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»Ihr habt gewählt. Lasst uns Gundrabur niemals vergessen und seinen Traum in die Tat umsetzen«, rief er ihnen zu. »Der Schutz des Geborgenen Landes ist unsere gemeinsame Aufgabe, gleich welcher Stamm und Clan.« Er suchte Bislipur in der Menge und fand ihn dort, wo er gestern schon gestanden hatte. »Komm zu mir!«, bat er und streckte die Hand einladend aus.

Verdutzt machte der Zwerg sich auf, erklomm hinkend das Podest und grüßte den neuen König mit einem Kopfnicken. Die kalten braunen Augen schauten verunsichert.

»Unsere Stämme haben keinen Großkönig mehr, und die beiden Zwerge, von denen einer das Amt bekleiden wird, befinden sich auf ihrer letzten Prüfung. Es ist kein Geheimnis, dass Bislipur und ich Gegner in unseren Anliegen sind. Bis einer der beiden Anwärter zurückkehrt, gelobe ich, unseren Streit zu beenden, damit das Verhältnis zwischen unseren Stämmen nicht vergiftet wird und es vielleicht sogar zu einer Feindschaft kommen kann.« Er reckte sich. »Bedenkt: Jeder Zwist zwischen uns Zwergen stärkt das Böse. Was immer auch der nächste Großkönig befehlen wird, wir werden ihm gehorchen und ihm folgen.« Balendilín hielt seinem Gegenüber die offene Hand hin. »Teilst du meine Ansicht?«

Bislipur konnte nicht anders, er musste einschlagen, aber wirkte dabei keinesfalls gedemütigt oder wütend, und das wiederum machte den König stutzig.

»Ich schwöre, dass ich wie du meine Überzeugungsreden im Rat der Stämme einstelle, bis einer von den beiden Anwärtern zurückkehrt«, wiederholte er die Worte deutlich. »Wir wollen Verschiedenes, aber wir haben denselben Feind: das Böse. Es zu vernichten, gleich in welcher Gestalt es daherkommt, war und wird die Aufgabe unseres Volkes sein.«

Die Zwerge jubelten den beiden zu, die sich die Hände schüttelten und fest in die Augen schauten. Keiner sah, dass sich ihre Blicke einen ewig währenden Eid der Feindschaft leisteten.

»Damit ihr seht, wie ernst es mit meinem Eid ist, schlage ich vor, dass wir den Kampf gegen das Böse gleich beginnen«, sprach Bislipur. »Können wir zulassen, dass die Orks vor den Toren von Ogertod morden und brandschatzen?« Er wandte sich den Zwergen zu. »Ich sage nein!«

Die lauten Rufe gaben ihm Recht und die Gewissheit, dass sie genauso empfanden wie er.

»Ich habe eine Gesandtschaft durch die Tunnel zu den Clans der Vierten in den Norden geschickt, damit sie mit fünftausend unserer besten Krieger zurückkehren«, eröffnete er dem überrumpelten Balendilín und der Versammlung. »Die Clans der Vierten und der Zweiten werden die Gegend von Orks befreien. Gemeinsam!« Er hob die Arme und riss seine Doppelkopfaxt in die Höhe; gleißend reflektierte sie das Sonnenlicht. »Geben wir Gundrabur ein Stück seines Traumes von einem Geeinten Zwergenheer!«

Sie jubelten ihm zu und trommelten ihre Begeisterung heraus, dass der Granit erbebte.

Du Bastard. Balendilín machte gute Miene zum bösen Spiel. Ich weiß, was du in Wirklichkeit beabsichtigst, dachte er, während er das harte Gesicht Bislipurs musterte. Du holst dir dein Heer, um dich gegen mich abzusichern. Oder strebst du nun selbst nach dem Thron des Großkönigs, um deinen Elbenkrieg durchzusetzen?

Bislipur wandte sich ihm zu, seine Augen blickten eisig, erbarmungslos. »Die Jagd wird bald eröffnet, König Balendilín«, versprach er ihm und schritt die Stufen hinab. Er ließ offen, wer das Opfer seiner Hatz sein würde.

II

Das Geborgene Land, das Zauberreich Oremaira, im Spätherbst des 6234sten Sonnenzyklus

Nach einer kalten, vorwinterlichen Nacht beluden sie am nächsten Morgen die Ponys mit den Barren und brachen in Richtung Westen auf. Von der Stadt stiegen keine Qualmwolken mehr gen Himmel; die Häuser waren verlassen, die dunklen Punkte lagen ruhig vor den Mauern und regten sich nicht mehr. Jeder Fleck bedeutete eine Leiche, und die Ebene um Mifurdania hatte sich schwarz gefärbt.

Tungdil hasste die Orks und Nôd’onn mehr denn je. Gutenauen, Mifurdania, unzählige Dörfer, Gehöfte und Weiler, das halbe Geborgene Land steht in Flammen. In der Ferne, in Richtung Nordwesten, stieg eine Staubwolke auf; dort musste das Orkheer ziehen. Ich gebe niemals auf.

Unterwegs aßen sie getrocknetes Obst und Brot, was die Zwerge nur mit Widerwillen hinabwürgten, aber es gab nichts anderes mehr. In ihrer Eile hatten sie versäumt, in Mifurdania neuen Proviant zu beschaffen, und zurück wollte keiner mehr. Immerhin fand Goïmgar unterwegs ein paar Pilze, die sich die Zwerge roh gönnten.

»Sollen wir sie tatsächlich mit in die Röhren nehmen?« Boïndil warf einen Blick über die Schulter nach hinten, wo die drei Menschen liefen.

»Warten wir ab, was wir nach achtzig Meilen vorfinden«, sagte Tungdil. »Vielleicht gibt es den Eingang nicht, und wir müssen weiterhin laufen.«

»Dann bin ich dafür, dass wir Ponys für alle kaufen«, meldete sich Goïmgar.

»Es schadet deinen dünnen Beinchen gar nichts, wenn du sie gebrauchst«, sagte Ingrimmsch geringschätzig. »Selbst das Menschenweib ist stärker als du. Streng dich an und benimm dich wie ein Kind des Schmieds.«

Nach zwei Sonnenumläufen in strömendem Regen gelangten sie in eine Ebene, die nördlich von Bergen umsäumt wurde. Tungdils Karte nannte die Erhebungen »Königssteine«, und zu ihren Füßen lag die Stadt Königsstein. Der Zwerg erinnerte sich, dass er von dem Protz der Stadt in Lot-Ionans Bücher gelesen hatte. Hier unterhielten die meisten niederen Adligen des Königreichs Weyurn kostspielige Häuser und kleine Paläste. Nicht, weil die Luft besonders gut war, sondern des Prestiges und der Bälle wegen.

»Wir kaufen Ponys und reisen weiter«, verkündete er, während sie auf die Tore von Königsstein zumarschierten. »Aber wir gehen nicht bis zum Kern der Stadt, wo die Reichen ihre Behausungen errichtet haben. Unseren Proviant und die Tiere sollten wir auch in den einfacheren Vierteln bekommen.«

»Äußerst bedauerlich«, meinte Rodario näselnd und ahmte den blasierten Tonfall eines Adligen nach. »Da lebte man in Nachbarschaft zu den Reichen und hatte doch niemals die Gelegenheit, einen Abstecher nach Königsstein zu tätigen.« Es beruhigte ihn, die massiven Mauern und zahlreichen Soldaten zu sehen. Diese Wälle boten ausreichend Schutz vor den Grün- und Schwarzhäuten. »Wir könnten ein kleines improvisiertes Gastspiel geben«, richtete er sich mit blitzenden Augen an seine beiden Begleiter. »Ein Stegreiftheater, wie wäre es? Mit dem bescheidenen Lohn füllen wir unsere leeren Beutel, damit wir nicht länger Hunger darben.«

»Kannst du auch normal sprechen?«, knurrte Ingrimmsch und fuhr sich über die stoppeligen Kopfseiten; eine Rasur wurde dringend notwendig.

»Ich spreche, wie mir es passt, Herr Zwerg«, gab der Schauspieler gekränkt zurück. »Es gibt Wesen, die beherrschen mehr Ausdrucksmöglichkeiten als Grummeln, Knurren und Rülpsen. Warum sollte ich meine Bildung verhehlen, wenn Ihr das Fehlen nicht hinterm Berg haltet?«

»Ich bin gespannt, was dir das Geschwätz gegen eine Schweineschnauze einbringt«, murmelte der Zwergenkrieger gehässig.

Boëndal dagegen wollte wissen, wie er den Flammenstrahl gegen die Bogglins zum Einsatz bringen konnte.

Rodario strahlte. »Das hat sich Furgas ausgedacht, es ist ein Röhrchen voller leicht brennbarer Bärlappsamen, die ich über einen glimmenden Docht aus dem falschen Bestienkopf blase, und schon speit es Feuer.« Er wickelte seinen Ärmel auf. »Für meine Auftritte als Magus gibt es das auch noch in der kleineren Variante. Ich habe ein Röhrchen am Unterarm befestigt. Das eine Ende mit dem kleinen Feuerstein zeigt nach vorn, am anderen Ende ist ein kleiner Lederbeutel, der mit Luft und Bärlappsamen gefüllt ist.« Er gestikulierte wild, um seine Beschreibung anschaulicher zu machen. »Wenn ich auf den Beutel drücke, schießen die Samen vorne heraus. Gleichzeitig wird durch das Drücken ein Schnürchen betätigt, der Feuerstein wird nach hinten gezogen, ein Funken sprüht und entzündet die herausfliegenden Samen.« Seine Hände täuschten die Bewegungen eines Feuerballs nach. »Fertig ist die Zaubermacht und mit ihr das magische Feuer.«