»Das werden sie!« Muwatta klang so sicher und selbstbewusst, wie nur ein Unsterblicher klingen konnte. »Išta wird an unserer Seite sein. Die Devanthar sind uns gnädig gestimmt. Sie schätzen Aaron nicht. Und die Elefanten werden für Aaron eine Überraschung werden. Ich habe sie mit Bedacht in einer mondlosen Nacht hierherholen lassen und befohlen, die Feuer im Lager zu löschen. Nur wenige haben sie kommen sehen. Und vor Tagesanbruch werden sie in ein nahes Tal getrieben, wo sie vor allen Blicken verborgen sind. Dreihundert ausgewählte Jäger bewachen das Tal und die Berge ringsherum. Niemand wird meinen Wallbrechern nahe kommen, bis zum Tag der Schlacht. Dem Tag, an dem sie die Linien Arams zerschmettern werden.«
Kurunta war nicht überzeugt. Er war zu lange Feldherr, um daran zu glauben, dass ein Geheimnis wie dieses gewahrt werden konnte. Er vertraute lieber auf die Kraft ihrer Schwerter und darauf, dass sie weit mehr erfahrene Krieger ins Feld führen konnten als der Unsterbliche Aaron. Sie würden gewinnen, daran gab es keinen Zweifel. Aber sie würden es auf die altmodische Art tun. Schwert gegen Schwert, Speer gegen Speer, Mann gegen Mann.
»Aaron muss ziemlich verzweifelt sein«, sagte Muwatta gut gelaunt und klatschte in die Hände. »Bringt den Spitzel!«
Der Elefant stellte die Ohren auf und stieß einen seltsamen Laut aus, als wolle er zum Angriff übergehen. Offensichtlich hatte ihn das Händeklatschen aufgeschreckt. Der Treiber redete heftiger auf ihn ein. Die Anspannung unter den Leibwachen ringsherum war unübersehbar. Einige der Krieger hoben Speer und Schild, was in Anbetracht des schwer gepanzerten Elefanten eine fast lächerliche Geste war. Keiner von ihnen wich auch nur einen Zoll zurück. Muwatta hätte jeden Leibwächter auf der Stelle hinrichten lassen, der sich angesichts einer Gefahr feige verhielt.
Ein schlaksiger Kerl in einer schmutzigen Tunika wurde vorgeführt. Er hielt sich provozierend aufrecht, fand Kurunta, so als wolle er ihnen allen zeigen, dass er sich unter seinesgleichen bewegte. Mit seinem schütteren Haar, dem Ziegenbärtchen und seinen überlangen Gliedmaßen sah er aus wie eine Witzfigur.
»Ilmari ist der Kopf meines Spitzelnetzes in Nangog«, erklärte Muwatta. »Er spricht fünf Sprachen, verkleidet sich geschickter als selbst meine eitelsten Höflinge, und sein Messer ist tödlicher als ein Skorpionstachel. Sei so gut, Ilmari, und erzähle dem Hüter der Goldenen Hallen, was du gesehen hast.«
Kurunta war beunruhigt, diesen Spitzel nicht zu kennen. Er selbst bezahlte Dutzende wie Ilmari. Wie hatte seinen Männern entgehen können, dass der Erzkönig ein eigenes Netzwerk von Spitzeln in Nangog unterhielt?
Der Kerl erzählte eine krause Geschichte darüber, dass Aaron seine Palastwachen aus Nangog abgezogen hatte. Jene Söldnertruppe, die bis zu den Minen des Königreichs vorgedrungen war. Außerdem hatte er sogar Krieger aus Zapote angeworben. Das war ungewöhnlich! Kurunta hatte noch nie davon gehört, dass sich Zapote als Söldner verdingten.
Ein metallisches Lachen erklang hinter der silbernen Maske des Unsterblichen. »Ilmari ist sogar schneller hier als Aarons Söldner. Seine Krieger wurden auf dem Platz vor der Goldenen Pforte aufgehalten, damit sie nicht gleichzeitig mit meinen Elefanten hierherkommen. Aaron muss sehr verzweifelt sein, wenn er selbst seine Palastwachen aufmarschieren lässt. Ich wüsste gern, wie er die Zapote gewonnen hat. Andere Söldner kann er schwerlich noch anwerben, ganz gleich, ob Drusnier, Ischkuzaia oder Valesier. Niemand folgt seinem Ruf, ganz gleich, wie viel Gold er bietet. Sie alle wissen, dass sein Heer vernichtet werden wird und jeder, der mit ihm streitet, hier auf der Ebene von Kush seinen Tod findet.«
Der Erzkönig nickte dem hageren Kerl wohlwollend zu. »Du übernimmst nun das Kommando über die Spitzel, die wir im Heerlager Arams haben. Mach deine Sache gut und nutze das Messer wohl, das ich dir gegeben habe. Ihm vermag nicht einmal die Rüstung eines Unsterblichen zu widerstehen. Hast du Erfolg, lasse ich dich in Gold aufwiegen, Ilmari.«
»Ich werde Euch nicht enttäuschen, Allweiser Muwatta.« Er verbeugte sich tief und zog sich dann zurück.
»Und nun zu den Ischkuzaia!« Muwatta sah ihn durchdringend an. »Welchen Ärger gibt es dort?«
»Vielleicht sollten wir unter vier Augen …«
Muwatta stieß ein unwilliges Schnauben aus. Er machte eine Geste, ihm zu folgen, und ging ein Stück an der Bambuspalisade entlang. »Was also wollen sie?«
»Sie haben den Brautpreis verdoppelt und fordern auch noch, Pferde zur Auswahl gestellt zu bekommen. Ich soll mit mindestens zwölfhundert Rössern aus den königlichen Ställen zurückkehren, erhabener Muwatta.«
»Sie werden also frech.« Er schnalzte mit der Zunge. »Bring ihnen die Pferde!«
»Tausend Pferde? Kein Weib ist so viel …«
»Ich will Shaya haben. Sie wird die Heilige Hochzeit mit mir feiern. Mein Hofstaat soll sehen, wie die kleine Ischkuzaia-Prinzessin für mich die Beine breitmacht.«
Kurunta wagte es nicht, ein weiteres Mal zu widersprechen. »Ihr Leib ist voller Narben, hat man mir gesagt.«
»Hast du es gesehen?«
Es schwang ein Ton in dieser Frage, der Kurunta frösteln ließ. »Selbstverständlich habe ich sie nicht nackt gesehen, Allweiser Muwatta. Aber sie wurde mir vorgestellt. Sie ist ein wenig dürr … ihr Gesicht erschien mir zu hart. Sie soll als Kriegerin in Nangog gekämpft haben.«
»Und wenn sie schielen würde und einen Buckel hätte, ich will sie haben«, beharrte Muwatta. »Bring den Barbaren ihre Pferde und hole mir Shaya! Kehre nicht ohne sie zurück! Bring sie zu den Priesterinnen und sorge dafür, dass sie auf die Heilige Hochzeit vorbereitet wird. Und was die Barbaren angeht: Es gibt hier in Garagum, nahe dem Gelben Turm, einen Pass, der zu den südlichen Hochebenen Ischkuzas führt. Wir werden uns im nächsten Frühjahr schadlos halten, indem wir die Seidenkarawanen überfallen, die zum Wandernden Hof ziehen. Verglichen mit den Schätzen, die wir dort erbeuten können, sind tausend Pferde ein geringer Preis.«
Kurunta schenkte seinem Herrscher ein falsches Lächeln. »Ich bewundere Eure Weisheit, mein unsterblicher König.« Mit diesen Worten verbeugte er sich und zog sich zurück. Er würde es schnell hinter sich bringen. Genauso schnell, wie Muwatta die Heilige Hochzeit hinter sich bringen würde, wenn er sah, für was für ein Gerippe er die besten Pferde seiner Ställe hingegeben hatte.
Kurunta beschloss, in diesem Jahr zu den Feierlichkeiten der Heiligen Hochzeit verhindert zu sein und dringende Aufgaben hier im Heerlager übernehmen zu müssen.
Lebendig gewordene Finsternis
»Herr, Ihr solltet dringend sehen, was im Heerlager vor sich geht.«
Artax hob ärgerlich den Kopf. Datames stand am Eingang zum Zelt. Sein blonder Hofmeister wirkte erzürnt. Artax hatte das Rumoren draußen vernommen, aber er war nicht in der Stimmung, sein Quartier zu verlassen. Sein Bart war zerzaust, vermutlich waren seine Augen gerötet. So wollte er sich nicht seinen Männern zeigen. Für sie musste er stark und unbesiegbar wirken. Ihre Moral war schon schlecht genug. Sie mussten ihn nicht noch in diesem übernächtigten Zustand sehen.
Artax ließ den Blick durch das Zelt schweifen. Hunderte von Tontäfelchen bedeckten die Tische und jeden freien Fleck auf dem Boden. Berichte aus den Satrapien, Listen über die Lebensmittel, die sein riesiges Heer verschlang, Beschreibungen von ruhmreichen Schlachten aus der Vergangenheit.
Du solltest uns vertrauen, meldete sich die unwillkommene Stimme in seinen Gedanken. Wir erinnern uns an Hunderte von Gefechten.
Wann habt ihr je in der ersten Reihe gestanden, um eine Schlacht zu führen?
Nie, du Narr! In der ersten Reihe fehlt einem Feldherrn der Überblick, um zu führen.
Artax griff an seine Schläfen. Er wünschte, er könnte diese verfluchte Stimme zum Verstummen bringen. Er würde sie sich aus dem Kopf schneiden, wenn es die Möglichkeit dazu gäbe!
Tu es und du bist für immer mit uns vereint!