenstöße kündeten von Schmerz, Schrecken und Panik. Sie stiegen auf die Hinterbeine wie scheuende Hengste. Andere wandten sich um und stürmten die gegenüberliegende Böschung hinauf. Manche jedoch rannten einfach nur vorwärts, blind vor Schmerz und Schrecken.
Ein Pfeil prallte von Artax’ Brustpanzer ab. Die Wucht des Treffers ließ ihn nach hinten taumeln. Er hatte darauf verzichtet, seinen Löwenhelm aufzusetzen, um besser sehen zu können. Das bedauerte er jetzt. Auf der Uferböschung der Luwier erschienen Bogenschützen, um den Angriff der Elefanten zu unterstützen, und leicht bewaffnete Plänkler stürmten zum Flussbett hinab.
»Schreit sie an!«, rief Datames. »Lauft auf sie zu und schwenkt die Arme, dann werden sie scheuen.« Mit diesen Worten stürmte er selbst einem Elefanten entgegen. Der Hofmeister trug eine leichte Leinenrüstung und schwang ein seltsames, schlankes Eisenschwert, wie Artax noch keines gesehen hatte.
Der Elefant wich nicht aus. Er schlenkerte wütend mit dem Kopf. Die Sichelklingen an seinen Stoßzähnen schnitten zischend durch die Luft. Datames duckte sich unter dem Angriff hinweg und hackte nach dem Rüssel des Elefanten. Sein Schwert durchschnitt das schützende Leder und durchtrennte den Rüssel, der eine Blutfontäne hinter sich herziehend durch die Luft wirbelte. Die riesige Kreatur schrie vor Schmerz gepeinigt auf, versuchte Datames zu zerstampfen, doch der Hofmeister wich jedem der Angriffe aus und stieß seine Klinge tief in die Kehle des Tiers.
»Treibt sie zurück!«, schrie Artax, der Datames’ Heldenmut bewunderte, und stürmte nun seinerseits einem der Elefanten entgegen, die drohten, bis zum Schildwall zu gelangen. Es waren nicht mehr viele, die geradewegs auf sie zustürmten. Weniger als zwanzig. Aber es waren genug, um ihre Menschenmauer zu zerschmettern.
Die Krieger auf den Holztürmen zogen kurze Wurfspeere aus Köchern, die von den hölzernen Zinnen hingen, und schleuderten sie auf die wenigen Tapferen herab, die die Böschung hinabliefen, um die Ungeheuer aufzuhalten.
Artax fegte einen der Wurfspeere mit seinem Schwert beiseite. Der Elefant neigte sein Haupt, sodass die mörderischen Sichelklingen an seinen Stoßzähnen dicht über den Boden fegten.
Artax versuchte nach dem Rüssel zu schlagen, doch wollte ihm kein Treffer gelingen. Immer wieder musste er den Sichelklingen ausweichen und zurückspringen, denn der Elefant marschierte unerschrocken weiter vorwärts und ließ sich von Schreien und wilden Flüchen nicht beeindrucken.
Artax strauchelte über einen der Toten. Mit den Armen rudernd, versuchte er die Balance zu halten, als ein weiterer Wurfspeer auf ihn niederging und er sich nach hinten stürzen ließ, um dem tödlichen Geschoss auszuweichen. Er meinte, in den kleinen Äuglein des Elefanten Triumph zu sehen, als er am Boden lag und die Bestie einen ihrer Vorderfüße hob, um ihn zu zermalmen.
Artax tastete nach seinem Schwert, das ihm im Sturz aus der Hand geglitten war, unfähig, den sich langsam senkenden Elefantenfuß aus den Augen zu lassen. Er bekam einen Krähenfuß zu packen, rammte den Bronzedorn in den Ballen des Elefanten und rollte sich zur Seite ab.
Das riesige Tier zuckte zurück, stieß einen schrillen Trompetenstoß aus. Den Fuß, der ihn hatte zermalmen sollen, setzte es nicht wieder auf.
Artax kam auf die Beine und griff sein Schwert, als ihn ein Lanzenstoß in die Flanke traf. Die eiserne Spitze vermochte die Rüstung der Devanthar nicht zu durchdringen, doch ließ ihn der Treffer erneut taumeln. Er blickte zu dem Krieger auf, der ihn von der Howdha, dem Turm auf dem Elefantenrücken, aus mit einer wohl vier Schritt langen Lanze angriff. Mit seinen wütenden Attacken behinderte er die Speerwerfer.
Artax wich einem Lanzenstoß aus, packte mit beiden Händen den Schaft der Waffe und zog mit einem heftigen Ruck daran, doch der Krieger im Turm war stark. Es gelang Artax nicht, ihm die Waffe zu entwinden. Aus den Augenwinkeln sah der Unsterbliche, wie der Elefant mit dem Rüssel nach seinem verletzten Fuß tastete und sich bemühte, mit dem fingerähnlichen Auswuchs an der äußersten Rüsselspitze den Krähenfuß aus seiner Sohle zu ziehen. Vergeblich. Plötzlich stieß er den verwundeten Fuß in einem Wutausbruch zu Boden. Mit funkelnden Augen fixierte er Artax und wandte sich langsam um.
Pfeile gingen auf den Elefanten nieder. Der Krieger mit der Lanze sackte auf die Brüstung der Howdha. Ein gefiederter Schaft ragte aus seinem Nacken. Artax entwand dem Toten die Waffe.
»Komm, Grauer! Ich fürchte dich nicht!« Er tippte mit der Spitze der Lanze gegen eine der Klingen an den Stoßzähnen. »Bringen wir es zu Ende!«
Wütend schwang der Elefant den Kopf zur Seite und versuchte ihn mit seinem Rüssel zu packen. Artax ließ sich auf die Knie fallen und stieß die Lanze am Rüssel vorbei ins aufgerissene Maul des Elefanten. Er spürte, wie die Spitze durch Fleisch drang und schließlich auf Knochen traf. Blut troff aus dem Maul des Elefanten, der ruckartig den Kopf nach hinten warf.
Artax wurde emporgerissen. Er ließ die Lanze los, segelte ein Stück durch die Luft und schlug schwer auf den Boden. Ein Krähenfuß grub sich in seinen Oberschenkel. Artax biss die Zähne zusammen und versuchte den Schmerz zu ignorieren.
Der Elefant warf seinen Kopf hin und her. Dann packte er mit dem Rüssel nach dem Speerschaft. Das Holz splitterte, doch vermochte er die Waffe nicht aus seinem Maul zu reißen.
»Seid Ihr verletzt?« Datames kniete neben ihm.
Artax schüttelte den Kopf und stemmte sich hoch. Der Elefant hatte ihn vergessen, er beschäftigte sich nur noch mit der gesplitterten Lanze in seinem Schlund.
»Wir müssen zurück, Aaron. Die Schlachtlinie bricht. Die Männer müssen dich sehen, oder es ist alles verloren.«
Artax fuhr herum. Ein Dutzend oder mehr der Kolosse hatte es die Böschung hinaufgeschafft und warf sich wie lebende Rammböcke gegen den Schildwall.
Lebende Türme
Allein die Schreie zu hören machte ihn schon wahnsinnig. Da starben Männer, und irgendwelche Kreaturen stießen Laute aus, wie Narek sie noch nie vernommen hatte. Er war nicht der Größte und stand erst in der vierten Linie der Schlachtreihe. Er konnte nichts sehen außer den Rücken der Männer vor ihm.
Aber rechts neben ihm stand ein großer Kerl, den er nicht kannte. Er war muskulös und hatte kein sehr einnehmendes Gesicht. Und selbst ihm zitterten die Hände so sehr, dass er kaum seinen Speer halten konnte.
»Was siehst du?«
Der Kerl antwortete nicht. Er schien ihn gar nicht gehört zu haben. Da war wieder so ein Tierlaut. Ein bisschen wie ein Trompetenstoß.