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Trompete, Posaune, Trommel, bum-bum

Waldhorn und Harmonium …

Liza trat zur Seite, obwohl sie wußte, was hier getan werden mußte – sofort, bitte, bitte, sofort –, und es doch nicht fertigbrachte. David Silberstein rückte noch näher heran, als wäre er Zeuge bei einem Autounfall, aber entlastet durch das noch nachwirkende Mißverständnis (hatte wirklich jemand vor ein paar Sekunden noch von einem Hund gesprochen?). Professor Krawschensky nahm seinen Bleistift aus dem Kittel, beugte sich vor und tippte vorsichtig auf das Fell, um sich zu überzeugen – ganz beseelt von der Neugier des Wissenschaftlers –, daß wirklich kein Knochen darinsteckte. Und Manny Littlejohn, der sich vielleicht in diesem Moment vorstellte, daß er eines Tages auch so aussehen würde – wendete den Kopf ab und erbrach sich leise in sein Taschentuch. Er war ein alter Mann und sollte von solchen Bildern verschont werden.

Es war vorauszusehen, daß Roses Varco dieses »lebende Bild« zerstören würde. Endlich diesen Bettvorleger mit dem gescheckten Hund in Zusammenhang bringend, den er in das Labor gebracht hatte, trat er vor, drängte die anderen mit den Ellenbogen zur Seite und hob das klägliche Fellgebilde hoch, ehe ihn jemand daran hindern konnte. Es schrie gellend und starb. Ohne Brustkorb sprengte die Muskelanstrengung, die zu diesem Schrei nötig war, die Lungen und das Herz. Roses hatte den Hund nicht gekannt und bevorzugte von Natur aus Katzen. Trotzdem weinte er – obwohl die Dorfkapelle gerade seine Lieblingsmelodie spielte –, mit Exkrementen an den Händen und einem unbestimmten Haß in seinem Herzen.

Manny Littlejohn konnte Leid besser tragen als Roses. Er zog sich in eine Ecke des Labors zurück und setzte sich über seinen Armbandsender mit seinem Salonzug in Verbindung. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß seine Trabanten dort ihre bezahlte Arbeit verrichteten, verließ er wortlos das Labor und setzte seine Besichtigungstour fort. David Silberstein begleitete ihn, wie seine Pflicht es verlangte.

IV

»Ich bin Mrs. Lampton. Guten Tag. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mich so rasch empfangen haben.«

David Silberstein blickte von seinem Schreibtisch hoch. »Ah, natürlich – die berühmte Mrs. Lampton, Mutter von vier Kindern.«

»Wenn Sie sich über mich lustig machen wollen, Mr. Silberstein, sehe ich mich genötigt …«

»Bedaure aufrichtig.« Er bedauerte nicht. »Ich dachte, ich hörte aus Ihren ersten Worten einen spöttischen Unterton heraus und reagierte ein wenig aggressiv. Das war natürlich töricht von mir.«

»Ich glaube, das wird kein Routinegespräch, Mr. Silberstein.«

»Ich hoffe es. Wenn Sie schon andere Forschungseinrichtungen besucht haben, sind Sie bestimmt mit den üblichen PR-Methoden vertraut. Ich wollte Sie nicht mit Routine beleidigen, Mrs. Lampton.«

Das war nicht die übliche PR-Methode, aber trotzdem PR. Er hatte bereits mit Mrs. Lampton Bekanntschaft gemacht. Bei einem Gespräch, das er im Fernsehen verfolgt hatte. Sie schien zu glauben, daß man am ehesten in einer Atmosphäre der Gereiztheit die Wahrheit herausfinden konnte. In ira veritas. Deshalb beabsichtigte er, in der ihm bevorstehenden Auseinandersetzung mit Mrs. Lampton eine Politik zu verfolgen, die Herausforderung und Schmeichelei klug dosierte, um die Wahrheit erfolgreich zu vernebeln.

»Was die Mutter von vier Kindern anbelangt«, sagte Silberstein, »glaube ich nicht, daß das Ihre Schuld ist. Die Zeitungen arbeiten so gern mit zugkräftigen Adjektiven.«

»Tatsächlich empfinde ich es nicht als Schande, Mutter von vier Kindern zu sein, Mr. Silberstein.«

»Natürlich nicht.« Es war ein Vorteil für ihn, daß sie keinen Sinn für Humor hatte. »Ich dachte nur, es stört Sie vielleicht, daß Sie Ihre Berühmtheit dem verdanken, was Sie sind – nicht wer Sie sind.«

»Sie sind ein eigenartiger Mensch, Mr. Silberstein.«

»Wieso eigenartig? Weil ich Sie als überdurchschnittlich intelligente Person behandle?«

Sie würde Anstoß an dieser Antwort nehmen. Sie würde sie als Grobheit empfinden und sich trotzdem geschmeichelt fühlen. Sie lachte – ein unangenehmes Lachen – und trat ans Fenster. Ihr Urteil stand fest. Mit diesem Mann würde sie leicht fertig werden. Sie blickte hinunter auf das Dorf, das welk und verstaubt unter der gleißenden Sonne schmachtete. Die Hitzewelle dauerte nun schon neunundvierzig Tage. Sie würde mit diesem Dorf genausoleicht fertig werden wie mit seinem Vorsteher. Sie war eine energische, untersetzte Frau, mit vorspringendem Kinn und einem lose sitzenden Seidenkleid, das ihre großen Brüste nicht betonte.

»Experimentier- und Forschungsdorf Penheniot …« Sie lehnte sich gegen das Glasfenster. »Eine verschwommene Bezeichnung. Was treiben Sie eigentlich hier?«

»Erwarten Sie wirklich von mir, daß ich darauf antworte?«

»Natürlich. Sonst hätten Sie mich gar nicht erst empfangen, oder?«

Wenn ihr Brief nicht in einem so ungünstigen Moment eingetroffen wäre, hätte er sie bestimmt nicht empfangen. Er hatte einen vorgedruckten Briefbogen in seinem Schreibtisch, der höflich, aber bestimmt, neugierigen Wichtigtuern den Standpunkt klarmachte. Doch ihr Brief traf vier Tage nach der Inspektionsreise des Gründers ein, vier Tage, nachdem der Hund gestorben war, vier Tage nach Roses Varcos Tränen. David Silberstein mußte eine moralische Scharte auswetzen. Mrs. Lampton war Generalsekretärin des Komitees für moralisches Verhalten in der Wissenschaft. Soweit er über ihre Person unterrichtet war, war sie unbeliebt, penetrant neugierig, oft hysterisch. Doch sie vertrat eine Organisation die eine wichtige moralische Funktion erfüllte. Sie war deshalb eine Person, die gefährlich war und trotzdem respektiert werden mußte. Sie hatte an ihn geschrieben, am Tag seiner moralischen Niederlage. Sie hatte von Vorwürfen gesprochen, von Gerüchten, die dem Ruf des Dorfes schadeten. Sie hatte um eine Unterredung gebeten, um eine Chance, sich selbst zu überzeugen …

»Ich habe Ihrer Bitte entsprochen, Mrs. Lampton -«, er stockte kurz, weil er seine große Lüge für später aufsparen wollte, »ich habe Sie hier empfangen, weil ich die Arbeit Ihres Komitees sehr schätze und weil ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, um diese Arbeit zu unterstützen.«

»Alles, was in Ihrer Macht steht … Aber was Sie hier wirklich tun, wollen Sie mir verschweigen.«

»Sie haben doch sicher schon von Industriespionage gehört, Mrs. Lampton. Wer gibt mir eine Garantie für Ihre Verschwiegenheit?«

»Ich würde meine Arbeit unmöglich fortsetzen können, wenn ich in diesem Punkt fahrlässig wäre, Mr. Silberstein.«

Das war die logische Antwort darauf. Silberstein fand, daß er seine Lüge lange genug hinausgezögert hatte. Jetzt würde sie glaubhaft klingen. Deshalb öffnete er ihr sein Herz.

»Teleportation, Mrs Lampton. Unser Gründer interessiert sich für die kommerziellen Möglichkeiten der Teleportation.« Sie würde bestimmt das Labor besichtigen wollen. Die Ausrüstung des Labors widerlegte seine Lüge nicht. »Doch bis jetzt ist unser Erfolg noch sehr bescheiden.«

»Das klingt nach einem harmlosen Forschungsprojekt. Die Namen klingen immer so harmlos.«

»Sie können sich ja selbst überzeugen.« Er spreizte die Finger und deute aus dem Fenster. »Hier stirbt niemand an geheimnisvollen Krankheiten. Wir verpesten nicht die Atmosphäre, treiben keinen Raubbau mit Bodenschätzen und verschandeln nicht die Landschaft. Wir wollen auch keine Macht ausüben, weder politisch noch wirtschaftlich.«

»Fürwahr, eine ländliche Idylle.« Mrs. Lampton wendete sich vom Fenster ab und lächelte gefährlich. »Meines Wissens haben Sie keine Erlaubnis für Vivisektionen vom Innenministerium.«