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»Ach, Volodi … Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß. Meistens ist sie grau. Natürlich schicken wir einige Männer. Aber mindestens hundert brauche ich, damit die Geschäfte hier laufen. Vor allem, wenn ich diese Brut da draußen wieder laufen lassen muss. Dank deiner Milde erwartet uns ein langer Krieg um die Freudenhäuser der Stadt.«

»Ist es das denn wert? Sollten wir es nicht lieber fahren lassen und …«

Kolja hieb mit der Faust auf den kleinen Tisch, auf dem die Karaffe stand. »Verdammt noch mal! Was ist denn los mit dir? Meinst du, ich tue das, weil es mir so großen Spaß macht, den Luden zu spielen? Sieh mich an! Was siehst du? Einen Kerl, der kein Gesicht mehr hat, weil er nicht mitbekommen hat, wann er mit den Faustkämpfen hätte aufhören sollen. Und das war so, weil ich keinen Plan für danach hatte. Das wird mir in meinem Leben nie wieder passieren. Was wird aus alten Kriegern, denen ein Arm fehlt, die lahm oder von Krankheiten ausgezehrt sind? Welcher Herrscher gibt ihnen ein Gnadenbrot? Aaron wird uns vergessen, wenn wir nicht mehr von Wert für ihn sind. Ein zerbrochenes Bronzeschwert ist dann mehr wert als wir, denn man kann es wieder einschmelzen. Wir aber, wir sind nur noch Abschaum. Alte Krieger verrecken irgendwo in der Gosse, ohne dass ihnen jemand eine Träne nachweint. Aber mit den Zinnernen wird es anders sein. Für uns gibt es einen Ort, an den wir gehen können. Hierher, in die Goldene Stadt kommen wir. Es wird uns an nichts fehlen. Und wenn unsere letzte Stunde kommt, sitzt eine hübsche Hure auf unserem Totenbett und hält uns die Hand, und in der anderen Hand halten wir einen goldenen Becher mit dem besten Wein. Das ist der Eid, den ich mir geschworen habe, und der wiegt schwerer für mich als jede Verpflichtung gegenüber dem Unsterblichen Aaron. Ich bin nicht zum Helden geboren, Volodi. Ich komme nicht aus einer Fürstenhalle wie du. Wenn Kinder mich sehen, fangen sie an zu weinen. Du wirst nie erfahren, wie das ist, stolzer Held mit dem goldenen Haar. Du …«

Volodi hob die Hände. »Es ist gut, ich habe verstanden. Was also willst du tun? Ich kann nicht ohne Krieger zurückkehren. Und Aaron kann zählen. Wenn ich mit zu wenig Männern komme, wird er wissen wollen, wo der Rest steckt.«

Kolja fuhr sich mit seiner riesigen Pranke über den verunstalteten Schädel und seufzte. »Gib mir drei Tage. Mir wird etwas einfallen. Ich finde jemanden, der mit dir kommt, um in deinem Heldenspiel zu verrecken.«

Blondes Haar

Kolja wischte sich mit einem feuchten Tuch über die Stirn. Schwüle Hitze lag über der Stadt und machte jeden Atemzug zur Qual. Die weißen Steine, mit denen der weite Platz gepflastert war, reflektierten das Sonnenlicht, dass es in den Augen schmerzte. Er blinzelte und nahm einen Schluck aus seinem Ziegenlederschlauch. Heute enthielt er keinen Wein. Nur Wasser mit einem Spritzer Essig darin. Er ließ das lauwarme Nass durch seinen Mund kreisen. Was für eine üble Brühe. Am liebsten hätte er es ausgespuckt, aber das hätten sie als Beleidigung auffassen können.

Er sah zu dem riesigen, weißen Tor. Wohl dreißig Schritt war es hoch. Es gab keine Türflügel. Man konnte einen Teil der Residenz des Statthalters aus Zapote dahinter sehen. Es war eine Stadt in der Stadt. Etwa hundert Schritt entfernt erhob sich eine Stufenpyramide. Feiner grauer Rauch stieg dort in den Himmel. Kein Windstoß zerrte am Rauch. Scheiß Hitze, dachte Kolja.

Er wusste, dass sie ihn beobachteten. Die ganze Zeit schon. Jede seiner Gesten wurde bewertet. Sie machten sich ein Bild von ihm. Auch wenn sie sehr zurückhaltend waren und man fast nie einen ihrer Priester in den Straßen der Goldenen Stadt sah, wussten die Zapote genau, was geschah. Er würde nie wieder den Fehler machen, diese federgeschmückten Wilden zu unterschätzen. Voller Unbehagen dachte er daran, wie es auf diesem Platz zur Schlacht gekommen wäre, hätte das Wolkenschiff sie nicht im letzten Augenblick gerettet. Volodi war gut darin, Pläne zu machen. Kolja schmunzelte. Er mochte diesen blonden Narren. Irgendwann würde er ihn umbringen müssen, weil seine Ehre dem allgemeinen Nutzen im Weg stand. Gern würde er es nicht tun …Aber vielleicht hatte er ja Glück und ihm wurde diese Arbeit auf dem Schlachtfeld von Kush abgenommen.

Es begann zu dämmern. Kolja trank erneut einen Schluck. Die Zapote ließen ihn gerne schmoren. Aber sie würden kommen. Sie würden wissen wollen, warum er hier war.

Der Blick des Faustkämpfers schweifte über die Reliefs, die in die weißen Bodenplatten des Platzes geschnitten waren. Die Steine waren so weiß wie frisch gefallener Schnee. Selbst jetzt, bei abnehmendem Licht, konnte man sie nicht lange ansehen, ohne dass die Augen schmerzten. Beunruhigende Bilder waren das. Sie zeigten Krieger, die als Adler oder Jaguare maskiert waren und ihren Feinden die Köpfe abschnitten. Seltsame Tiere streckten ihre Köpfe hinter dichtem Gestrüpp hervor. Eine gefiederte Schlange wand sich um die Sonne. Diese Bilder anzuschauen machte einen ganz kirre. Sie waren eine unverhohlene Drohung. Dort hinter dem weißen Tor, dessen war er sicher, lag eine Welt, die mit der, die er kannte, nur noch wenig gemein hatte. Die Krieger der Zapote waren unheimlich. Sie schienen eins zu sein mit den Schatten.

Die Sonne verschwand schnell hinter dem Horizont. Das letzte Abendlicht tauchte den Platz in weiches Rosa. Aber das ließ das Priesterrelief drei Schritt vor ihm nicht weniger schrecklich aussehen. Mit ausgestreckten Armen hielt der Zapote einer stilisierten Sonne einen unförmigen Klumpen entgegen.

Kolja blickte zum Himmel auf. Die Zwillingsmonde standen hoch über dem Kraterrand. In den letzten Monden hatte mehrfach die Erde gebebt. Einige Häuser waren eingestürzt und einer der Ankertürme. Vielleicht war die Flanke eines Kraters kein guter Ort, um dort eine Stadt zu errichten. Er war nun der Gebieter über dreiundfünfzig Freudenhäuser. Wie viele würden übrig bleiben, wenn es zu einem starken Beben kam? Er sollte sich Gedanken darüber machen, seine Geschäfte auch auf andere Städte auszuweiten.

Kolja blickte durch das weiße Tor. In seinen Schatten hatte sich gerade etwas bewegt. Dicht über dem Boden. Von dort waren sie letztes Mal gekommen, die Jaguarmänner. Sie … Eine Gestalt stand unter dem Tor! Vor einem Herzschlag war da noch niemand gewesen. Der Kerl sah nicht aus, als sei er hastig herangehuscht. Er strahlte eine selbstbewusste Ruhe aus. Gemessenen Schrittes trat er auf den Platz hinaus. Er war von zierlicher Gestalt und trug einen Federmantel, dessen Kragen aufgestellt war und nicht weniger farbenfroh schillerte als das Rad eines Pfaus. Ein weißes Tuch war um seine Hüften geschlungen und kunstvoll verknotet. Breite, türkisbesetzte Armreife umfingen seine Handgelenke. Er trug keine Waffe bei sich, soweit Kolja sehen konnte.

Einen Schritt vor ihm blieb der Zapote stehen. Er hatte ein schmales, hartes Gesicht mit einer Nase wie ein Geierschnabel. Eine seltsame Tätowierung prangte auf seiner Brust. Eine sich windende Schlange, die ein Federkleid statt Schuppen zu tragen schien. Es war derselbe Zapote, der den Dolch zurückgenommen und ihren Tod befohlen hatte.

»Nun, Mann, den sie Fleischkopf nennen, welcher Wahn blendet deinen Verstand, dass du es wagst, noch einmal hierherzukommen?« Der Priester sprach ihn in seiner Muttersprache an. Er hatte zwar einen grausamen Akzent, dennoch war er einigermaßen zu verstehen.

»Ich habe dir ein Angebot zu machen, das du nicht ablehnen solltest«, entgegnete Kolja ruhig. Der Priester war fast zwei Köpfe kleiner als er. Wie schaffte es ein solcher Zwerg, mit solcher Arroganz aufzutreten? Wahrscheinlich könnte er ihm ebenso leicht mit seiner Faust den Schädel einschlagen, wie er eine Amphore zerschlug. »Ich schlage dir ein Geschäft vor, bei dem es um Blut und Tod geht, also zwei Dinge, mit denen du dich bestens auskennst.«