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»Ho, und wie es uns beinahe erwischt hätte! Der Mörder hat sich als einer unseres Volkes getarnt«, ärgerte sich Ingrimmsch und begann zu packen. »Dafür werde ich ihn in kleine Scheibchen schlagen, wenn ich ihn in die Finger bekomme.«

»Ein Kind kann es unmöglich gewesen sein, dazu war er zu flink«, sagte Balyndis, während sie sich wie die anderen abreisebereit machte. »Ein Gnom oder ein Kobold …«

Tungdil klopfte sich gegen den Kopf »Swerd! Der Handlanger Bislipurs! Er ist ein Gnom!« Sie eilten zur Tür und die Treppe hinab, während er weitersprach. »Er muss uns gefolgt sein und auf eine Gelegenheit gewartet haben, uns auf Geheiß seines Herrn richtig in Schwierigkeiten zu bringen.«

»Ein zäher Scheißer«, zollte ihm Bavragor Respekt, den Rucksack fester verzurrend. »Seine Nase muss verdammt gut sein.«

»Unsinn, es war ein Leichtes, uns zu folgen«, hielt Boïndil dagegen und sicherte den Schankraum.

»So leicht auch wieder nicht. Immerhin muss er sich irgendwie bei den Ersten eingeschlichen haben und bis zu unseren Tunnels gelangt sein«, meinte Balyndis beeindruckt.

»Die leere Lore mit der Schuhschnalle, erinnert ihr euch?« Tungdil pirschte zur Tür, um einen vorsichtigen Blick hinauszuwerfen. »Die Schnalle kam mir gleich so bekannt vor.« Er huschte hinaus, Boïndil blieb an seiner Seite. »Ihr könnt kommen, sie suchen in einer anderen Gasse nach uns«, rief er.

»Und nicht rennen«, schärfte Ingrimmsch Goïmgar ein. »Wer nachts rennt, ist verdächtig.«

Sie schlenderten die Straßen von Grüschacker entlang, als hätten sie nichts Besseres zu tun, unterhielten sich leise und erweckten für einen zufälligen Beobachter nicht den Eindruck, etwas Verbotenes zu tun oder flüchtige Verdächtige zu sein; Djerůn hielt sich im Schatten, um so unsichtbar wie möglich zu sein.

Kurz vor dem Tor kam ihnen eine Abteilung Gardisten entgegen, die sich auf ihrer gewöhnlichen Patrouille befand.

»Nicht die Nerven verlieren«, raunte Boïndil.

»Je öfter du es sagst, umso nervöser machst du ihn«, zischte Balyndis, der das Zittern Goïmgars nicht entgangen war.

Die beiden Gruppen näherten sich und befanden sich auf gleicher Höhe, als eine dünne Stimme laut schrie: »Haltet sie! Sie sind gesuchte Mörder! Haltet sie! Wachen, kommt her! Da laufen sie!«

»Ich werde Swerd seinen kleinen Hals zudrücken«, grollte Ingrimmsch und zog seine Beile, um sich gegen die Gardisten zu verteidigen, die verunsichert zu ihrem Anführer blickten.

Da erschien der Hauptmann des ersten Suchkommandos und brüllte Befehle, alle festzusetzen. Kerzen flackerten hinter den Scheiben der Straße auf, Läden wurden geöffnet, die Stadt erwachte mitten in der Nacht.

»Wir haben keine Zeit, ihnen die Sache zu erklären«, stellte Andôkai fest und zog ihr Schwert. »Sie würden uns nicht glauben und in den Kerkern verrotten lassen.«

»Was sollen wir tun?«, wollte Bavragor wissen und hielt den Stiel seines Hammers umschlossen, bereit, sich den Weg durchs Tor freizukämpfen.

»Ich trenne mich von euch, um sie zu verwirren. Wir treffen uns auf der anderen Seite der Mauer«, verabschiedete sich Rodario hastig, nahm seinen wertvollen Seesack mit den Requisiten und Kostümen und enteilte in ein Gässchen, ehe sie von den Wachen vollständig umringt waren. »Ich stehe doch nur im Weg herum.«

»Schauspieler«, stöhnte Narmora grinsend und zückte ihre Waffen.

»Tötet nur, wenn es nicht anders geht«, gab Tungdil die Parole aus und hob seine Axt mit der stumpfen, abgeflachten Seite voran. »Wir verlassen Grüschacker. Mit oder ohne Erlaubnis.«

Tungdil merkte, dass die Gardisten wenig Kampferfahrung besaßen. Wer tagtäglich Diebe hetzte oder Betrunkene einsperrte, hatte keinerlei Vorstellung, was es bedeutete, sich gegen entschlossene Zwerge, eine Maga, eine Halbalbin und einen riesigen Krieger zu stellen.

Furgas als Kämpfer zu zählen wäre übertrieben gewesen, aber er bemühte sich redlich, wenigstens für Ablenkung zu sorgen, um Narmora einen ungehinderten Schlag zu ermöglichen. Goïmgar erhielt die verbliebenen Barren zur Aufsicht.

Nach einem eher kurzen Gefecht gelangten sie vor das Tor, wo Rodario stand und sich mit einem Wächter unterhielt. Der war auf diese Weise genügend abgelenkt, dass sich die Gruppe nähern konnte, ohne dass er Alarm schlug, und als die Maga neben ihm auftauchte, war es zu spät.

»Du wirst uns hinauslassen und niemandem sagen, dass du uns gesehen hast«, sprach Andôkai mit dunkler Stimme zu ihm, und tatsächlich machte sich der Gardist wie im Rausch daran, das Tor zu öffnen.

»Na, wie war ich? Habe ich seine Sinne nicht herrlich in meine Worte verstrickt und Euch die Gelegenheit gegeben, ungesehen heranzukommen? Die Magie ist schon eine sehr praktische Sache«, befand Rodario. »Wenn Ihr bei unserem Stück vielleicht hinter der Bühne ein wenig zaubern könntet, wäre die Aufführung nicht zu imitieren. Hättet Ihr Interesse an so …«

»Halt den Schnabel«, sagte Furgas kopfschüttelnd.

»Fragen wird man wohl noch dürfen. Ich mache mir lediglich Gedanken um die Zeit nach unserem großen Abenteuer.«

Bavragor lachte. »Wenn du es lebend überstehst.«

Die ratternden Geräusche, welche die Winde für das Gatter verursachte, weckte neuerliche Wächter, um die sich Boïndil mit Hingabe kümmerte. Zwar schlug er nur mit den stumpfen Seiten seiner Beile zu, dennoch hörte Tungdil es mehr als einmal krachen.

Er kann sich kaum zurückhalten. Beunruhigt betrachtete er das blutüberströmte und merkwürdig deformierte Gesicht eines Gardisten, der nach einem Hieb Ingrimmschs zuckend zusammenbrach. Damit gab es wenigstens einen Toten, und sie wurden wegen Mordes gesucht.

Währenddessen hob sich das Gatter, doch Swerd verfolgte im Verborgenen, was sie taten, und hielt sich bereit, um ihnen die Stadtwache ein weiteres Mal auf den Hals zu hetzen. »Hier, am Tor!

Da sind sie! Die Mörder flüchten!«, schrie er laut aus dem Schatten einer Seitengasse.

Sein Gezeter riss den Letzten aus dem Schlummer, er kreischte alles zusammen, was Beine hatte und eine Waffe halten konnte, sodass die ersten mutigen Angehörigen der Bürgerwehr mit hastig übergeworfenen Kleidern aus den Häusern liefen.

»Maga, tut etwas!«, rief Tungdil, der ein Blutvergießen sondergleichen fürchtete, sollte sich Boïndil in seinem Kampfrausch gegen die schlecht gerüsteten Bewohner Grüschackers wenden. »Es sind zu viele!«

Dieses Mal zauberte sie nicht. »Djerůn«, sagte Andôkai und fügte unverständliche Silben hinzu.

Der Krieger trat nach vorn. Die zuckenden Fackeln der Menschen beleuchteten seine Rüstung und hauchten der unheimlichen Fratze auf dem Visier Leben ein. Ein Laut drang hinter dem Helm hervor, den Tungdil noch niemals in seinem Leben gehört hatte. Es war eine Mischung aus einem reptilienhaften Fauchen und dem dumpfen, tiefen Grollen eines Erdbebens, voller Angriffslust, voller Gefahr und voller Warnung, nicht näher zu kommen. Seine Nackenhaare richteten sich auf, und Angst kroch in seinen Körper; unwillkürlich wich er vor dem Wesen zurück.

Hinter dem Sehschlitz der Maske steigerte sich das violette Schimmern und wurde zu einem Leuchten, das sogar das Licht der Fackeln überdeckte. Die entsetzten Gesichter der Menschen badeten in heliotroper Helligkeit, die sich bis zur Schmerzgrenze steigerte.

Djerůn stieß den Ton erneut hervor, noch kräftiger und Furcht einflößender als beim ersten Mal, und die Bürger, sogar die Wachen, wandten sich voller Furcht zur Flucht und rannten in die schützenden Gassen und Straßen zurück.

Das Gatter hatte sich weit genug geöffnet. »Wir gehen«, befahl Tungdil stockend und noch immer beeindruckt von Djerůns Stimme. Falls es seine Stimme war.

Sie liefen hinaus in die Nacht, folgten dem verschneiten Weg und vergewisserten sich immer wieder, dass ihnen niemand folgte. Der Auftritt des riesigen Kriegers musste die Städter überzeugt haben, von einer Jagd abzusehen.

Tungdils Neugier, was sich in dem Kleid aus Eisen und Stahl verbarg, erhielt neue Nahrung, obwohl er sich nicht mehr ganz sicher war, es wirklich wissen zu wollen. Ein Mensch steckt jedenfalls nicht darin.