»Was geht hier vor sich?« Volodi blickte zu den Zinnernen.
»Moment.« Kolja winkte Eurylochos. »Nett, dass du dich persönlich darum gekümmert hast, dass mein Blondschopf zu mir gefunden hat. Jetzt ruft die Schlacht. Nimm dir zwanzig Mann. Du weißt, wo dein Platz ist. Männer!« Seine Stimme rollte wie Donnerhall durch den weiten Keller. »Volodi ist zurückgekehrt, um heute an unserer Seite zu kämpfen. Ein Hoch auf den verdammten Bastard, der über den Adlern schreitet!«
Die Krieger begrüßten ihn mit Jubelrufen. Aber Volodi wollte nichts davon wissen. »Was für eine Schlacht?«, zischte er Kolja an.
»Lasst eure Zinnmünzen verschwinden, Männer«, rief Kolja. »Unsere Feinde sollen noch lange rätseln, wer wir wirklich sind. Die Münzen würden euch verraten. Wenn wir mit denen fertig sind, werden wir uns alle besaufen. Hier unten lagert eine ganze Schiffsladung vom besten aegilischen Roten. Also macht schnell! Tretet denen oben in den Arsch, dass sie nicht mehr wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind.« Er packte Volodi beim Arm und zog ihn eine Treppe hinauf.
»Am besten siehst du dir an, was vor sich geht.« Über ihnen ertönte gedämpfter Lärm.
»Von was für einer Schlacht redest du!«
Kolja knuffte ihn mit seiner Lederfaust, was sich wie ein freundschaftlicher Bärentatzenhieb anfühlte. »Du weißt doch, ich übertreibe gerne. In Wirklichkeit erwartet uns nicht einmal ein kleines Scharmützel. Unsere Waffenübungen sind gefährlicher als dieser nächtliche Spaziergang.«
Jetzt waren deutlich dumpfe Schläge zu vernehmen, dazu gedämpftes Geschrei.
Kolja grinste. »Hat ordentlich dicke Mauern, dieses Haus. Und keine Fenster im Erdgeschoss. Daran war mir sehr gelegen, als ich es ausgesucht habe. Eine richtige kleine Festung.«
»Werden wir etwa belagert?«
Sie erreichten das Ende der Treppe, und Kolja stieß eine schwere Tür auf. »Von einer Belagerung zu sprechen hieße, den Idioten da draußen zu schmeicheln. Im Übrigen ist eine Belagerung eine Angelegenheit, die sich über eine gewisse Zeit erstreckt. Der ganze Spuk hier hingegen wird in weniger als einer Stunde vorüber sein.«
Kolja schlug einen schweren, roten Vorhang zur Seite und führte ihn in ein großes Zimmer, in dem seidenbespannte Diwane standen. Schöne Karaffen auf niedrigen Tischen, protzige Trinkpokale und anzügliche Bilder an den Wänden rundeten das Ambiente ab. Blaugrauer Weihrauch sank aus einer großen Bronzeampel unter der gewölbten Decke und erfüllte den Raum mit Wohlgeruch.
Unter das Poltern der dumpfen Schläge mischte sich das Geräusch von splitterndem Holz. Kolja berührte das nicht im Mindesten. Er nahm sich einen Pokal und schüttete sich Wein ein. »Der ist gut, du solltest davon kosten.«
»Was zum Henker ist hier los? Rede, verdammt noch mal!«
»Mit dem Aufbau unseres Geschäftes haben wir uns nicht nur Freunde gemacht. Natürlich gab es in der Goldenen Stadt schon Freudenhäuser – hört sich viel besser an als Hurenhäuser, nicht wahr? Also Freudenhäuser gab es schon, bevor wir kamen. Nur sind unsere besser. Was die Betreiber der anderen Häuser verärgerte … Aber wer will schon altbackenes Brot, wenn er anderswo für dasselbe Geld Kuchen haben kann? Sie haben drei Mal versucht mich umzubringen. Zuletzt sogar mit Gift, was ich ihnen ernstlich übel genommen habe. Gift! So töten Frauen! Stellt sich ein Kerl mit einem Messer in der Hand vor mich und versucht mich aufzuschlitzen, dann ist das eine ehrliche Angelegenheit unter Männern. Aber Gift …« Kolja nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinpokal. »Das gehört sich nicht.«
»Was im Namen der Götter hast du getan?«
Kolja setzte den Pokal ab und lächelte unschuldig. »Niemanden umgebracht. Ich habe gelernt. Ich habe unsere Schreiber gerufen. Da ich nicht wusste, wer verantwortlich war, habe ich an jeden Freudenhausbesitzer in dieser Stadt ein Tontäfelchen schicken lassen, auf dem geschrieben stand, dass ich bis morgen die Schlüssel seines Hauses erwarte oder vorbeikommen würde, um ihm die Ohren abzuschneiden und dabei zuzusehen, wie er sie frühstückt. Wie mir scheint, hat das die Luden ein wenig aufgebracht …«
»Du hast ihnen allen gleichzeitig den Krieg erklärt?« Volodi schüttelte den Kopf. »War das nötig?« Er machte sich keine Sorgen, aber er hätte sich gewünscht, dass Kolja ihre Geschäfte in der Goldenen Stadt mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl angegangen wäre.
»So ist alles in einem Aufwasch erledigt«, entgegnete der Faustkämpfer gut gelaunt. »Komm, sehen wir uns die Sache von oben an.« Er winkte Volodi zu einem Vorhang, hinter dem eine schmale Treppe verborgen lag. Indessen splitterten immer mehr Bohlen der Tür.
Volodi konnte jetzt deutlich verstehen, was die Menge draußen rief.
»Hängt den Fleischkopf!«
»Einen netten Namen haben sie sich für dich ausgedacht.«
Die Treppe mündete auf einen schmalen Flur. Durch die Tür am Ende sah Volodi Bogenschützen, die sich auf einer Galerie versammelt hatten, die über dem Innenhof des Hauses lag. Eine zweite Tür lag unmittelbar vor ihnen. Kolja stieß sie auf, und ohrenbetäubender Lärm brandete ihnen entgegen.
Der hünenhafte Faustkämpfer trat hinaus auf einen Balkon. Am Geländer lehnte sein Schwert. Offensichtlich hatte er diesen Auftritt genau geplant.
Schwarz und Weiß
Volodi folgte Kolja auf den Balkon hinaus. Unter ihnen vor dem Tor drängte sich bis weit die Straße hinauf der aufgebrachte Mob. Fast alle dort unten trugen Fackeln. Das Licht der Flammen spiegelte sich auf langen Bronzedolchen und metallbeschlagenen Knüppeln. Einen Schild oder gar eine Rüstung trug kein Einziger von ihnen. Männer aus allen sieben Königreichen drängten sich dort, vereint in ihrem Hass auf Kolja. Finstere Gestalten. Die meisten von bulliger Statur. Türsteher, Geldeintreiber, Halsabschneider. Fast durchweg waren es Männer, denen man nicht gerne in einer dunklen Gasse begegnen mochte. Aber sie haben keine Ahnung, mit wem sie sich einlassen, dachte Volodi.
»Da oben steht der Fleischkopf!«, schrie einer aus der Masse.
Kolja winkte wie ein Fürst, der sein Volk grüßt. »Was für eine Freude zu sehen, welcher Beliebtheit sich dieses Haus erfreut.« Ein Stein flog zu ihm hinauf. Er schnappte ihn mitten im Flug und legte ihn neben sich auf das Geländer. »Nicht einmal an einen Rammbock haben sie gedacht, diese Idioten«, sagte er leise zu Volodi gewandt.
»Komm runter, Fleischkopf, und kämpf wie ein Mann, sonst brennen wir dir das Dach über dem Kopf ab. Wir kriegen dich auf jeden Fall!« Diesmal erkannte Volodi den Sprecher. Es war ein großer, leicht beleibter Kerl mit schütterem Haar und einem lächerlichen Oberlippenbärtchen. Er trug eine himmelblaue Tunika, die mit breiten, silbernen Borten bestickt war.
»Das ist Leon«, erklärte Kolja. »Er kommt aus Truria und hat hier im Geschäft mit den Mädchen eine Menge zu sagen.«
»Ich mache ein Gegenangebot.« Sein Freund wandte sich an die aufgebrachte Menge. »Ihr lasst auf der Stelle die Waffen fallen und legt die Hände auf den Kopf, sodass ich sie gut sehen kann. Dann trifft nur jeden Zehnten von euch mein Zorn.«
»Der Fleischkopf ist vor Angst verrückt geworden«, rief Leon mit heiserer Stimme. »Holt ihn mir da runter! Ich will ihm den Schwanz abscheiden und ihn zu meinem Hofeunuchen machen!« Er hob sein Messer, eine lange, schlanke Bronzeklinge. »Dieses Haus hat nur einen Eingang, Fleischkopf. Du wirst uns nicht entkommen.«
Volodi hörte, wie unter ihnen die Tür aufflog. In den Mob kam Bewegung.
»Bogenschützen!« Koljas Stimme übertönte den Lärm der Angreifer.
Volodi sah, wie sich auf den Häusern entlang der Straße Bogenschützen erhoben, die hinter den niedrigen Umfassungsmauern der Flachdächer gekauert hatten. Gleichzeitig erschienen an beiden Enden der Straße Krieger mit mannshohen Turmschilden, hinter denen zwei Reihen von Speerträgern folgten. Es war vorhersehbar, wie das enden würde.