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Der Hofmeister ließ sich auf seinem Bett nieder. Er hatte tatsächlich ein richtiges Bett in seinem Zelt stehen, kein einfaches Feldbett wie Artax. Der Unsterbliche schüttelte den Kopf.

»Dort draußen lagern fünftausend Krieger. Die Männer der Satrapen und deine Leibwache. Beantworte du mir eine Frage. Werden sie für dich die Schlacht gewinnen? Oder die fünfundvierzigtausend Bauern und Tagelöhner?«

»Die Satrapen sind die Stütze des Reiches. Wenn ich sie verärgere, kommt es zu einem Bürgerkrieg.«

Datames hob eine einzelne Braue und sah ihn verächtlich an. »Wie gut kennst du dein Reich, Unsterblicher Aaron?« Er machte eine ausholende Bewegung und wies auf die Tontäfelchen und Schriftrollen, die überall im Zelt herumlagen. »Ich bekomme täglich ihre Listen über Abgaben. Bitten um Unterstützung. Nari zum Beispiel hat Werkzeuge, fünfhundert Maultiere und eine Befreiung von Abgaben erbeten, um einen großen Damm zu bauen, der die Felder vor der Stadt vor Überflutungen schützen soll. Weißt du, was der Satrap dort bauen ließ? Einen neuen Palast. Der Damm, für den er drei Jahre von allen Abgaben befreit worden war, war noch keine hundert Schritt lang. Natürlich hatte der Gute alle möglichen Ausflüchte. Deine Satrapen sind gierige Ausbeuter. Sie betrügen dich und das Reich. Sie haben nur ihren eigenen Nutzen im Sinn. Männer wie Mataan sind eine Ausnahme. Aber wie viele gibt es von ihnen? Drei? Und ihnen, die dich ohne auch nur ein schlechtes Gewissen zu haben betrügen, willst du meinen Kopf bringen?«

Er ist ein Schönschwätzer. Das ist sein größtes Talent. Aber lass dich von ihm nicht blenden. Er ist es, der dich hintergangen hat! Er hat die Bauern belogen und dich betrogen.

Datames saß schweigend auf seinem Bett und blickte ihn herausfordernd an. Der Hofmeister hatte ihm immer gut gedient und ihn klug beraten. Aber was heute geschehen war, durfte nicht ungeahndet bleiben. »Was hast du getan, dass du so aussiehst?« Artax wusste, dass der Hofmeister zusammen mit Bauern ein riesiges Stück totes Land umgegraben hatte. Ein völlig nutzloses Unterfangen. Dort würde nie etwas wachsen. Keiner käme je auf die Idee, dort zu säen.

»Ich wollte die Männer kennenlernen, die hierhergekommen sind, um für dich und Aram ihr Leben zu wagen. Die daran glauben, dass dieses Reich es wert ist, es mit ihrem Blut zu verteidigen, obwohl ihnen Aram kaum etwas zu bieten hat. Als ein Höfling hätte ich niemals gleich zu gleich mit ihnen sprechen können. Aber zusammen auf dem Feld, wenn man aus derselben Wasserflasche trinkt, da schwinden die Standesgrenzen irgendwann. Man versteht sich … Natürlich kannst du das nicht wissen, Unsterblicher. Das dort draußen auf den Feldern ist eine andere Welt als die innerhalb der Palastmauern.« Die letzten Worte sprach Datames mit Bitternis. Er stand auf. »Wenn du meinen Kopf forderst, habe ich eine letzte Bitte. Verkaufe meinen Besitz! Ich habe keine Erben. Ich möchte, dass alle Bauern, mit denen ich heute gegraben habe, ein Stück Land bekommen, wenn sie die Schlacht überleben. Sie sind aus Belbek und aus Nari, aus …«

»Belbek!« Der Name traf ihn wie ein Schlag. Sein Dorf! Konnte Datames etwas wissen?

Zuzutrauen wäre ihm das. Er ist der geborene Schnüffler. Wir sollten ihn uns vom Hals schaffen. Er bringt uns kaum mehr Nutzen, könnte aber noch viel Ärger machen.

Der Hofmeister sah ihn nachdenklich an. Er schien überrascht von seiner heftigen Reaktion. Artax wünschte sich, er hätte den Mund gehalten. Aber tausend Erinnerungen an sein verlorenes Leben machten ihm das Herz schwer. Er dachte an die sorglose Zeit in Belbek. An seine Freunde und wie gut die meisten von ihnen ein eigenes Stück Land gebrauchen könnten. Dachte an seine Tagträume von einem einfachen Leben mit Almitra an seiner Seite.

Du hast das Dorf verlassen, weil du so arm warst, dass du niemals eine Frau abbekommen hättest. Verklär deine Hungerjahre nicht zu einer schönen Zeit, du Narr. Und jetzt ruf den Henker.

»Unter den Männern aus Belbek ist einer, der Ashot heißt. Den solltest du einmal erleben. Er gibt einen guten Anführer ab. Trotz seiner mürrischen Art trauen ihm die Bauern was zu. Der nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er redet.«

Artax musste unwillkürlich lächeln. Das hatte Ashot noch nie getan. Er hatte oft mit ihm gestritten.

»Darf ich ein offenes Wort an dich richten?«

Nein! Hör nicht weiter zu. Der spinnt dich ein.

»Rede.«

»Seit du in Nangog aus dem Himmel gestürzt bist, hast du dich sehr verändert. Die Priestermorde konnte ich nicht gutheißen. Aber anderes … Du bist nicht mehr derselbe Mann, Aaron. Du hast mir von deinen Visionen erzählt. Davon, wie du das Land verändern willst. Wie du gegen die Ungerechtigkeit ankämpfen möchtest. Was hält dich auf? Warum nicht jetzt beginnen? Männer wie Ashot oder sein Freund Narek sind die Stützen dieses Reiches. Nicht die Satrapen. Sie sind wie Blutegel. Du kannst ihnen nicht trauen. Sie sind nur hier, weil sie deinen Zorn fürchten. Sie kämpfen nicht mit dem Herzen für Aram. Aber Männer wie Narek würden sich für dich in Stücke schneiden lassen. Du schuldest ihnen etwas, Aaron. Was lässt dich zögern, auf ihrer Seite zu stehen?«

Wann reicht dir das Gewäsch? Wir haben schon lange genug. Pack ihn und schaff ihn zum Henker.

Würde er noch etwas im Reich verändern, wenn er nicht mehr auf sein Herz als Bauer hörte? Sein Königreich war für Satrapen geschaffen und für reiche Kaufherren. Wenn er ihrem Rat folgte, dann würde alles bleiben, wie es war. Er hatte sich von ihren Einflüsterungen von seinem Weg abbringen lassen. Und ausgerechnet der verweichlichte, eitle Hofmeister war der Sache der Bauern treu geblieben. Hatte sich nicht beirren lassen. Dennoch konnte er seine Anmaßung nicht einfach so hinnehmen! »Du wirst nie wieder etwas in meinem Namen verkünden, was du nicht mit mir abgesprochen hast«, sagte Artax mit harter Stimme. »Und nun sag mir, was du als Nächstes planst. Das ist ja wahrscheinlich noch nicht alles.«

»Wird es eine Landreform geben?«

»Ich werde darüber weiter nachdenken.« Eigentlich hatte er sich entschieden. Dass einige wenige Familien neun von zehn Feldern in einem Dorf ihr Eigen nannten und die anderen ihre Fronarbeiter waren, während fruchtbares Land nicht genutzt wurde, war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Wie oft hatte er mit Narek und Ashot zusammengesessen und diese verrückte Welt verflucht. Und nun, da er die Macht hatte, all dies zu ändern, kam er in dieses Zelt mit der Absicht, den Mann hinrichten zu lassen, der endlich angepackt hatte, was er versäumt hatte. Begann seine Machtfülle ihn zu verändern? Er sollte auf der Hut sein.

Datames erzählte ihm, wie er plante, die Herzen der Bauern einzufangen. Seine Pläne waren verrückt! Sie geziemten sich in keinster Weise für einen Herrscher, und die Stimme all der Aarons, die vor ihm geherrscht hatten, schrie auf in ihm. Aber er, Artax, der in die Rolle des Aaron geschlüpft war, wusste, dass die Pläne des Hofmeisters aufgehen konnten. Wäre er noch ein Bauer, hätte Datames ihn auf diese Weise gewonnen. Artax musste lächeln, als er an Narek dachte. Sein Herz würden sie so auch gewinnen, und Ashot würde immer etwas auszusetzen haben, ganz gleich, was man auch tat.

Als Artax aus dem Zelt trat, fühlte er sich so frei wie schon seit Monden nicht mehr. Er hatte das Joch wohlmeinender Einflüsterungen abgeworfen. Er würde wieder er selbst sein. Ein Bauer! Zumindest im Herzen.

Mataan, der Fischerfürst, und Bessos, der Satrap des Teiles von Garagum, der zu Aram gehörte, erwarteten ihn vor dem Zelt.