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Wie konnte das geschehen? Die Tunnel waren gesichert. Balendilín hatte keine Zeit, um nach dem Eingang zu sehen, denn er führte seine Männer gegen eine Übermacht aus Ogern, Orks und Bogglins, deren Strom nicht versiegen wollte. Für einen erschlagenen Feind standen zwei neue vor dem König; er konnte mit seiner Axt blindlings nach vorn hacken und traf immer einen Gegner.

Aber er es gelang ihm und seinen Zwergen, die überraschend aufgetauchten Bestien zurück in die Stollen zu treiben. In einer blutigen Schlacht, in der zahlreiche Zwerge ihr Leben verloren, drängten sie die Angreifer bis zur Vorhalle der Tunnel zurück. Weiter ging es nicht mehr.

Es sind zu viele! Balendilín erschrak, als er die Zahl der wartenden Feinde sah, die sie zwar eingefangen hatten, aber nicht bezwingen konnten. Aus den Röhren kletterten immer neue Orks.

Von hinten näherte sich ein Bote, der ihnen eine neue Schreckensmeldung überbrachte. »Die Biester haben dich umgangen«, keuchte er. »Wir wurden hinterrücks von ihnen angegriffen, die Tore Ogertods stehen offen, der erste und der zweite Ring sind gefallen.«

Balendilín witterte Verrat. »Flutet die Ebenen mit siedendem Öl. Das wird …«

»Es geht nicht. Sie haben die Vorrichtungen zerstört.«

Zerstört? Seine Zuversicht, das Gefecht siegreich beenden zu können, geriet ins Wanken. Das ist nur möglich, wenn ihnen jemand gesagt hat, wo sich die Anlagen befinden. »Richte den unsrigen aus, sie sollen sich zurückziehen und den Eingang schließen. Die äußere Festung wird aufgegeben, wir verteidigen unser Reich von innen.« Er schlug ihm anfeuernd auf die Schulter. »Rasch!«

Der Bote nickte und rannte davon.

Die Geschehnisse hatten nichts mit unglücklichen Zufällen zu tun, da war sich der König sicher. Zuerst kamen die Orks durch die Tunnel, von denen sie seit hunderten von Zyklen nichts wussten, dann setzten die Bestien die Verteidigungsmechanismen für die Außenterrassen der Festung außer Kraft, und schließlich umgingen sie die Zwerge.

Sie kennen sich bestens aus. Jemand hatte sie auf das Unternehmen vorbereitet und ihnen alles über die Zweiten verraten. Welcher Zwerg würde so eine schändliche Tat begehen? Er konnte sich niemanden vorstellen, der sich freiwillig mit den Orks verbündete. Nôd’onn! Er kann einen von uns mit seinem Zauber verhext haben! Schnell fasste er einen Entschluss, denn jeder Augenblick zählte.

»Zweihundert kommen mit mir, der Rest hält die Bestien hier in Schach«, befahl er und trabte den Gang entlang.

Sein Ziel war die Hohe Pforte. Er beabsichtigte, die Brücke über den Graben zu zerstören, bevor die Orks dorthin gelangten und sie ausfuhren, um den Geschöpfen des Jenseitigen Landes den Zutritt zu ermöglichen. Seine Wut und sein Hass auf Nôd’onn wuchsen mit jedem Schritt, den er tat.

Das Geborgene Land, unter dem Königinnenreich Weyurn, im Winter des 6234sten Sonnenzyklus

»Braucht er denn keine Pause?«, erkundigte sich Rodario neugierig bei Andôkai. »Er schiebt die beiden Karren nun schon so lange.«

»Djerůn ist Arbeit gewohnt, im Gegensatz zu dir«, entgegnete sie unfreundlich.

Der Mime blickte empört drein und reckte sein Kinn. »Was habe ich denn der ehrenwerten Maga getan, dass Ihr mich ständig …«

Sie wandte sich nach hinten. »Steig ein, Djerůn, da vorn kommt ein abschüssiges Stück.«

Gehorsam schwang sich der gepanzerte Krieger in die hintere Lore und machte sich so klein wie es ging, um niemanden zu verletzen und keinesfalls mit dem Kopf an der Decke hängen zu bleiben.

»Ihr könnt gern versuchen, mich zu ignorieren«, fuhr der Schauspieler beharrlich fort, »doch es wird Euch nichts nutzen. Bedenkt, dass es vielleicht einen schlechten Eindruck auf mich macht, und ich schreibe immerhin das Stück, in dem Ihr auftreten werdet. Versteht Ihr?«

Die Augen der Maga bohrten sich in seine. »Ich werde Djerůn in die Vorstellung schicken. Du wirst an seinem Verhalten erkennen, ob ich mit dem Stück einverstanden bin oder nicht. Sollte er die Axt ziehen, dann lauf.« Rodario hielt ihrem Blick vergebens stand. »Ich habe nichts gegen dich, aber ich kann deine Art nicht ausstehen. Du gibst dich zu affig, das missfällt mir.«

Er verzog die Mundwinkel, seine gute Laune schwand. »Sagt es ruhig, dass Ihr mich nicht als einen echten Mann betrachtet. In Euren Augen muss ein Mann ein Schwert schwingen können, Muskeln haben und zaubern können.«

»Ich entschuldige mich bei dir«, sagte sie spöttisch. »Du verstehst mich besser, als ich annahm. Wie du siehst, erfüllst du keine der drei Kriterien, und daher kannst du auf deine Werberei um meine Gunst verzichten. Sie ist störend, für mich wie für die anderen.«

Wie immer hielt es die Maga nicht für nötig, ihre klare Stimme zu senken. Rodario wurde dunkelrot und setzte zu einer Entgegnung an, als sich die Lore abrupt nach vorn neigte und an Fahrt gewann. Der Inhalt seines Tintenfasses schwappte heraus, lief über das Blatt und seine Kleider. Er schwieg beleidigt.

Tungdil hatte seine Hand um den Bremshebel gelegt und spähte in die Dunkelheit, damit er ein mögliches Hindernis erkannte und das Vehikel notfalls rechzeitig bremste – auch wenn er sich keine Illusionen darüber machte, dass er eine verbogene Schiene sehen könnte. Boïndil, der neben ihm saß, starrte ebenso angespannt nach vorn.

Die Loren fuhren mit großzügigem Abstand zueinander und erreichten bald ihre Höchstgeschwindigkeit. Die Kühle um sie herum wich, und der Fahrtwind trug ihnen den beißenden Gestank von faulen Eiern zu.

»Da vorn ist Licht!«, rief Ingrimmsch plötzlich. »Orangefarbenes Licht.«

Sie schossen aus dem Tunnel und fuhren über eine neuerliche Brücke, die auf Basaltstützen stand und sie über einen riesigen See führte, dessen Grund intensiv leuchtete. Lava kroch am Boden entlang, das kristallklare Wasser kochte und schlug Blasen, der aufsteigende Dampf erhitzte die Luft und verbreitete eine drückende Schwüle, die ihnen den Schweiß aus den Poren trieb; das Atmen fiel ihnen schwer, und der Gestank nach Schwefel machte es nicht leichter.

Die glühende Lava beleuchtete die Wände der unregelmäßig geformten Höhle, deren Durchmesser gut zwei Meilen betrug und die vom See bis zur Decke gewiss fünfhundert Schritt hoch war.

Sie rollten über die lange Brücke. So schön es von oben aussieht, ich bin froh, in den Tunnel zurückzukehren, dachte Tungdil.

Dann hörten sie das Hämmern wieder.

Es begann mit einem einzigen Klopfen, ein durchdringender Laut, der das leise Blubbern und Brodeln übertönte.

Goïmgars Kopf ruckte aufgeregt hin und her, angestrengt versuchte er, die Ursache zu entdecken. »Es sind die Geister unserer Ahnen«, wisperte er. »Ich kenne die Geschichten, die mir meine Urgroßmutter erzählte, von Zwergen, die sich den Gesetzen Vraccas’ nicht beugten und deshalb nach ihrem Tod keinen Eingang in die Schmiede fanden. Sie sind dazu verdammt, in den Stollen zu leben, und lauern den Lebenden auf, um sich an ihnen für ihre Qualen zu rächen.«

»Hast du auch die Geschichten über die Menschen fressenden Orks geglaubt?«, lachte Bavragor ihn aus.

»Ich kann dir sagen, dass sie stimmen«, brummte Boïndil von vorn, und Goïmgar wurde noch kleiner, bis seine Augen knapp über den Rand der Lore schauten. »Vielleicht hatte sie mit dem Spuk auch Recht.«

»Hört auf«, befahl ihnen Tungdil, und da dröhnte das zweite Klopfen durch die natürliche, in rötliches Licht getauchte Halle.

Aber dabei blieb es nicht.

Das Pochen verstärkte sich, wurde schneller, das klirrende Hämmern schwoll zu einem klangvollen Stakkato an. Der Schall reichte aus, die lockeren Steine aus der Decke zu lösen. Kleinere Brocken stürzten nieder, verfehlten die Brücke um wenige Schritt und klatschten in den heißen See.

»Da!«, schrie Goïmgar außer sich vor Furcht. »Bei Vraccas! Die Geister! Sie kommen, uns zu holen und ins Verderben zu reißen!«