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Leise betrat er die Kammer und betrachtete den Zwerg, der wie tot in den Kissen lag, das Gesicht bleich, die Brust hob und senkte sich kaum. Die Pfleger wuschen das verkrustete Blut sorgsam ab und nähten die klaffenden Wunden wieder zusammen. Anschließend deckten sie eingeweichte Moose darüber, deren Saft die Qualen linderte.

»Wir werden ohne ihn Weiterreisen müssen«, meinte Tungdil halblaut zu Ingrimmsch. »In seiner Verfassung macht er keine hundert Schritt, ohne dass er uns stirbt.«

»Nein … Ich schaffe es, Gelehrter«, kam es leise, aber bestimmt aus Boëndals Mund. Er richtete seine Augen flehend auf ihn, fasste seine Hand. »Nach zwei Umläufen geht es wieder. Es ist nur ein Kratzer!«

Tungdil blickte fragend zu einem der Pfleger, der den Kopf schüttelte. »Nein, das wird nicht gehen. Die äußeren Wunden sind nicht die Schwierigkeit, sondern die inneren Verletzungen. Jede Bewegung sorgt für eine Verschlimmerung. Er würde qualvoll zu Grunde gehen. Er kann nicht reisen.«

»Bleib hier und genese, Boëndal. Wir treffen uns rechtzeitig zur großen Schlacht gegen Nôd’onn«, entschied Tungdil schweren Herzens. »Du hast deinen Anteil geleistet.«

»Ich gehe mit! Wo einer von uns beiden ist, da ist auch der andere. Es ist die größte Tat, die jemals von unserem Volk …«

Er wollte sich aufrichten, aber sobald er seinen Oberkörper ein wenig rührte, stöhnte er laut auf, und ein dunkelroter Fleck entstand auf den frisch angelegten Verbänden. »Es scheint, als ob du Recht hättest, Gelehrter«, knurrte er durch die zusammengebissenen Zähne hindurch und schaute zu seinem Bruder. »Du wirst ihn und die anderen allein beschützen müssen.«

Boïndil stand stocksteif neben dem Bett, er wusste nicht, was er sagen sollte. »Zum ersten Mal in unseren Leben werden wir getrennt sein«, sprach er mit belegter Stimme und fasste die Hand Boëndals. »Ich werde dich bei den Kämpfen vermissen. Die ersten einhundert Schweineschnauzen sind für dich.«

»Du hast Großes vor«, lächelte er schwach. »Aber übernimm dich nicht. Ich kann dir nicht den Rücken frei halten.« Sie umarmten sich, Tränen rannen über ihre bärtigen Wangen. Einen solchen Abschied hatten sie noch niemals begangen.

»Und zügle deine Tobsucht, Bruder. Du wirst deine Wut besser kontrollieren müssen als sonst, versprich es mir!«

»Ich verspreche es«, schwor Ingrimmsch feierlich. »Doch nun ruh dich aus.« Zusammen mit Tungdil verließ er die Kammer. »Wann brechen wir auf?«

»So früh wie möglich«, antwortete Tungdil. »Andôkai hat Djerůn auf magische Weise zusammengeflickt. Ihm es geht es so weit gut, dass er reisen kann, auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie wir ihn in eine Lore bekommen.«

»Wir brauchen sowieso mehrere«, schätzte Boïndil. »Hammerfaust, Schimmerbart, die drei Schauspieler, unsere Metalle, die Maga und ihr Schoßkrieger, das passt niemals in einen Karren.«

»Und Balyndis«, fügte Tungdil hinzu.

»Wer?«

»Die Schmiedin.«

»Ein Weib also.«

»Du klingst ebenso begeistert wie Bavragor«, merkte er spitz an.

»Oh, ich bin der Letzte, der Frauen geringschätzt. Ich mag gut gebaute Zwerginnen, an denen man sich festhalten und wärmen kann, mit ordentlichen Brüsten und runden Gesichtern, aber …«

»Bei den Clans der Zweiten gibt es auch etliche Schmiedinnen. Und Smeralda konnte angeblich kämpfen wie …« Verflucht!

Boïndil versteinerte, als er den Namen seiner toten Liebe hörte. »Sie soll mitkommen. Ich bin müde.« Er stapfte den Gang entlang zu seiner Unterkunft.

Besorgt schaute Tungdil ihm hinterher. Das war dumm. Ein dämlicher Ausrutscher, ärgerte er sich.

»Glaube mir, ich kenne mich mit Hammer und Amboss sehr gut aus«, sagte eine weibliche Stimme hinter ihm. Erschrocken drehte Tungdil sich um. »Verzeih, ich wollte dir keinen Schrecken einjagen.« Balyndis stand vor ihm, sie trug noch immer ihr Kettenhemd, und ihr langes dunkelbraunes Haar umrahmte ihr rundliches Gesicht. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich mich darauf freue, mit euch zu ziehen.«

Sein Herz pochte ein wenig schneller, und der Gedanke daran, mit ihr die nächsten Umläufe gemeinsam durch das Geborgene Land zu ziehen, gefiel ihm so sehr, dass er die Sorge wegen Boëndal verdrängte. Gebannt schaute er in ihre dunkelbraunen Augen und brachte keinen Ton heraus.

»Ich führe die Axt so gut und sicher wie den Hammer.«

Tungdil lächelte, seine Stimme versagte weiterhin.

Balyndis wusste mit seinem Verhalten nichts anzufangen. »Glaubst du mir, oder willst du in einem Probekampf sehen …«

»Nein, bei Vraccas!«, rief und hob die Arme. »Ich glaube dir! Ich weiß, dass Zwerginnen kämpfen können.«

Auch wenn er es nicht so gemeint hatte, verübelte die Schmiedin ihm seine Worte. »Nun, Tungdil, jetzt bestehe ich auf einer Probe«, sagte sie und zog ihre Axt; dabei zuckten die Muskeln an den Oberarmen und ihrer Brust.

»Nein, ich habe es ehrlich gemeint«, versuchte er sich zu retten. »Ich habe nur Bedenken, dass ich … dich … verletzen könnte.«

»Ach? Meinst du, du könntest es schaffen, mich zu verletzen?«

Sie dreht mir aus allem einen Strick! »Höchstens aus Unachtsamkeit«, versuchte er weiter, die Situation zu retten, während sie den Stiel ihrer Axt streitlustig hin und her drehte. »Ich glaube dir, Balyndis …«

»Ich nicht«, sagte Bavragors tiefe Sängerstimme und trat an sie heran, die Rechte um den Hammer geschlossen. »Ich möchte sehen, ob sie uns bei Gefechten zur Last wird oder ob sie kämpft wie der kleine Goïmgar.«

Sie senkte den Kopf. »Du wirst gleich Sterne vor deinem verbliebenen Auge sehen«, prophezeite sie ihm, und gerade noch rechtzeitig sprang Tungdil nach hinten, um nicht zwischen Hammer und Axt zu kommen.

Klirrend trafen die Waffen aufeinander. Bavragor grunzte anerkennend und geriet bald in Bedrängnis, da er nicht damit gerechnet hatte, dass sie über solche Kraft und Schnelligkeit verfügte. Sie griff immer über seine blinde Seite an und zwang ihn, den Kopf zu drehen. Während er die Axt abwehrte, zuckte plötzlich das Ende ihres Stiels hoch und traf ihn genau an den Helm. Benommen taumelte er gegen die Wand und sackte auf den Hintern.

Verdutzt schaute er zu der grinsenden Balyndis auf, dann tastete er ungläubig nach seinem Schädel. Seine Schultern bebten, erst langsam, dann immer heftiger, bis das Lachen aus seiner Kehle stieg und laut durch den Gang hallte.

»Das geschieht mir recht«, amüsierte er sich immer noch, stemmte sich auf die Beine und reichte ihr die schwielige, raue Hand, die sie gern ergriff. »Da schau sich einer das Prachtweib an. Sie langt ordentlich zu.«

»Nachdem wir das geklärt haben und wissen, dass du sehr gut kämpfst, sollten wir zu Bett gehen, damit wir morgen für die Weiterreise ausgeruht sind.« Tungdil nickte ihr zu und freute sich, dass ihm der Kampf erspart geblieben war.

Balyndis lächelte und wollte sich umdrehen, als Bavragor ihren Arm ergriff. »Ich habe einen besseren Einfall. Wie wäre es, wenn du mir die beste Schenke im Roten Gebirge zeigst und ich vom Bier der Ersten koste? Dafür singe ich dir ein Ständchen.« Ohne zu zaudern willigte sie ein und ging mit ihm den Korridor in die andere Richtung.

»Kommst du mit, Tungdil?«, wollte sie kurz vor der Biegung wissen.

»Nein, er kommt nicht. Er ist unser Anführer, er muss sicherlich Karten wälzen und schauen, in welchem Zustand die Röhren sind«, meinte Bavragor halb im Ernst und halb im Spaß.

»Übertreib es nicht mit dem Bier«, riet er ihm. »Die Tunnel haben viele scharfe Kurven.« Er winkte ihnen, um in seine Unterkunft zu gelangen und über die Ereignisse nachzudenken. Eine Schwärmerei für Balyndis, so schön die Vorstellung auch sein mochte, kam nicht infrage. Es würde ihn lediglich ablenken.

In seinem Zimmer brannte ein einsames Öllicht und erhellte die Steinwände nur spärlich. Die Stimmung lud vor der großen Fahrt zum Entspannen ein.