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»Ich wollte in einer solchen Ebene nicht leben«, meinte Bavragor zu Balyndis. »Es gibt keinen Schatten, und das Schlimmste ist, dass die Sonne immer da ist. Es wird sicherlich so heiß wie in einem Backofen.«

»Ich habe nichts gegen Hitze, wenn sie von meiner Esse stammt«, sagte sie und ließ ihm den Vortritt ins Wirtshaus.

»Ja. Es gibt nichts Schöneres, als den Hammer auf dem glühenden Eisen tanzen und ihn immer neue Melodien singen zu lassen«, stimmte ihr Tungdil zu. »Ich vermisse meine Schmiede sehr.«

»Du? Ich dachte, du bist ein Vierter?«, wunderte sie sich. »Seid ihr eigentlich nicht die Gemmenschneider?«

»Ha«, machte Goïmgar rechthaberisch. »Eigentlich sind wir das. Er ist ja auch kein …«

»Ich bin ein Vierter, ja, aber ich fühle mich mehr zu dem Handwerk hingezogen, das unser Volk quer durch alle Stämme verbindet«, gestand er.

»Er ist kein Vierter«, vollendete Goïmgar herablassend seinen begonnenen Satz. »Er ist ein Findelzwerg und wuchs bei den Langen auf, bis man ihm den Floh ins Ohr setzte, dass er einer von uns wäre und er Gandogar seinen Titel streitig machen könnte.«

»Aha«, machte sie verwirrt. »Und bei den Menschen hast du das Schmieden für dich entdeckt?!«

»Ich kann mir fast nichts Schöneres vorstellen«, gestand Tungdil, »auch wenn der Schweiß in den Augen brennt, die Arme schwer wie Blei sind und die Funken die Haare versengen.«

Sie lachte, ihre Augen leuchteten. »Ja, das kenne ich.« Balyndis raffte ihr Kettenhemd am rechten Arm hoch und zeigte ihm ein Brandmal. »Schau, das habe ich mir zugezogen, als ich ein Schwert schmieden wollte. Vraccas hat es nicht gefallen, dass ich etwas anderes als eine Axt oder einen Streitkolben aus dem Erz mache, und da sandte er mir die Botschaft durch die Esse. Seitdem habe ich niemals wieder versucht, ein Schwert zu schmieden.«

Voller Begeisterung zog Tungdil seinen linken Handschuh aus und zeigte ihr einen dunkelroten Strich, der in seiner Handfläche verlief. »Hier, von einem Hufeisen«, sagte er. »Es wäre vom Amboss in den Dreck gefallen, und ich fing es auf, ohne lange nachzudenken. Es war das beste Eisen, das ich geschmiedet habe, und ich wollte meine Arbeit nicht ruinieren.«

Seine unvermutete Begeisterung riss die Zwergin mit, sie versanken im Fachsimpeln über die Schmiedekunst und vergaßen das Drumherum, bis Andôkai sich räusperte und sie aus dem Gespräch riss.

»Ihr könnt später weiter reden, zuerst sollten wir uns um die Zimmer kümmern«, schlug sie vor.

Tungdil bemerkte erst jetzt, dass sie in einem großzügig bemessenen Raum standen, der voller Menschen war, die sie neugierig anstarrten. Der riesige Djerůn wirkte wie ein falsch platziertes Standbild, das eher auf den Marktplatz als in die gute Stube eines Wirtshauses gehörte.

Der Wirt überließ ihnen den großen Gemeinschaftsschlafsaal, in dem üblicherweise fahrende Händler nächtigten. Wegen der unsicheren Lage im Geborgenen Land war der meiste Warenaustausch zum Erliegen gekommen, und somit konnten sie es sich für wenig Geld gemütlich machen. Sie bestellten ihr Mahl in ihre Unterkunft, weil keiner von ihnen sonderliche Lust empfand, sich mit den anderen Menschen zu unterhalten.

Bavragor erkannte, dass er bei dem Gespräch über die Kunst des Schmiedens rasch ins Abseits geriet, und daher versuchte er, Balyndis’ Neugier für die Bildhauerei zu wecken, was ihm nur leidlich gelang.

Als er gerade anfing, ein Clanlied der Hammerfäuste zu singen, packte Tungdil das Stück Sigurdazienholz aus, um es näher zu betrachten. Balyndis sah es und wandte sich ihm neugierig zu. Bavragor klappte den Mund zu und grummelte Unverständliches vor sich hin.

»Ist das ein Metall?« Die Zwergin runzelte die Stirn, ihre Augen glitten fasziniert über die Oberfläche. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Im Roten Gebirge gibt es dergleichen nicht.«

Tungdil erklärte ihr in Kürze, um was es sich bei dem Holz handelte, und reichte es ihr. »Und da es die Bäume nicht mehr gibt, ist dies das letzte Stück. Ohne es wird die Feuerklinge nicht entstehen. Nur Gandogar besitzt ein weiteres.«

Ehrfurchtsvoll befühlte sie es, um mehr von ihm zu erfahren. Bavragor blickte neidisch zu.

»Seht, dem Einäugigen fällt gleich sein letztes Auge raus.« Goïmgar lachte lauthals. »Verstehst du es nicht? Du bist für sie langweilig geworden. Du bist ein Steinschläger, du hast nichts mit der Esse zu tun«, wieherte er boshaft. »Du hast die falsche Gabe, um sie für dich gewinnen zu können.« Er stopfte sich eine Pfeife und schwenkte mit dem Mundstück auf Tungdil. »So ist das mit den Hochstaplern, sie bekommen oft, was ihnen nicht zusteht.«

Tungdil wurde rot, teils vor Scham, teils vor Wut. »Ich bin deine ewige Giftzunge leid, Goïmgar!«, sagte er nachdrücklich. »Spürst du nicht, dass sie dir nichts bringt als Verdruss?«

»Im Gegenteil, mir geht es glänzend«, giftete er. »Ihr hackt doch auch auf mir herum.«

»Du hast noch nicht verstanden, dass es um die Rettung des Geborgenen Landes geht und nicht um den Titel des Großkönigs«, unternahm er einen neuerlichen Anlauf, beschloss dann aber, ihm die Meinung zu sagen. »Nein, du willst es nicht verstehen! Deine Rolle gefällt dir!«

»Meine Ansichten sind meine Angelegenheit. Es war nicht mein freier Wille, euch zu begleiten, und daran erinnere ich euch immer wieder gern. Das ist mein Recht.«

»Nein, es ist genug, Goïmgar! Wenn ich noch eine Lästerei aus deinem Mund höre, noch ein einziges Wort, eine böse Bemerkung, dann nähe ich dir eigenhändig die Lippen mit glühendem Draht zusammen«, drohte Tungdil. »Auf deine Hände und deine Kunst sind wir angewiesen, auf deine Gemeinheiten nicht.« Er wandte sich mit blitzenden Augen an Bavragor und Boïndil. »Ihr werdet ihn in Ruhe lassen. Keine Sticheleien mehr, keine Bemerkungen.«

Goïmgar paffte schnell, die blauen Rauchwolken stiegen in die Höhe, dann stand er auf und ging zu Tür. »Keine Sorge, ich werde nicht noch einmal weglaufen«, sagte er herablassend, als er das besorgte Gesicht Tungdils sah. »Ich gehe die Straße auf und ab, um meine Lästereien, meine Gemeinheiten, meine bösen Bemerkungen aufzusagen, und keiner von euch wird mich daran hindern.«

Er ging hinaus und gab sich dabei keine Mühe, die Tür leise zu schließen.

»Möchte jemand das köstliche Stück Wurst?«, fragte Rodario vorsichtig in die gespannte Stille hinein. »Ich habe noch Hunger, wollte aber so höflich sein, erst die Meinungen der …« Er verstummte, weil ihm niemand antwortete, was er als Erlaubnis verstand, sich die Reste nehmen und genüsslich verspeisen zu dürfen. Danach wusch er sich mit dem warmen Wasser und der Seife, die ihnen der Wirt gebracht hatte.

Boïndil bedachte ihn mit einem fassungslosen Blick. Er seufzte leise und machte deutlich, was er von der Angelegenheit hielt. Dann schaute er an Djerůn hinauf, der sich auf den Boden gesetzt hatte, während Andôkai einen prüfenden Blick aus dem Fenster warf und die groben Vorhänge zuzog. Sie hatte ihren Mantel abgelegt. »Sag mal, Langer, hast du auch so Lust, ein Dutzend Schweineschnauzen zu töten?«, wollte er von dem Krieger wissen. »Sollten wir bald auf welche treffen, weißt du ja: Die ersten zehn gehören mir.«

Wie immer entgegnete der Krieger nichts.

Ingrimmsch zuckte mit den Achseln, öffnete ein Fenster und kletterte hinaus, um vom Dach aus nach Goïmgar zu sehen. »Er läuft wirklich in der Gasse auf und ab«, meldete er nach drinnen.

»Ruf ihn zurück«, bat ihn Tungdil, der über der Karte hockte.

Er traute der vermeintlichen Sicherheit der Stadtmauern nicht. Die Albae haben uns schon ein paarmal bewiesen, dass sie sich durch solche Dinge nicht aufhalten lassen. Wenn sie Späher in der Nähe oder sogar in der Stadt hatten, wüssten sie längst, dass eine merkwürdig anzusehende Gruppe in Grüschacker angelangt war. Sie werden kommen und nicht eher ruhen, bis sie ihren Auftrag erledigt haben.