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Auf dem Gang erklang herzhaftes Gelächter. Es war das erste Lachen, das sie seit ihrer Rückkehr in die Weiße Halle vernommen hatte. Sie kannte es, und Trauer überkam sie. Das war unverkennbar Eleborn, einer der wenigen echten Freunde, die sie hier gefunden hatte. Ausgerechnet er musste gehen!

»Eleborn?« Nandalee war überrascht, wie schwach ihre Stimme klang. Kurz zu stehen hatte sie erschöpft.

»Deine Wunden sind geheilt, aber du hast viel Blut verloren. Dies zu ersetzen, hilft die Zauberkraft unserer Heiler kaum. Du musst einige Tage ruhen, um wieder zu Kräften zu kommen. Wenn du dich daran hältst, wirst du bald wieder auf den Beinen sein.«

Mit einem ungeduldigen Seufzer ließ sie sich in ihr Kissen sinken. Einfach herumzuliegen war nicht ihre Art. Sie dachte an die letzten Überlebenden ihrer Sippe, die jetzt irgendwo in einer stinkenden Trollhöhle gefangen waren. Wie viele Tage blieben ihnen wohl noch? Sie ballte die Fäuste. Bald … Sie würde das Versprechen erfüllen, das sie Duadan kurz vor dessen Tod gegeben hatte – oder bei dem Versuch sterben.

Eleborn spähte ins Zimmer. »Darf ich eintreten?«

»Eigentlich ist sie zu schwach, um eine Audienz nach der anderen zu gewähren«, murrte Gonvalon.

Eleborn verbeugte sich tief. »Verzeiht, meine hochwohlgeborene Dame, wenn ich ungelegen komme, doch stehe ich hier in Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden.«

»Hör nicht auf Gonvalon. Ich freue mich, dich zu sehen.«

»Sie freut sich noch zu Tode«, kam es von Gonvalon.

Eleborn war sichtlich verunsichert. Er strich sich sein langes, weißblondes Haar aus dem Gesicht. »Ich dachte, sie sei nicht schwer …«

»Ich bin nur schwach.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Selbst zu lächeln kostete sie Mühe. Was war das? Noch nie hatte sie sich so erschöpft gefühlt.

»Ich verlasse die Weiße Halle für immer. Ich wurde als Drachenelf berufen und werde schon in den nächsten Tagen auf eine erste Mission gesandt. Ich … ich habe etwas für dich.« Er löste eine schön ziselierte, kleine Silberflasche von seinem Gürtel, stellte sie auf den Tisch und öffnete den Verschluss. Eine Fontäne aus hellem Licht und Wasser schoss daraus hervor.

Piep und die anderen Misteldrosseln flogen erschrocken auf.

»Ein Zauber aus Mondlicht und Quellwasser gewoben«, erklärte Eleborn stolz. »Vollkommen nutzlos. Nur schön anzuschauen. Ein einfacher Befehl genügt, und das Licht vergeht. Ich fürchte allerdings, dass man sich nur zwei oder drei Mal daran ergötzen kann, bevor die Macht der Magie verlischt.«

Nandalee standen Tränen in den Augen. Sie hatte die Zauberkunststücke Eleborns immer gemocht. Er war anders als die übrigen Schüler der Weißen Halle. Er konnte sich ganz und gar in seinem Studium von Licht und Wasser verlieren. Einige spotteten, dass ihm eines Tages noch Schwimmhäute zwischen den Zehen wachsen würden.

»Und wie heißt dieses Wort, das den Zauber beendet? Du kannst es mir ja in einer anderen Sprache nennen.«

»Ähm …« Eleborn hob ein wenig hilflos die Hände. »Mir ist da ein Missgeschick geschehen, Gonvalon. Es ist ganz gleich, in welcher Sprache du es aussprichst. Es lässt das Licht sofort verlöschen. Ich kann es dir gerne draußen auf dem Gang nennen. Es sei denn, Nandalee wünscht die Zauber zu beenden.«

»Nein«, sagte sie schwach. Sie lag mit halb geschlossenen Lidern in ihr Kissen gesunken und betrachtete verzaubert das Spiel des Lichtes. Kein einziger Tropfen aus der Fontäne fiel hinab auf die Tischplatte. Sie fanden alle zurück in den tanzenden Wasserstrahl, den ein blasses, silbernes Leuchten umspielte. Das Sonnenlicht aber, das durch das Fenster fiel, brach sich in den feinen Tropfen und warf Lichttupfer in allen Regenbogen auf die Wand gegenüber von Nandalees Bett. Sie versank ganz in das Spiel der Farben und ließ sich von ihrer Erschöpfung in tiefen Schlaf davontragen.

In den Gassen der Goldenen Stadt

Volodi hatte keinen Wert darauf gelegt, mit großem Gefolge zu reisen. Als er durch die Goldene Pforte trat, begleitete ihn keine Eskorte. Wer nicht genau hinsah, mochte ihn für einen der Söldner halten, die die Karawane begleiteten, der er sich angeschlossen hatte. Nur dass Söldner keine zwei Eisenschwerter trugen.

Er hatte auf eine kostbare Rüstung und teure Gewänder verzichtet. Auch waren die Scheiden seiner Waffen aus einfachem, schmucklosem Leder gefertigt. Aber Eisenklingen waren besser als Schwerter aus Bronze. Und länger waren sie auch. Erfahrene Fechter würden das sofort bemerken.

Volodi scherte aus der Reihe der Lastenträger aus und betrachtete das turmhohe Tor mit seinen Flügeltüren aus massivem Gold, das sich inmitten der steilen Felswand erhob. Dies war der einzige Weg nach Nangog. Wer immer die fremde Welt betreten wollte, kam durch dieses Tor. Es wurde niemals verschlossen. Tag und Nacht zogen die Handelskarawanen der sieben Großreiche durch diese Pforte. Auf dem Platz reihten sich bereits neue Lastenträger, die Nangog verlassen würden. Hagere kleine Männer, die schwere Körbe mit einem Stirnband schleppten. Männer aus Zapote, wie die Muster ihrer Röcke und die federgeschmückten Armbänder verrieten.

Er dachte an Quetzalli, jene Frau, die er einst geliebt und die ihn fast ins Verderben geschickt hatte. Sein Blick schweifte über die Stadt, die in endlosen Terrassen am Steilhang des Weltenmundes lag, eines riesigen Kraters, in dem die Helden der sieben Königreiche, in Flugrahmen gehängt, im Himmel bestattet wurden.

Der Rauch Tausender Herdfeuer färbte das Firmament bleigrau, und über den Geräuschen der Stadt lag, gleichsam als Leitmelodie, das Klappern und Plätschern der großen Wasserräder, die die Zisternen füllten und das Wasser vom Fluss über Meilen den Berghang hinaufhoben.

Verschwommen im Abenddunst entdeckte er das Palastviertel der Zapote mit seinen hohen Wällen, über die sich lediglich die Stufenpyramiden erhoben, auf denen die Zapote zu ihren Göttern beteten. Auf einer dieser Pyramiden hätte er geopfert werden sollen. Nur weil er blondes Haar hatte und damit ein besonders kostbares Geschenk an die Himmlischen geworden wäre. Hätte Quetzalli es getan? Hätte sie ihn in diesen Bluttempel geführt? Oder war ihre Liebe so echt gewesen, wie sie sich für ihn angefühlt hatte? Wenn er Quetzalli doch nur ein einziges Mal noch sehen dürfte! Ihre Liebe hatte ohne Worte auskommen müssen, denn die Sprache der Zapote war ihm völlig fremd, ebenso wie Quetzalli ihn nicht hatte verstehen können. War sie noch hier? Hatte man sie bestraft, weil sie ihn nicht bis zum Opferstein gebracht hatte?

»Kann ich Euch helfen, edler Krieger?« Ein schlaksiger Kerl mit schütterem Haar und einem Ziegenbart, der aus einem verkniffenen Gesicht hervorstach, stand plötzlich vor ihm. Volodi war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er dem Mann keine Beachtung geschenkt hatte. »Ihr seid zum ersten Mal auf Nangog, nicht wahr? Seid gewarnt, hier in den Gassen tummelt sich der übelste Auswurf aller Reiche.« Der Fremde sprach seine Muttersprache, obwohl er nicht aussah, als käme er aus Drus.

»Bevor die Nacht einbricht, solltet Ihr in einer Karawanserei oder einem der großen Gasthäuser am roten Markt untergekommen sein. Dort kann man auch vorzüglich speisen. Gerne werde ich Euer Führer sein und Euch von den Wundern und Schrecken Nangogs berichten.«

Volodi dachte an die Kristallhöhle, die Grünen Geister und seine Reise im Wolkenschiff. Wunder und Schrecken dieser Welt hatte er schon reichlich zu sehen bekommen. Wahrscheinlich mehr als sein ziegenbärtiger Führer.

»Bring mich zur Schwebenden Halle. Dorthin, wo die freien Lotsen sich treffen.« Er wollte den Lotsen Nabor aufsuchen und mit ihm über die Himmel Nangogs und seine Schätze plaudern. Und er wollte sich besaufen. Die Lotsen kamen aus allen Königreichen, und er hatte noch keinen getroffen, der einem guten Schluck abgeneigt gewesen war, wenn er auf festem Boden stand. Die Schwebende Halle war ein geschützter Ort. Sein Rang als Kommandant der Palastwache würde ihm Zutritt verschaffen. Dort konnte er sich volllaufen lassen, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie sein Erwachen werden würde. Ganz gewiss gab es dort Met.