»Kerle, die wissen, dass ihr mir nicht wirklich etwas tun werdet. Was war dein Plan? Alle werfen sich auf mich, und meine Leibwächter versuchen deine Leute zur Seite zu zerren, während du mit dem Ledersack zur anderen Spielfeldseite läufst?«
»In etwa so«, kam es mürrisch von Ashot.
»Kein schlechter Plan.« Er klopfte dem Bauern auf die Schulter. »Deine Leute haben sich gut geschlagen.«
»Das war es noch nicht«, kam es gereizt von Ashot. »Ich will noch ein Spiel.«
Kolja hatte das gehört. Er kam breit grinsend auf ihn zu. »Hat sich spitze Rippen, Junge.« Er schüttelte seine linke Hand. »Aber du glauben, die noch einen Schwinger von mir vertragen?«
»Pass du nur auf, dass du dir nicht noch einen Lederarm holst!« Ashot war mehr als einen Kopf kleiner als der Faustkämpfer und wog höchstens die Hälfte von ihm, aber er wich vor dem Hünen um keinen Zoll zurück.
Kolja schob die Lederlasche zurück und ließ die Klinge aus dem Arm fahren. »Unseren Lohn, Volodi.«
Wenn es um Geld ging, hörte Koljas Sinn für Humor wohl auf. Jedenfalls sprach er nun fast akzentfrei und in richtiger Reihenfolge.
Der Hauptmann der Wache warf Kolja den Lederbeutel zu, den dieser lässig mit der Hand fing und mit seinem Messer aufschlitzte. Er holte das Silberstück aus seinem Bett aus Sand und ließ Ashot den Sack vor die Füße fallen. »Wir spielen natürlich wieder um Geld. Ich setze ein Goldstück auf unseren Sieg. Kannst du mithalten, Bauer?«
»Ich treibe das Geld auf.« Ashot war blass vor Wut.
Artax überlegte, seinem Jugendfreund das Gold anzubieten, doch zum einen wäre dieser wahrscheinlich zu stolz, es anzunehmen. Und zum anderen hätte es sehr seltsam ausgesehen, wenn er eine Wette auf seine Niederlage unterstützte. Damit würde er dem Sieg der Bauern allen Glanz nehmen, falls sie gewinnen sollten.
Ashot ging zu seinen Kameraden zurück und redete mit ihnen. Artax konnte sehen, wie sie Münzen zusammenlegten und zählten. Und wieder redeten.
»Wenn wir noch ein Spiel machen, wäre es schön, wenn ihr verhindern würdet, dass ich noch mal in den Boden gestampft werde. Dabei biete ich nicht gerade einen königlichen Anblick.«
»Ist sich zäher kleiner Fuchs, dieser Ashot, was, Volodi?« Der Hauptmann war zu ihnen herübergekommen, und Kolja gefiel sich wieder in seiner Rolle als stammelnder Barbar. »Wird sich bestimmt nicht noch einmal versuchen mit dieselbe Trick.«
Volodi wirkte nicht amüsiert. »Wird sich nicht nix helfen. Fuchs niemals gewinnt Kampf mit Wölfen.«
Kolja lachte. »Stimmt.«
Lamgi trennte sich von der Gruppe der Bauern und stellte sich in die Mitte des Flussbetts. »Freunde«, rief er mit lauter Stimme. »Wir wollen noch einmal gegen die Leibwachen des Unsterblichen Aaron antreten und unsere Niederlage in einen Sieg verwandeln. Aber die Krieger haben das Preisgeld so hoch gesetzt, dass wir nicht noch einmal antreten können. Werdet ihr uns helfen? Oder werdet ihr nur dort oben stehen und mit uns die Schande der Niederlage teilen?«
Es herrschte betretenes Schweigen.
Dann fiel etwas neben Lamgi auf den Boden. Artax kniff die Augen zusammen. Eine kleine Kupfermünze. Noch eine wurde geworfen und noch eine weitere.
»Macht sie fertig!«, rief einer vom gegenüberliegenden Ufer. Ein kleiner, unrasierter Kerl, der so aussah, als habe es das Leben noch nie gut mit ihm gemeint.
Weitere Münzen fielen in den Sand.
»Zeigt es ihnen«, rief ein anderer.
Narek begann das Geld einzusammeln, während immer mehr Münzen von den Ufern geworfen wurden. Auch wenn es nur Kupfer war, reichte der Wert bestimmt schon an ein Goldstück heran.
»Wir sind die Löwen von Belbek!«, rief Narek stolz. »Hört ihr? Die Löwen von Belbek. Und wir werden sie zerfleischen.«
Kolja schmunzelte. »Zerfleischen? Ist sich kleines Mann mit großes Mund.«
»Du wirst ihn dir nicht vornehmen, wenn wir noch einmal spielen«, sagte Artax harsch.
Der Faustkämpfer schnitt eine Grimasse. »Hätte nur ein bisschen gestreichelt.« Er ließ die Klinge in den Lederarm fahren.
»Kommt jetzt!« Artax winkte den beiden, ihm zu folgen, und ging an die Schlusslinie seiner Seite zurück. »Du sagst, sie werden sich nicht noch einmal alle auf mich werfen?«
Kolja blickte ihn an und zuckte dann mit den Schultern. »Kann mich nicht sehen in Kopf von Bauern.« Er zog seine vernarbten Brauen zusammen. »Wollen wir lassen gewinnen Bauern? Wegen Moral?«
Artax schüttelte den Kopf. »Zu viele Zuschauer. Wenn die den Verdacht haben, wir spielen falsch, dann ist das Gift für die Moral.«
Datames kam ihnen entgegen. »Tut mir leid, was Euch geschehen ist, Erhabener. Geht es Euch gut?«
Artax konnte ihm an den Augen ansehen, dass es ihm nicht leidtat. »Was machen wir? Wenn wir noch einmal gewinnen und die Bauern verprügelt werden, ist das eine Katastrophe. Wie hattest du dir das vorgestellt?«
»Bisher läuft alles nach meinem Plan. Ich hatte geahnt, dass Ashot noch einmal spielen will, wenn er verliert.«
Ich hätte das nicht erwartet, dachte Artax. Und ich kenne ihn länger als du. »Was sollen wir tun?«
»Ihr werdet natürlich wieder siegen. Aber es sollte nicht ganz so schnell geschehen. Der Kampf muss ein wenig dauern. Jeder da draußen weiß, dass diese Löwen von Belbek nicht gewinnen können. Wichtig ist, wie sie besiegt werden. Lass sie nicht das Gesicht verlieren.«
Artax wandte sich an Kolja und Volodi. »Ihr habt es gehört. Sagt es den Männern. Diesmal dauert das Spiel ein wenig länger.«
Ashot winkte vom anderen Ende des Feldes. »Wir stecken die Münzen in einen Wasserschlauch. Der Ledersack ist völlig zerschnitten. Wir können ihn nicht mehr benutzen.« Er hielt einen länglichen, braunen Ziegenlederschlauch hoch, der am unteren Ende ausgebeult war.
»Gut«, entgegnete Artax. »Wann seid ihr bereit?«
»Wir füllen noch mehr Sand hinein.« Ashot kniete nieder, sodass sie deutlich sehen konnten, wie er Sand aus seiner Hand in den Wasserschlauch rinnen ließ. Als er halbwegs prall gefüllt war, ging er zu seinen Männern zurück. Sie gruppierten sich im Kreis um ihn, wohl um ihren Schlachtplan zu besprechen.
Artax wandte sich an seine Zinnernen. »Wir bilden eine Linie, quer über das Spielfeld. Ihr achtet darauf, dass der Kerl mit dem Wasserschlauch auf keinen Fall durchkommt. Wir werden langsam vorgehen und sie auf ihre Linie zurückdrängen. Und verprügelt niemanden. Es ist nur ein Spiel. Habt ihr das verstanden?«
Koljas Augen funkelten amüsiert. Die Männer nickten.
»Du wirst Ashot nicht die Rippen brechen.«
Kolja nickte.
»Und auch keinen anderen Knochen.«
»Und wenn sich fällt unglücklich der Bauerntölpel?«
»Dann bist du besser nicht in der Nähe, Kolja.«
Der vernarbte Hüne sah ihn bekümmert an. »Das ist sich kein Spaß.«
»Wir sind bereit«, rief Ashot. Er drückte sich den Wasserschlauch an die Brust.
»Linie bilden!«, befahl Artax mit lauter Stimme. Die Zinnernen gehorchten. Volodi und Kolja hielten sich auf seinen beiden Seiten. Diesmal würde er nicht zu Boden geworfen werden.
Die Bauern bildeten einen Kreis um Ashot.
»Sie beschützen sich Anführer«, sagte Volodi. »Wir machen Kreis um Kreis und holen sich Ziegenschlauch.«
»Löwen!«, erklang ein Ruf von den Ufern und wurde dutzendfach aufgenommen. »Löwen!«
Artax und die Zinnernen hatten die Hälfte des Feldes überquert. Sie waren schon nah genug, dass er die Angst in Nareks Augen sehen konnte. Sein Jugendfreund stand halb geduckt. Er hatte immer schon versucht, sich aus Ärger herauszuhalten. Was mochte ihn nur geritten haben, dass er sich freiwillig gemeldet hatte?
»Vorwärts, Löwen!«, rief Ashot, und seine Männer stürmten den Zinnernen entgegen.
»Lö-wen! Lö-wen! Lö-wen!« Jetzt feuerten sie Tausende an.
Artax presste die Lippen zusammen. Das war mutig und hoffnungslos. Sie würden niemals die Linie der Zinnernen durchbrechen. Er hob die Arme auf Brusthöhe, ballte die Fäuste und wappnete sich für den Aufprall.