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»Eines Tages werde ich einen Weg finden, euch loszuwerden«, zischte er. »Dieser Tag wird kommen. Verlasst euch darauf.«

»Vorher solltet Ihr sehen, was im Heerlager vor sich geht«, entgegnete Datames kühl.

»Ich rede nicht mit dir, Datames!« Er straffte sich. Der Hofmeister musste ihn für verrückt halten. »Also gut. Zeig mir, was vor sich geht.« Müde erhob er sich vom Faltstuhl hinter dem Tisch und strich sich mit fahriger Geste über den Bart. »Wie sehe ich aus?«

Datames maß ihn mit abschätzendem Blick. »Es ist dunkel draußen, dafür genügt es.«

Artax duckte sich unter der Zeltplane hindurch. Obwohl es mitten in der Nacht war, lag immer noch eine trockene, staubige Hitze über der weiten Ebene. Kein Lüftchen regte sich. Die meisten Lagerfeuer waren längst erloschen. Es gab nur wenig Holz hier. Es wurde nur zum Kochen benutzt. Zusammen mit allem anderen, was brannte. Getrockneter Pferdedung, dürres Strauchwerk. Vor einigen Tagen waren Krieger erwischt worden, die vertrocknete Leichen aus einem Gräberfeld gescharrt hatten, um dürre braune Arme und Beine zwischen ihr Anmachholz zu stecken. Artax hatte einen der Männer öffentlich hinrichten lassen. Er wollte nicht, dass seine Krieger von den Bewohnern der Provinz als ein Heer von Grabschändern angesehen wurden. Er brauchte die Bogenschützen aus Garagum. Nicht dass sie bei der Schlacht ins Gewicht fallen würden. Dazu waren es zu wenige. Er brauchte sie als Späher. Keiner seiner Männer, die er ausschickte, um das Lager Muwattas auszukundschaften, kehrte zurück. Er brauchte die Hirten und Jäger, die ihr Leben in diesen Bergen und auf den Hochebenen verbracht hatten, um Erfolg zu haben. Aber sie mieden ihn. Sie wussten, was alle über den Ausgang der Schlacht dachten, und wollten sich den künftigen Herrscher des vereinten Garagum nicht zum Feind machen.

»Volodi ist aus Nangog zurückgekehrt«, sagte Datames, und dem sonst so besonnenen und kühlen Hofmeister gelang es kaum, den Zorn in seiner Stimme zu beherrschen.

»Unsterblicher!« Ein alter Mann in langem weißen Gewand, auf dessen Brust eine goldene Flügelsonne prangte, kam ihm entgegengelaufen. Die Hörnerkrone, das Würdezeichen seines Amtes, war ihm auf dem Kopf verrutscht. Der neue Hohepriester! Artax war dessen Name entfallen. Er mochte den alten Schwätzer nicht. Seit dem Verrat des Abir Ataš vertraute er keinem Priester mehr.

Rusa heißt dieser Schwätzer. Du solltest dir seinen Namen merken. Ohne die Priester wirst du unser Reich nicht regieren können.

»Herr! Ihr müsst das Geisterschwert holen und sie zurück durch die verwunschene Pforte treiben. Diese verfluchten Heiden, die Männer deiner Leibwache, haben eine Daimonenschar in unser Heerlager geführt! Möge Feuer vom Himmel fallen, um sie auszulöschen!«

Artax blickte zu Datames.

»Er übertreibt, aber nur ein klein wenig«, sagte der Hofmeister ernst.

Artax gab dem Hohepriester ein Zeichen, an seine Seite zu treten. »Ich bin ein Unsterblicher, Rusa, vergiss das niemals! Ich fürchte weder Geister noch Daimonen und brauche nicht die Macht eines Schwertes, um mich diesen Geschöpfen zu stellen.«

»Ich wollte Euch nicht beleidigen, Erhabener …« Der Priester schob seine Hörnerkrone zurecht und straffte sich. Seine Haltung strafte seine Worte Lügen. Er war sich seiner Macht bewusst, und er würde nicht einfach aufgeben.

Artax ging weiter. Ein Trupp seiner Leibwache schloss sich ihm an. Prächtig anzuschauende Krieger in schneeweißen Umhängen und mit hohen Bronzehelmen.

Immer lauter erklangen die Rufe vor ihnen in der Dunkelheit. Deutlich hörte er Flüche und Bannsprüche aus dem Geschrei heraus. Eine Mauer aus Leibern versperrte den Weg. Hunderte, vielleicht Tausende waren zusammengelaufen. Und von überall kamen noch weitere Schaulustige herbei.

»Platz für den Unsterblichen!«, rief der Anführer seiner Wachen. Seine Stimme ging im Geschrei fast unter. Er winkte seinen Männern, mit ihren Speerschäften eine Gasse zu schaffen, und wiederholte seinen Ruf.

Jene, die sich umdrehten und Aaron erkannten, knieten ehrerbietig nieder.

»Der Unsterbliche ist gekommen, um die Daimonenkinder zu vertreiben!«, rief jemand in der Menge. »Der König ist hier!«

Der Ruf wurde aufgenommen. Artax winkte seine Wachen zurück. Es bildete sich eine Gasse. Immer mehr Krieger und Bauern knieten nieder. Am Ende der Gasse standen Volodi und Kolja, und hinter ihnen war lebendige Finsternis. Artax brauchte eine Weile, bis er begriff, was er dort sah. Er dachte an den Abend, an dem er mit Shaya nach Westen gesegelt war, um den Himmelspiraten Tarkon Eisenzunge zu stellen. Über dem Weißen Platz vor der Tempelstadt der Zapote hatten sie Seile hinabgelassen, um einen Teil seiner Leibwache an Bord zu holen, die von diesen Schatten umringt gewesen war.

»Was im Namen der Götter geht hier vor, Volodi?«

Kolja schob sich nach vorne und kniete dicht vor ihm nieder. Trotz der ledernen Armprothese sah er immer noch einschüchternd aus.

»Allweiser Aaron, Beherrscher aller Schwarzköpfe, Ihr hattet meinen Bruder Volodi geschickt, um all Eure Palastwachen in Euer Heerlager zu rufen. Doch viele von ihnen sind krank. Ausgezehrt von Fieber und Durchfall, wären sie Männer, die Euch zur Last fallen würden, statt einen Nutzen zu bringen. So habe ich mir erlaubt, für jeden Kranken zwei Krieger aus der Tempelwache der Zapote anzuwerben. Sie sind herausragende Kämpfer und werden viele Eurer Feinde töten.«

»Sie sehen aus wie Daimonen. Sie machen den Bauern und Handwerkern Angst«, zischte Artax ärgerlich.

Kolja sah zu ihm auf und lächelte. »Ich verspreche Euch, sie kämpfen auch wie Daimonen.«

Artax betrachtete die fremden Krieger. Es war schwer, sie im Dunkel zu erkennen. Sie schienen mit der Nacht zu verschmelzen. Nur die Krieger im Gewand der Adlerfedern konnte er deutlich erkennen. Aus den aufgerissenen Schnäbeln ihrer Helme blickten ihn harte Gesichter an. Manche waren tätowiert. Sie würden von Nutzen sein, wenn er sie richtig einsetzte.

Artax zog sein Schwert. Blassgrünes Licht spielte um die verwunschene Klinge. Der Anblick des Schwertes machte ihn zuversichtlicher. Er wollte die Schlacht. Und er konnte sie gewinnen. Er würde in der ersten Reihe stehen, mit seinen Männern kämpfen und das Blut seiner Feinde vergießen. Viel Blut!

»Männer von Aram!«, rief Artax mit lauter Stimme, und das ängstliche Gemurmel ringsherum erstarb. »Diese Krieger sind aus dem fernen Zapote gekommen, um für unsere Sache zu kämpfen. Sie sehen aus wie Daimonen. Allein sie anzuschauen, lässt selbst das Herz eines tapferen Mannes erzittern. Aber sie sind unsere Daimonen!«

Jetzt war es totenstill geworden.

»Kniet nieder, Krieger Zapotes. Verneigt euch vor der Macht, der ihr dienen werdet, bis das Heer Luwiens zerschlagen ist.« Artax hielt das Schwert nun auf die Schattenkrieger gerichtet. Sie standen reglos, bis einer in ihrer vorderen Reihe ein Zeichen gab und selbst als Erster sein Knie beugte.

Erleichtert atmete Artax auf. »Ich heiße euch willkommen auf der Erde Arams, Daimonen vom anderen Ende der Welt. Doch hört mein Gebot. Ihr werdet keinem der Meinen ein Leid zufügen. Ihr werdet euch den Gesetzen Arams unterordnen und werdet weder durch Worte noch durch Taten die Götter meiner Völker beleidigen. Verstoßt ihr gegen dieses Gebot, wird dieses Schwert euch richten.« Er hob die Klinge erneut hoch über sein Haupt, sodass ihr magisches Leuchten weithin zu sehen war.

»Folgt ihr aber den Gebräuchen und Gesetzen Arams, wird dies Schwert euch schützen, so wie es jeden meiner Untertanen schützt, solange ich atme. Nun erhebt euch und seid willkommen in meinem Heer. Seid unsere Daimonen!«

»Ja, seid unsere Daimonen!«, rief Datames hinter ihm, der augenblicklich begriffen hatte, was er erreichen wollte.

»Seid unsere Daimonen«, riefen nun weitere Krieger rings- herum, doch bei Weitem nicht so viele, wie Artax sich gewünscht hätte.

»Seid der Schrecken unserer Feinde!«, rief der Unsterbliche laut.

Rhetorisch nicht wirklich brillant, spottete die Stimme Aarons in seinen Gedanken. Wie wäre es mit: Seid der Albtraum Muwattas.