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Sie gingen mehr als eine halbe Meile durch das Lager. Tausende Blicke folgten ihnen. Und die, deren Neugier stärker war als die lähmende Hitze des Nachmittags, folgten ihnen, um zu sehen, was für ein Spektakel der inzwischen wohlbekannte Hofmeister heute veranstalten würde. Artax hatte bemerkt, wie beliebt Datames bei den Männern geworden war. Noch immer wurde über den bartlosen Schönling gespottet, doch in einem anderen Ton. Er war fast einer der Ihren geworden.

In der vergangenen Nacht war ein Meuchler in das Zelt von Datames gekommen. Der Hofmeister hatte großes Glück gehabt. So wie er erzählte, war der Mann in seinen eigenen Dolch gestürzt, als Datames von seinem Bett aufgefahren war und versucht hatte, sich mit einem Bronzespiegel zur Wehr zu setzen. Wahrscheinlich hatten die Satrapen den Mann geschickt. Aber nun konnte er nicht mehr reden.

»Mit denen dort versuchen wir es«, erklärte der Hofmeister gut gelaunt und deutete auf ein Grüppchen von Männern, die unter einem Sonnendach aus zwei alten Decken Zuflucht vor der Hitze gesucht hatten.

Artax fand es erstaunlich, wie unbekümmert sich Datames gab, obwohl man ihm nach dem Leben trachtete.

»Das sind die Männer aus Belbek«, erklärte er. »Genau die richtigen für das, was ich heute vorhabe.«

Artax fluchte innerlich. Alle, aber nicht die. Er wollte Ashot nicht begegnen. Sich nicht der Gefahr aussetzen, dass einer der Männer aus seinem Dorf ihm nahe genug kam, um sein Geheimnis zu erahnen. »Lass uns eine andere Gruppe suchen«, sagte er.

Im selben Augenblick kroch eine schlanke, drahtige Gestalt unter dem Sonnendach hervor. Ashot! Er bedachte Datames mit einem abfälligen Lächeln und schlenderte ihnen entgegen. »Willst du wieder eine Amphore Wein verlieren, Hofmeister?«

»Diesmal dachte ich daran, den Einsatz zu erhöhen. Wie wäre es mit einem Silberstück, Ashot?«

Der Bauer blickte misstrauisch. »Wir werden wieder ein Feld umgraben?«

»Nein, heute geht es darum, gegen den Unsterblichen und seine Leibgarde anzutreten.« Datames deutete über seine Schulter hinweg. »Wie du siehst, habe ich sie gleich mitgebracht.«

Ashot fand zu seinem Selbstbewusstsein zurück. »Das ist der Unsterbliche?« Er blickte Artax zweifelnd an. Misstrauisch wie eh und je, aber noch etwas unverschämter als früher, dachte Artax grinsend.

»Auf die Knie, oder ich mach dich Wurm!«, rief Volodi aufgebracht.

Artax seufzte. Solange der Drusnier nicht redete, war er eine imponierende Gestalt.

Ashots Grinsen wurde breiter. Allerdings blieb er tatsächlich stehen. Hinter ihm versammelte sich der Trupp, der unter seinem Kommando stand. Artax erkannte Narek unter ihnen. Die Übrigen waren ihm unbekannt. Artax musste schmunzeln. Er hatte den etwas pummeligen Bauern immer gemocht. Narek hatte früher immer gute Laune gehabt, ganz gleich, was auch geschah, und man konnte keine fünf Sätze mit ihm reden, ohne dass er von seinem Weib Rahel zu schwärmen begann.

»Der Bärtige da vorne ist tatsächlich der Unsterbliche Aaron, Herrscher aller Schwarzköpfe, Großkönig von Aram. Ohne seinen Maskenhelm und das Geisterschwert sieht er aus wie ein ganz normaler Mann, nicht wahr?«

Wie lange willst du den noch weitermachen lassen? Als Nächstes erzählt er diesen Rübenköpfen noch, dass du auch nicht besser als irgendein Bauer bist.

Schon vergessen? Ich bin ein Bauer, antwortete er seinem Quälgeist in Gedanken.

Das bist du nicht, denn du hast uns. Wir machen den Unterschied!

Artax versuchte den Klugschwätzer zu ignorieren.

»Was sollen wir tun?«, wollte Ashot wissen.

»Euch um dieses Silberstück schlagen.« Datames ließ eine große Silbermünze wie ein Jahrmarktsgaukler zwischen seinen Fingern hin und her hüpfen. »Dabei werdet ihr gegen die Leibwache des Unsterblichen antreten und gegen ihn selbst.«

Ashot schüttelte den Kopf. »Was soll das? Willst du uns alle verprügeln lassen, weil wir dich um eine Amphore Wein erleichtert haben? Das könntest du einfacher haben. Du bräuchtest doch nur …«

»Einfach wird es in der Tat nicht.« Datames winkte Kolja, und der Hüne mit dem vernarbten Gesicht brachte einen Lederbeutel.

»Ich fülle den hier jetzt mit Sand und dem Silberstück. Dann werden wir dafür sorgen, dass wir Platz auf einem zwanzig Schritt langen Feld haben.« Datames sah zu Artax. »Alles Übrige wird dir der Unsterbliche erklären.« Er kniete nieder und begann mit der Hand Sand in den Beutel zu schieben.

Ashot sah Artax durchdringend an. Erkannte er ihn? Sie hatten so viele Stunden miteinander verbracht. Der Löwenhäuptige hatte sein Gesicht verändert. Aber nur wenig.

»Ihr seid wirklich …« Die herablassende Art Ashots war Unsicherheit gewichen.

»Das bin ich«, sagte er, um Ruhe bemüht. Ashot sah noch dürrer aus als früher. Tiefe Falten führten von seiner Nase zu den Mundwinkeln und verstärkten den mürrischen Eindruck, den er schon immer gemacht hatte.

Ashot kniete nieder. Die übrigen Bauern seiner Gruppe taten es ihm gleich. Sie alle hielten den Blick gesenkt. Dass Datames ihn ausgerechnet zu dieser Gruppe geführt hatte! Wusste der Hofmeister etwas? Unmöglich!

Vielleicht auch nicht? Er hat sich verändert. Du bringst seine schlechten Seiten ans Tageslicht. Er steckt jetzt seine lange Nase gerne in Dinge, die ihn nichts angehen. Du hättest ihn hinrichten lassen sollen. Noch ist es nicht zu spät.

»Steh auf, Ashot! Und auch du, Narek. Und all die anderen. Für die Dauer eines Spiels sind wir gleich.« Er blickte zu seinen Leibwächtern. »Ich brauche neun von euch. Ihr legt Waffen und Rüstungen ab. Wir spielen um eine Silbermünze.«

»Wozu?«, wollte Ashot wissen.

Artax musste schmunzeln. Sein Jugendfreund war noch ganz wie früher. »Ihr sollt Dinge üben, die auch im Krieg wichtig sind. Macht gemeinsam einen Plan. Arbeitet zusammen. Verlasst euch aufeinander. Seid selbstlos und bereit, euch für eure Sache aufzuopfern. Einer von euch bekommt den sandgefüllten Lederbeutel in die Hand gedrückt. Er startet an einem Ende des Spielfelds, überquert das Feld, legt den Beutel auf die Linie auf der anderen Seite, und ihr habt gewonnen. Ihr dürft den Beutel auch werfen. Es kommt auf Zusammenarbeit an. Und ihr müsst flink sein.«

Ashot blieb misstrauisch. »Ich kann nicht erkennen, was das mit einer Schlacht zu tun hat. Treibt Ihr Scherze mit uns?« Er kniete noch immer und hielt dabei den Kopf gesenkt, doch klang seine Stimme alles andere als unterwürfig. Aaron hätte ihn gewiss köpfen lassen.

»Du wirst auf dem Schlachtfeld erleben, wie wichtig es ist, seine Kameraden zu kennen und sich auf sie verlassen zu können. Heute wirst du sie kennenlernen.«

»Und bei diesem Spiel … ist es normalen Sterblichen erlaubt, Euch zu berühren?«

»Ihr dürft mich sogar anrempeln«, entgegnete er mit einem Lächeln.

»Ich bespreche das mit meinen Leuten. Darf ich mich zurückziehen, allweiser Aaron?«

Artax hätte fast losprusten müssen. Allweiser Aaron! Wenn Ashot wüsste, wen er vor sich hatte!