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»Warum hast du die Elfe aus dem Wasser gezogen? Du bist wohl verrückt! Ersäufen müssen wir die. Die wird es uns nicht danken, wenn wir sie am Leben lassen.« Galar stand auf.

»Tu das nicht.« Hornbori hielt ihn zurück. »Wir brauchen sie. Nur für kurze Zeit, dann kannst du mit ihr machen, was du willst.«

Galar sah ihn finster an. Dann blickte er zu Nyr. »Spinnt ihr jetzt beide? Hat euch wohl nicht gutgetan, in den Brunnen zu fallen.«

»Es ist wegen des Jungen. Wir wissen doch nicht einmal, aus welcher Sippe er stammt. Wir müssen erfahren, wo sie ihn gestohlen hat.«

Galar lachte auf. »Was glaubt ihr, was oben los ist? Ein Kind wurde gestohlen. Die halbe Stadt wird in heller Aufregung sein. Dass die Drachen meine Werkstatt abgefackelt und versucht haben uns drei umzubringen, wird sich vermutlich noch nicht herumgesprochen haben, aber dass ein Kind gestohlen wurde, ist ganz gewiss schon Stadtgespräch. Bestimmt wimmelt es da oben nur so von aufgescheuchten Weibern, die wilde Verdächtigungen ausstoßen. Und ich wette, Amalaswintha führt die Horde an.« Er zog den Dolch aus seinem Gürtel. »Der Elfenschlampe werde ich die Kehle durchschneiden. Dann haben wir eine Sorge weniger. Das ist eine Drachenelfe. Die ist hier, um uns zu töten. Wenn wir die nicht schleunigst abmurksen, wird uns das noch leidtun.«

Nyr steckte dem Kleinen seinen Daumen in den Mund und legte ihn sich in die Armbeuge. Hornbori war verblüfft, über welch verborgene Talente der Richtschütze verfügte. Dem Jungen gefiel es. Er schloss die Augen, runzelte die Stirn und nuckelte mit einer Ernsthaftigkeit an Nyrs Daumen, die Hornbori schmunzeln ließ.

Galar beugte sich über die Elfe, um es zu Ende zu bringen. Er packte ihr blutverklebtes Haar und riss ihren Kopf hoch. Deutlich sah Hornbori ihre halb geöffneten Lider durch das herabhängende Haar. Ihre Pupillen waren nach oben verdreht. Speichel troff von ihrem Mund. Wahrscheinlich war es gar nicht mehr nötig, sich mit ihr noch Mühe zu geben. Sie war ohnehin mehr tot als lebendig. Galar führte das Messer zur Kehle der Elfe, als sie überraschend ihren Kopf nach hinten riss und unter sein Kinn hämmerte. Gleichzeitig schlug sie mit der Faust nach Galars Messerarm. Die Klinge schwang zur Seite.

Ein Schlag in die Armbeuge ließ den Unterarm des Schmieds hochschnellen. Das Messer streifte seinen Oberarm. Er fluchte, und ein Ellbogen hämmerte dumpf in seine Magengrube.

Galars rechter Arm zuckte unkontrolliert. Seine Finger öffneten sich, und das Messer fiel zu Boden. All dies hatte kaum drei Herzschläge gedauert.

»Die Armbrust«, stammelte Galar, von dessen Lippen Blut troff. »Dort hinten!«

Die Elfe blickte zu Hornbori. Ihre Augen waren immer noch verdreht. Eines starrte ihn geradewegs an, während das andere zur Höhlendecke zu blicken schien.

Galar versuchte davonzukriechen, doch die Elfe packte ihn mit beängstigender Kraft, rammte ihn mit dem Rücken gegen die Wand und stach ihm den Dolch in die Kehle.

»Steh still!«, herrschte sie Galar an, der entsetzt auf den Dolch hinabblickte. »Ihr habt eine Armbrust? Wirf sie ins Wasser. Und die Axt da vorne auch.« Sie sprach zwergisch mit dem Dialekt der Ehernen Halle.

»Hör nicht auf sie, Schisser!«, brachte Galar gepresst hervor. »Die hat mir ein Messer in den Hals gerammt. Ich bin so gut wie tot. Tu mir einen letzten Gefallen. Nimm die verdammte Armbrust und leg sie um.«

Die Elfe ließ Hornbori nicht aus den Augen. »Bedeutet dir der Kerl hier etwas? Die Klinge steckt zwischen seiner Luftröhre und zwei großen Adern. Da, wo ich herkomme, üben wir das mit Ziegen. Wie du dir vorstellen kannst, essen wir oft Ziegenfleisch. Es dauert eine Weile, bis man es beherrscht, die richtige Stelle zu treffen. Ich hoffe, ein Zwergenhals unterscheidet sich nicht grundlegend von einem Ziegenhals. Es ist eine heikle Angelegenheit, jemandem ein Messer in den Hals zu stoßen. Wenn meine Hand nur ein wenig zittert, ist er tot. Wenn mir übel wird, weil er mir fast den Schädel eingeschlagen hat, und ich umkippe, ist er tot. Solltest du auf die Idee kommen, die Armbrust zu spannen, statt sie ins Wasser zu werfen, ist er tot.«

»Wenn du sie gehen lässt, holt sie Verstärkung, und wir alle vier sind tot«, röchelte Galar. »Mit mir ist es vorbei. Rette den Kleinen!« Mit diesen Worten versuchte er sich, ohne Rücksicht auf das Messer, aus der Umklammerung der Elfe zu winden.

Hornbori sah sich nach der Armbrust um, vermochte sie jedoch in dem Durcheinander der Höhle nicht zu entdecken. »Wo ist sie?«

Galar stieß ein unverständliches Gestammel aus.

»Lass es«, sagte Nyr. »Sie hat das Kind hierhergebracht. Vielleicht ist sie gar keine Mörderin.«

Hornbori versuchte zu erraten, wo die Armbrust stecken mochte. Mit Logik brauchte er es nicht zu versuchen, das lag auf der Hand. Hier gab es keine Ordnung, und das spärliche Licht machte es ihm nicht gerade leichter. Ihm war bewusst, dass ihre Aussichten zu gewinnen nicht gut standen. Natürlich durfte man einer Elfe keinesfalls trauen, aber vielleicht war es im Augenblick klüger zu verhandeln. Er blickte zurück. Galar war in sich zusammengesunken. »Sie hat ihn umgebracht!«

»Hat sie nicht. Beruhig dich. Sie hat irgendetwas an seinem Hals gemacht. Irgendwo gedrückt.«

»Woher willst du wissen, dass Galar nicht tot ist? So wie er da hängt …«

»Wollte ich ihn ermorden, hätte ich wohl das Messer benutzt«, unterbrach ihn die Elfe.

Das war nicht ganz von der Hand zu weisen. Nur konnte man Elfen einfach nicht trauen. Sie …

Der Fels erbebte. Irgendetwas sehr Schweres schien sich über ihnen zu bewegen. Und dann erklang ein Schrei, wie ihn Hornbori noch nie gehört hatte. Wild, voller Schmerz und Zorn. Er war sich sicher, dass weder Zwergen noch Elfen einen solchen Laut von sich geben konnten.

Der Kleine begann leise zu wimmern. »Was ist das?«, flüsterte Hornbori.

Selbst die Elfe wirkte eingeschüchtert. Sie hob den Kopf zur Decke. Eines ihrer Augen war ganz weiß, als sei sie halb erblindet. »Ich weiß es nicht. Es muss mit dem Untergang der Tiefen Stadt zu tun haben. Ich …«

»Wovon redest du da?«, zischte Hornbori.

Sie fixierte ihn mit schielendem Blick. »Du bist Hornbori, und deine beiden Gefährten heißen Galar und Nyr. Richtig?«

Woher zum Henker wusste sie das? Natürlich antwortete er nicht. So leicht würde er es ihr nicht machen. Das musste sie geraten haben, schließlich waren sie einander noch nie begegnet.

»Wieso kennst du uns?«, fragte Nyr einfältig, während über ihnen ein Getöse anhob, als würden die Tische der Werkstatt gegen die Felswände geschleudert.

»Löscht alles Licht!« Die Elfe sagte das in einem Tonfall, der selbst Hornbori überzeugte. Sie hatte Angst! Das war nicht gespielt! »Was immer dort oben wütet, darf keinen Lichtschein im Brunnenwasser sehen.«

Hornbori gehorchte. Doch als die letzte kleine Flamme verlosch, fühlte er sich völlig ausgeliefert. Wie konnte die Elfe im Dunkeln sehen? Sicher ermöglichte ihr ihre Zaubermacht, noch immer alles deutlich zu erkennen. Als Zwerg war er zwar an die Finsternis der Tunnel tief im Berg gewöhnt, aber dazu brauchte er ein wenig Zeit. Die Lichter, die er eben gelöscht hatte, hatten seine Nachtsicht getrübt.

War die Elfe an ihrem Platz geblieben? Schlich sie auf ihn zu, nachdem sie Galar lautlos die Kehle durchtrennt hatte? War all dies nur ein Gaukelspiel gewesen, um sie wehrlos zu machen? Es gab viele Geschichten über Drachenelfen. In allen waren sie seelenlose Mörder. Dass solch eine Elfe ein Zwergenkind rettete, war undenkbar.

Wieder erbebte der Fels, und ein Rumoren war zu vernehmen, als bewegte sich irgendetwas Riesiges in Galars Werkstatt. Wie groß musste eine Kreatur sein, damit sie Geräusche verursachen konnte, die durch drei Schritt gewachsenen Fels drangen? Groß wie eine Silberschwinge? Größer? Drachen würden niemals durch die engen Tunnel in die Stadt gelangen, versuchte sich Hornbori zu beruhigen. Aber wenn dort oben kein Drache in der Werkstatt war, was dann? Ein Troll? Wen hatte diese Elfe im Gefolge? Woher kannte sie ihre Namen? Und was faselte sie vom Untergang der Stadt?