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Die Orkrufe wurden lauter und klangen immer näher.

»Geht beiseite«, sagte die Schwarzhaarige kurz entschlossen und schritt durch den Pulk der überrumpelten Zwerge, ohne einen von ihnen zu berühren. Sie nahm einen Lederbeutel unter ihrem breiten Waffengürtel hervor und wählte fingerlange, spitze und gebogene Eisenstückchen, mit denen sie sich an den Schlössern zu schaffen machte. Nach kurzer Zeit klickte es.

»Also doch Diebe«, stellte der Steinmetz zufrieden fest.

»Mitnichten, Gutester«, widersprach das Kinnbärtchen. »Furgas stellt den besten Magister technicus seit …«, er wedelte in der Luft, weil ihm der passende Zeitraum nicht einfallen wollte, »Menschengedenken dar.« Er deutete auf die Frau. »Des weiteren habe ich das ausgesprochene Vergnügen, Euch die bezaubernde Narmora vorzustellen, wegen deren Schönheit die Rosen am Haus des Bürgermeisters vor Neid verdorren, und ich selbst bin …«

»Der Unglaubliche Rodario!«, rief Tungdil, der die Stimme des Schauspielers wieder erkannte.

Die Züge des Mimen wurden eine Spur freundlicher. »Ein Verehrer meiner Kunst? Wer hätte das gedacht. Ich unterstellte Euch …« Er stockte. »Da treffe mich doch eine volle Schale Abort! Ihr seid der Trampler, der Schänder meiner Szene, der Vernichter des kunstvoll gewirkten Traumgewebes, in dem ich die Spectatores gefangen hielt!« Seine braunen Augen richteten sich anklagend auf Tungdils Stiefel. »Ja, das sind sie, die Übeltäter! Dies Schuhwerk und dazu die vermaledeite Schreierei ruinierten mein Können!«

Wieder klickte es. Narmora öffnete die Schlösser und zog die Ketten aus den Ösen; klirrend fielen sie zu den Boden. »Geht!«

»Und du?«, fragte Furgas sie besorgt.

Sie lächelte ihn an und gab ihm einen langen Kuss auf den Mund. »Ich sperre wieder ab und klettere über die Mauer. Ich möchte nicht, dass es heißt, wir hätten den Untergang der Stadt verschuldet, weil wir den Orks die Nebenpforte geöffnet haben.«

Die Zwerge machten den Anfang, danach folgten Rodario und Furgas.

Ein Blick verriet ihnen, dass die Pulks der Angreifer vor den Toren lagerten und sich gar nicht um die Seiten Mifurdanias kümmerten. Zwei Gardisten, die auf den Wehrgängen standen, riefen sie an, sie sollten stehen bleiben und sich zu erkennen geben, doch sie dachten nicht daran.

Lediglich der Schauspieler winkte ihnen zu. »Passt mir auf mein Theater auf! Wir kehren zurück, wenn ihr die Schlacht geschlagen habt. Ich wünsche euch alles Glück!«, rief er heiter.

»Das ist keine Szene aus einem Stück, Rodario«, sagte Furgas mahnend, weil er sich des Ernstes der Lage wohl nicht ganz bewusst war, und schob ihn weiter.

»Aber es erinnert mich alles daran«, gab der Mime zurück. »Ich könnte auch daraus ein Stück werden lassen, ein ausgezeichneter Gedanke, werter Furgas.« Er stellte sich in eine heldenhafte Pose, die Arme an die Hüften gelegt. »Ich als furchtloser, wackerer Wachmann, der entdeckt, wie die Orks nahen und einen Kampf gegen … na, sagen wir ein halbes Dutzend von ihnen gewinnt und die Stadt vor dem Untergang bewahrt.«

Ein Seil baumelte plötzlich über die Mauer. Narmora hangelte sich in Windeseile daran hinab und schloss zu ihnen auf, während die Gardisten laut rufend angerannt kamen und das Tau wieder nach oben zogen, ehe es die Orks bemerkten.

Tungdils Gruppe beeilte sich, in den Schutz des nahen Waldrandes zu kommen, und die drei Schauspieler folgten ihnen hartnäckig.

»Auf ein Wort, Ihr Freunde von Gold und Schätzen. Ihr hättet doch nichts dagegen, wenn wir Euch ein wenig bei Eurem oberirdischen Ausflug verfolgen?«, meldete sich der Unglaubliche Rodario mit einem einnehmenden Strahlen im gebräunten Gesicht, als müsste er schlechte Fische verkaufen und viel Geld damit machen. »Die Zeiten sind unsicher, und Ihr seht mit Verlaub so aus, als könntet Ihr jede grüne Gefahr aus dem Weg räumen. Wir dagegen sind nichts als schwächliche Bühnenkünstler.« Er blickte an sich hinab und zeigte ihm die dünnen Oberarme, die wie Besenstiele aus den teuren Gewändern schauten. »Schaut, zwei Männer, so breit wie einjährige Birken, und eine hübsche, aber nicht eben wehrhafte Frau, die ihre Rüstung nur zur Schau trägt. Sollte sie in die Klauen der Orks geraten, so mögen allein die Götter wissen, was die Bestien mit ihr …«

»Ihr könnt uns begleiten, dagegen ist nichts einzuwenden«, gewährte Tungdil ihnen die Bitte. Da Boïndil an den Auswirkungen seines Bierdurstes litt und seine Beile in einem möglichen Kampf ausfielen, brauchte man den Schwätzer und seine beiden Gefährten womöglich, um einer Rotte Orks eine Ablenkung zu liefern, während er und seine Freunde die Ungeheuer attackierten.

»Sagte der nicht eben ›auf ein Wort‹?«, staunte Goïmgar über den nicht enden wollenden Redefluss.

»Menschen reden viel, wenn sie Angst haben«, gab Bavragor seinen Kommentar dazu ab. »Und der muss den Gehrock gehörig voll haben. Habt ihr ihre Kinderbärtchen gesehen? So wenig Haare hatte ich nicht mal in meinen Säuglingstagen«, frotzelte er.

Tungdil schlug den Weg durch den Hain zum Berg ein, wo sie ihre kostbaren Schätze aufladen mussten. Er war froh, dass sie sich in der Zwergensprache unterhielten und die Menschen die Beleidigungen nicht verstanden.

Es wird lange dauern, bis wir die einzelnen Barren die Treppen nach oben und hinter dem Wasserfall hervor bis zu den Ponys getragen haben. Diese Verzögerung würde Zeit kosten, zumal es eine Verzögerung war, die jemand seiner Ansicht nach mit Absicht herbeigeführt hatte, um sie aufzuhalten.

Er wagte nicht einmal daran zu denken, wie weit Gandogar und seine Begleiter bereits gekommen sein mussten – und fluchte, weil er nun doch daran gedachte hatte. Energisch zwang er sich, sich auf den Weg und die Geräusche des Forstes zu konzentrieren.

»Ho, kleiner Mann, der Ihr der Anführer des kleinen Haufens zu sein scheinet«, sprach ihn Rodario an und tauchte an seiner Seite auf; dass er dabei auf trockene Äste trat, diese knackend brachen, und seine Stimme laut durch den Wald hallte, störte ihn nicht. »Unterirdische …«

»Zwerge«, verbesserte Tungdil automatisch.

»Na schön, Zwerge wie Ihr vermag das Auge nicht jeden Tag zu erblicken, und so wunderte ich mich, was Ihr fünf wohl außerhalb der Unterwelt zu suchen habt. Seid Ihr von Euren Leuten vertrieben worden?«

»Es geht Euch nichts an, Herr Rodario.«

»Wohl gesprochen, es geht mich wahrhaftig nichts an. Aber hättet Ihr dann vielleicht ein wenig Muße, um mit mir und meinen Freuden zu wandern und bei einem Theaterstück mitzuwirken?«, lächelte er. »Wolltet Ihr einwilligen, schriebe ich ein Stück, das sich um fünf Zwerge dreht. Wir wären eine solche Besonderheit, dass uns alle Menschen im Geborgenen Land sehen wollten und uns ihre Münzen nur so zuwerfen würden.«

»Nein, Herr Rodario. Wir haben anderes zu tun.«

»Anderes? Was mag das sein?« Er legte die Stirn in Falten. »Ihr suchet Schätze?«

»Nein, die Feuerklinge!«, juchzte Ingrimmsch undeutlich vom Ponyrücken in der Gemeinsprache. »Wir gehen ins Graue Gebirge und schmieden die Waffe gegen Nôd’onn, und damit schlitzen wir seinen fetten Wanst …«

»Sei still, du besoffenes Stück!«, befahl Boëndal ruppig. »Rede in unserer Sprache, wenn du schon alles verraten musst.«

»Hört nicht auf ihn«, wandte sich Tungdil zum Schauspieler, dessen Gesichts gefährliche Neugier widerspiegelte, und er bemühte sich, gelassen zu wirken, um den Verdacht nicht noch mehr aufkommen zu lassen, in den Äußerungen könnte ein Körnchen Wahrheit sein. »Er ist betrunken und phantasiert.«

»Lasst ihn phantasieren, ich bin ein aufmerksamer Zuhörer. Künstlern kommt eine jede Inspiration recht«, entgegnete Rodario leichthin. »Und die Sache hört sich gut an, das gestehe ich frei heraus. So etwas auf die Bühne gebracht, will das Volk doch hören und sehen. Nur … wo finde ich so kleine Menschen? Kinder? Gnome oder Kobolde mit falschen Bärten?« Er warf die Arme in die Luft. »Ach, das wäre alles nichts! Ich brauche kräftige Burschen, Unterirdische wie Ihr es seid, damit es echt aussieht. Wollt Ihr nicht doch lieber mit uns kommen?«