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»Seht ihr, zu was wir in der Lage sind, wenn wir gemeinsam kämpfen?!«, rief ihnen Balendilín voller Stolz von oben herab zu und schaute sich nach Bislipur um, ob er vielleicht auch etwas zu seinen Leuten sagen wollte.

Doch er entdeckte ihn nirgends.

Das Geborgene Land, unter dem Königinnenreich Weyurn, im Winter des 6234sten Sonnenzyklus

Die Karren schossen durch die Röhren, rissen Spinnweben mit sich und wirbelten den Staub von Jahrhunderten auf. Gelegentlich flüchtete ein großer Schatten vor den ratternden, lärmenden Loren aus dem Schein ihrer Fackeln in die Dunkelheit der Seitengänge und zeigte ihnen, dass es durchaus Leben tief unter dem Geborgenen Land gab. Doch es musste harmloses, ängstliches Leben sein, denn ihre Fahrt verlief ohne Zwischenfälle.

Sie näherten sich dem Fünften Zwergenreich von Westen her. Tungdil zählte die Markierungen an den Wänden mit und errechnete am Ende ihres ersten Reisetages, dass sie mehr als zweihundertfünfzig Meilen gefahren waren.

»Damit sind wir in vier Umläufen bei den Fünften«, gab er den Freunden bei der Rast am Feuer freudig bekannt. »Es geht schnell voran.«

Sie hatten sich in einer großen Halle niedergelassen, durch die zwei Trassen führten und die als Knotenpunkt diente. Natürliche Steinsäulen und gemauerte Bögen trugen die Decke, Zwergenrunen an den Wänden und auf den Säulen ließen keinen Zweifel aufkommen, wer die Erbauer gewesen waren. Das Holz, das ihnen knackend Wärme gab, stammte von den Überresten nicht benutzter Stützbalken, die sie gefunden hatten.

»Ich glaube nicht, dass sich der Drache von uns überlisten lässt«, sagte Goïmgar verzagt. »Er wird uns mit seinem Atem verbrennen.«

»Ach, was. Wir stopfen ihm den Langen in den Hals, dann kommt nichts mehr aus seinem Schlund«, meinte Boïndil kauend. »Das schmeckt hervorragend, Balyndis. Die Ersten verstehen etwas vom Salzen und Räuchern«, lobte er. Neugierig zupfte er einzelne Kräuterstückchen ab, die eine Kruste über dem Schinken bildeten.

Bavragor stieß Tungdil in die Seite. »Schau sie dir an! Ist sie nicht ein Prachtkerl von Schmied … Schmiedin?« Sein rotbraunes Auge glänzte glücklich. »Das Kettenhemd, die einzelnen Eisenschienen, das sind die Arbeiten einer Meisterin.«

»Seit wann kennst du dich mit Schmiedearbeiten aus?« Tungdil grinste breit und gab ihm im Stillen Recht, was den Wert der Arbeiten anging. »Da habe ich schon ganz andere Töne von dir gehört.«

»Vor dem Kampf«, griente er. »Dann hat sie mitten in mein Herz getroffen.«

Es scheint so. Seit sie ihn beim Zweikampf besiegt hatte, schien sich stündlich mehr zwischen den beiden zu entwickeln. Er gönnte es dem Einäugigen. »Hat sie dich nicht am Kopf getroffen?«

»Redet nicht so schnell. Ich komme fast nicht mit.« Rodario saß dicht am Feuer, hatte ihren leisen Wortwechsel mit angehört und schrieb eifrig. »Ich möchte das Stück so echt wie möglich halten.«

Furgas untersuchte derweil die Trasse, und Narmora stand neben ihm und hielt Wache. Djerůn hockte abseits von ihnen am Boden, das Waffenarsenal um sich ausgelegt und unbeweglich wie immer.

»Sie hätte ihn ruhig härter treffen können«, murmelte Goïmgar leise, sodass nur Tungdil ihn hörte. »Wenn ich meinen König nicht so sehr liebte, müsste ich ihn hassen, weil er mich mit euch auf die Reise schickte.« Wie an den meisten Abenden war er der Erste, der sich unter seiner Decke verkroch und die Augen schloss.

Bavragor grinste und bemerkte, dass der Schauspieler sich wie immer nicht von seinem Sack mit den Kostümen trennte und ihn in Reichweite behielt. »Hätten wir den nicht bei den Ersten lassen können?«

Rodario schenkte ihm einen missbilligenden Blick. »Niemals! Der Inhalt ist zu wertvoll, und wer weiß, ob wir die Kostüme nicht doch benötigen.«

Ein lauter Schlag ließ sie aufhorchen. Er klang wie ein einzelner Hammerhieb gegen Stein, rollte durch die Gänge und verebbte.

Sie wandten die Köpfe und schauten zu Furgas, der die Metallschienen begutachtete. »Ich war es nicht«, sagte er sofort. »Es kam aus dem Tunnel vor uns.«

Goïmgar richtete seinen Oberkörper auf. »Das habe ich schon einmal gehört!« Ängstlich griff er nach seinem Schild. »Das sind die Geister der toten Arbeiter«, raunte er und schrumpfte unter seiner Deckung zusammen. »Vraccas, beschütze uns.«

Tungdil erinnerte sich ebenfalls. »Es war kurz vor Mifurdania«, sprach er leise, »und es klang genauso wie eben.« Ein Signal? Für wen und was?

»Seid leise.« Boïndils Kriegerinstinkte erwachten. Er stand auf und trabte zum Tunneleingang, während Narmora die andere Seite sicherte. Aufmerksam lauschte er in die Finsternis hinein. Die Zeit verrann, ohne dass einer von ihnen zu atmen wagte.

Nur Andôkai packte ungerührt ihre Pfeife aus, stopfte sie und entzündete sie mit einem Span. Balyndis grinste sie breit an und folgte ihrem Beispiel. Ungerührt packte sie ein Stückchen Glut mit ihrem Handschuh, um den Tabak anzubrennen. Die Gesichter der ungleichen Frauen verschwanden in einer Dunstwolke.

Schließlich kehrte Ingrimmsch ans Feuer zurück. »Da war nichts. Ich habe weder etwas gerochen noch etwas gehört.«

»Wir müssen aufpassen. Das letzte Mal, nachdem ich das Geräusch hörte, stürzte ein Teil der Decke ein«, warnte Tungdil und bereitete sich auf die Nachtruhe vor.

Furgas und die Halbalbin stießen zu ihnen. »Es kann sein, dass wir nicht die Einzigen sind, die die Röhren benutzen«, setzte Furgas den Zwerg in Kenntnis. »Die Schienen vor uns sind ohne Rost, ohne jegliche Patina.«

»Das spricht dafür, dass Loren in regelmäßigen Abständen darüber gleiten.«

»Ich wollte, dass du es weißt.«

»Danke, Furgas. Behalte es bitte für dich. Ich will nicht, dass uns Schimmerbart vor Angst wegstirbt«, bat er ihn.

Das Geborgene Land, das Zwergenreich des Zweiten, Beroïn, im Winter des 6234sten Sonnenzyklus

»Kann ich dir helfen, Bislipur?«, fragte der rechte der beiden Wächter freundlich, als er den Hinkenden sah, der sich ihm und dem Tor zu den Tunnelbahnen näherte.

»Ja. Du könnest sterben, ohne einen Laut von dir zu geben«, antwortete er ebenso nett. Schon zuckte seine Axt hoch und traf den Zwerg schräg von oben in den ungeschützten Hals.

Gegen den beidhändig geführten Hieb gab es kein Gegenmittel, und der Wächter starb mit einem leisen Röcheln.

Der andere Krieger schaffte es noch, die rechte Hand ans Signalhorn und die linke an den Griff seines Streitkolbens zu legen, da schlitzte die blutige Schneide seinen Hals auf und fuhr ihm durch den Helm bis ins Hirn.

Das war leicht. Bislipur wischte sich das Blut aus dem Gesicht, wandte sich um und stieß einen kurzen Pfiff aus, worauf zweihundert seiner treuesten Krieger aus dem Gang traten.

»Ihr wisst, worauf es ankommt«, meinte er knapp und sprach die Formel, um den Zugang zu der dahinterliegenden Halle zu den Trassen zu öffnen. »Keine Gnade für die Betrüger an Gandogar, denn ihr würdet auch keine von ihnen erfahren.«

Das Geborgene Land, unter dem Königinnenreich Weyurn, im Winter des 6234sten Sonnenzyklus

Es geschah, als sie die Markierung der dreihundertsten Meile erreichten, die Röhre verließen und auf eine schmale Brücke abbogen. Unter ihnen befand sich nichts als Luft und endlose Schwärze.

Die vordere Lore mit den Zwergen begann bei voller Geschwindigkeit zu hopsen, die Räder sprangen aus der Führung und verkanteten sich. Funken sprühend rutschte das Vehikel auf zwei Rädern, bis es trotz aller Versuche der Insassen umkippte und sich einmal überschlug.

Die nachfolgenden Karren bremsten gerade noch rechzeitig, um die Verunglückten nicht zu überrollen.

Tungdil, Balyndis und Boïndil hatten Glück, sie landeten auf der Brücke und wirbelten mehrmals um die eigene Achse, ehe sie ruhig zum Liegen kamen. Die Rüstungen und Handschuhe verhinderten, dass sie sich böse Abschürfungen zuzogen.

Tungdil landete letztlich auf der Schmiedin, was ihm sichtlich peinlich war. Die Röte stieg ihm ins Gesicht. Sie schaute in seine Augen und wollte etwas sagen, doch dann hielt sie inne und starrte ihn nur an.