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Ashot nahm den anderen die Tontafel ab und gab sie ihm zurück. »Darauf könnte alles stehen. Wir sind nur Bauern und Tagelöhner. Du weißt, dass wir das hier nicht lesen können. Und jetzt nenn mir einen Grund, warum wir einem bartlosen Höfling trauen sollten, von dem es heißt, dass er Unzucht mit Schafen treibt, weil die Weiber von ihm nichts wissen wollen.«

Ashot würde nicht alt werden, dachte Datames, verbarg seinen Zorn aber hinter einem Lächeln. Er musste gelassen und freundlich bleiben, wenn er die Bauern für sich gewinnen wollte. »Mit Schafen?« Er lachte spöttisch. »Glaubst du, im Palast von Akšu halten wir Schafe? Ihr alle seid auf eurem Weg nach Kush dort gewesen. Sah der Palast aus wie ein Schafstall?«

Die Männer blickten auf ihre staubigen, nackten Füße. Ganz offensichtlich fürchteten sie, dass sie jetzt alle für die Unverschämtheit Ashots bestraft werden würden.

»Ganz unrecht hast du allerdings nicht. Die Damen meiden mich wirklich. Und ich meide sie. Ich suche Gespielinnen mit goldenem Haar. Deshalb sind Schafe nichts für mich. Ich nehme Löwinnen.«

Narek glotzte ihn mit weit offenem Mund an. »Nein! Löwinnen?«

Datames grinste frech. Dann deutete er zu den Hacken. »Das Gesetz des Unsterblichen besagt, dass jeder von euch, der die Schlacht überlebt, so viel Land bekommen wird, wie er an einem Frühlingsmorgen zwischen Sonnenaufgang und der Mittagsstunde mit einer Handhacke umgraben kann. Da ich Satrapen und reiche Fettsäcke nicht leiden kann, dachte ich mir, ich sehe mir einmal an, wie gut ihr mit der Hacke umgehen könnt.«

»Und das ist wirklich wahr?«, fragte Ashot.

Datames spürte, wie der Widerstand des Bauern zu bröckeln begann. »Nun, ihr müsst die Schlacht schon überleben. Tausende von euch werden alles geben und am Ende nur so viel Land bekommen, wie man für eine Grube braucht, in die eure Leiche gelegt wird. Aber ich will, dass ihr um nicht weniger kämpft als die Unsterblichen. Um Land! Und dass der Lohn für euren Mut etwas ist, das für immer Bestand hat. Und nun nehmt die Hacken! Ich will sehen, wie viel ihr in einer Stunde schafft.« Datames trat zu dem Maultier und zog für sich selbst eine Hacke aus dem Bündel.

»Willst du auch graben?«, fragte Ashot argwöhnisch.

»Natürlich. Ich erwarte von euch, dass ihr am Tag der Schlacht an meiner Seite kalten Mutes dem Tod entgegenseht. Da vergebe ich mir nichts, wenn ich an eurer Seite ein Stück trockenes Land umgrabe. Oder glaubt ihr etwa, ich sei zu dämlich, eine Hacke zu schwingen, weil ich seit Jahren in einem Palast lebe?«

»Also …« Narek kratzte sich am Kopf. »Das ist doch nicht richtig. Du bist ein feiner Herr. Du musst das nicht tun. Du willst uns ein Feld umgraben sehen? Das machen wir auch so.«

»Ich wette um eine Amphore voll Wein, dass ich in einer Stunde mehr Land umgrabe als ihr.«

Narek schüttelte den Kopf. »Wir wollen dich nicht ausrauben. Auch wenn du sicher sehr feinen Wein …«

Ashot unterbrach ihn. »Wir nehmen diese Wette an. Oder hat irgendjemand außer Narek Bedenken, einen reichen Höfling mit einem frechen Mundwerk um eine Amphore Wein zu erleichtern?«

Die übrigen Bauern schüttelten grinsend den Kopf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Gruppe zu klein war. Sie waren nicht zehn, sondern nur neun. »Ist einer von euch krank?«

Narek schüttelte den Kopf. »Nee. Die Leute aus Belbek sind wohl eher Bauern als Krieger. Wir haben nicht genug gefunden, um auf zehn zu kommen. Und wir sollten doch alle aus derselben Gegend sein.«

»Sucht bei den Lastenträgern, die jeden Tag ins Lager kommen. Vielleicht findet ihr da euren zehnten Mann.«

Ashot lachte spöttisch. »Die sind doch nicht blöd und lassen sich hier den Schädel einschlagen.«

Datames wies über die Ebene, auf der das Heer lagerte. »Glaubst du, die alle hier sind blöd? Ich denke, auch unter Lastenträgern kann man Männer mit dem Herzen eines Löwen finden. Und bestimmt auch jemanden, der aus der Provinz Nari kommt. Komm zur Mittagsstunde in mein Zelt, Ashot. Ich gebe dir ein Handgeld, um euren fehlenden Mann anzuwerben. Ein paar Kupfermünzen sollten als zusätzlicher Anreiz genügen.« Er sah die Männer der Reihe nach an. Unrasierte, grobschlächtige Kerle mit einem Grinsen im Gesicht waren sie. Er hatte sie für sich gewonnen, dachte Datames zufrieden. Blieben nur noch Neunundvierzigtausendneunhundertneunzig. Er nickte ihnen zu. Ihr Grinsen wurde breiter. Er konnte es fast fühlen, das Band, das zwischen ihnen bestand. Bis zur Schlacht würde es zu einer Kette aus Eisen werden, die dieses Bauernheer zusammenhielt und zu einem Kampf befähigte, den ihnen Muwatta niemals zutrauen würde.

»Eine Bitte habe ich noch an euch. Ich brauche in der Nacht vor der Schlacht für drei Stunden lang die Kraft eurer Arme. Und das sollt ihr nicht herumerzählen, denn ich werde unter fünfzig in diesem Heer jeweils nur einen auserwählen, um mit mir zu gehen. Seid ihr dabei?«

Alle sahen Ashot an. Erstaunlich, wie sehr die Bauern diesem mürrischen Kerl vertrauten.

»Ich gehe mit dir, Hofmeister, und die anderen werden auch mitkommen. Doch jetzt zu deiner Wette. Bleibt es bei deinem Einsatz?«

Ashot bot ihm die Hand an, und Datames schlug erleichtert ein. »Die Wette gilt.« Der erste Schritt war getan, aus diesem verlorenen Haufen ein Heer zu schmieden, das wusste, wofür es kämpfte. Jetzt brauchte er nur noch die endgültige Zustimmung des Unsterblichen. Im Herzen war er auf seiner Seite. Da war sich Datames sicher, und Aaron hatte es ja auch bereits mehr als deutlich gezeigt. Auch wenn es bisher noch keine Urkunden für die Landreform gab. Nun würde Aaron keine andere Wahl mehr bleiben, als sie ausstellen zu lassen oder seinen Hofmeister als einen Betrüger zu entlarven …

Der verlorene Traum

Artax war außer sich, als er das Zelt des Hofmeisters betrat. Datames stand über eine Wasserschale gebeugt und wickelte sich blutige Stoffstreifen von den Händen. Er war über und über mit Schmutz bedeckt. Nie zuvor hatte er den Hofmeister in einem so verwahrlosten Zustand gesehen.

»Nenne mir einen Grund, warum ich dich nicht heute Abend noch hinrichten lassen sollte. Vor dem Zelt wartet die Wache, die dich abführen wird! Was hast du dir dabei gedacht?«

Der Hofmeister blickte von der Wasserschüssel auf. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Genügt es dir, dass ich für heute zu müde für eine Hinrichtung bin?«

Wir schlagen vor, du lässt diesen bartlosen Schönling direkt vor seinem Zelt köpfen. Jetzt. Auf der Stelle!

»Hältst du dich für unsterblich, Datames?« Artax schaffte es kaum, seine Stimme im Zaum zu halten. Was dieser Bastard getan hatte, war unverzeihlich. In den nächsten Stunden würde es zu einer Revolte kommen, wenn er, Artax, nun keine Zeichen setzte. Und das deutlichste Zeichen wäre, den Kopf dieses Kerls auf einer Stange mitten im Lager aufzuspießen.

Datames trocknete sein Gesicht mit einem Tuch. »Sehe ich unsterblich aus? In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so zerschlagen gefühlt.«

»Was hast du dir dabei gedacht, als du den Bauern Land versprochen hast? Was glaubst du, wie das bei den Satrapen ankommt? Sogar Mataan ist außer sich. Auf seiner Insel gibt es gar kein Ackerland, das verschenkt werden könnte, selbst wenn er solche Geschenke gutheißen würde.« Artax war anfangs von der Idee, den Bauern Land zu versprechen, verführt gewesen. Aber hatte er sich nicht vielleicht gerade deshalb daran begeistert, weil er selbst einst ein Bauer gewesen war? Er durfte solche Entscheidungen nicht leichtfertig treffen. Sie mussten wohldurchdacht sein! Deshalb hatte er trotz seiner anfänglichen Zustimmung kein Gesetz erlassen. Es war eine bewusste, wohlbegründete Entscheidung gewesen, die Datames einfach ignoriert hatte!