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Tungdil sagte einfach nichts mehr und hoffte, dass Rodario verschwand; er stapfte energisch durch den Schnee und betrachtete die Karte, um sich zu orientieren.

»Schön, dann nehme ich einfach an, es ist eine Ausgeburt Tions.« Rodario sah sehr zufrieden aus und steckte die Hände wieder in die Taschen des Pelzmantels. »Das verleiht dem Stück zusätzliche Dramatik. Meine Güte, es wird brillant, unerreicht! Das ganze Geborgene Land wird kommen, um sich unsere Aufführung anzusehen.« Er fluchte laut. »Wenn es nur nicht so kalt wäre, dass die Tinte gefriert. Ich werde alles vergessen, bis wir wieder zu Hause sind.«

»Trage das Fass am Körper«, riet ihm der Zwerg. »Damit hältst du es warm und dürftest schreiben können.«

Rodario versetzte ihm einen freundschaftlichen Schubs. »Ein heller Verstand lebt unter deinen vielen Haaren, mein kleiner Freund. Nicht, dass ich nicht gerade eben selbst darauf gekommen wäre, dennoch meinen herzlichen Dank.«

Sie liefen über eine verschneite Straße, auf der sich kein einziger Fußabdruck fand. Der Winter und die Orks sorgten dafür, dass die Bewohner Tabaîns in ihren warmen Häusern blieben und sich verbarrikadierten.

In dem flachen Land sah man Angreifer auf riesige Entfernungen nahen. Die Spähtürme erreichten bei klarem Wetter Ausblicke von einhundert Meilen, aber die Vorwarnung brachte in diesem Fall nichts. Gegen die Orks aus dem Norden half nur ein gut geführtes Schwert, und daran mangelte es derzeit an allen Ecken und Enden.

Tungdil verglich ihre Position mit dem Standort auf der Landkarte. Sie kamen den alten Grenzen des Toten Landes immer näher. Es ist sicherlich weiter vorgedrungen. Der Winter macht es unmöglich herauszufinden, wie weit sein Einfluss reicht.

»Orks«, rief Boïndil nach hinten. »Etwa zwanzig Meilen westlich von uns. Sie … kehren um und ziehen nach Osten«, wunderte er sich. »Sie marschieren schnell. Aber wohin wollen sie nur? Suchen sie uns?«

Bavragor machte sie auf das Gehöft aufmerksam, das sich auf der ursprünglichen Route befunden hatte. Für gewöhnliche Augen wäre es nicht zu erkennen gewesen, aber seine Sehkraft ermöglichte es ihm. »Das wäre ihre nächste sichere Beute gewesen. Sie haben es nicht angerührt.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn; sein Gesicht hatte eine intensive rötliche Färbung angenommen.

»Ist mit dir alles in Ordnung?«, erkundigte sich Balyndis. »Du siehst aus, als hättest du Fieber.«

»Wundbrand«, verbesserte Ingrimmsch. »Kann es sein, dass der Hokuspokus doch nicht so wirkte, wie er sollte?«

Andôkai ließ es mit dem Vorwurf nicht auf sich beruhen. Sie ging zum Steinmetzen und bat ihn, den Nacken zu beugen, um die Wunde zu betrachten, Boïndil stand sofort daneben. Beide kamen zur gleichen Ansicht.

»Die Stelle ist sauber verheilt«, bescheinigte er ihr, »daran gibt es nichts zu rütteln.«

»Es wird der Blutverlust sein«, versuchte Bavragor die allgemeine Sorge um ihn, die ihm sichtlich unangenehm war, zu zerstreuen, doch die resolute Schmiedin zog einen Handschuh aus und legte die Linke auf seine Stirn.

»Bei Vraccas! Darauf könnte ich ein Hufeisen schmieden, so heiß ist sie!«, entfuhr es ihr besorgt.

»Bei seinem Dickschädel müsste es auch gelingen«, neckte ihn Tungdil. »Unser Hammerfaust wird so leicht nicht umgeworfen.«

»Er hat Fieber. Hohes Fieber. Es kann auch eine Erkältung sein«, warnte sie. »Wir müssen uns eine Unterkunft suchen, um es zu senken, sonst kann es eine Gefahr für sein Leben werden.«

»Unsinn«, trotzte Bavragor dem Ratschlag der Zwergin. »Ich bin …« Er fing an zu husten und wollte sich fast nicht mehr beruhigen; der Anfall schüttelte ihn durch, dass er einknickte. Tungdil stützte ihn, damit er nicht in den Schnee fiel.

»Ha, eine Erkältung.« Balyndis schaute sich um. »Wir müssen uns einen warmen Platz für ihn suchen.«

Tungdil nickte. »Das nächste Gehöft wird uns aufnehmen. Tot nützt du uns nichts, alter Steinmetz.«

»Eine Erkältung«, gluckste Goïmgar schadenfroh. »Wer von uns beiden ist nun der Schwächere? Ich mag nicht so breit gebaut sein, aber ich verkrafte die Strapazen besser als du.« Man sah und hörte seine Genugtuung, endlich einmal nicht der Unterlegene zu sein. Hoch erhobenen Hauptes schritt er an dem Kranken vorüber, ein Lächeln auf den Lippen, wofür er von Furgas einen Schneeball ins Gesicht bekam.

Sie wurden enttäuscht; auf ihrem Weg zum Grauen Gebirge gab es weder einen Hof noch ein Dorf, und einen Umweg lehnte Bavragor ab. Daher unterbrachen sie ihre Wanderung nicht mehr, sondern liefen ohne längere Rast, um schnell an den nächsten Tunneleinstieg zu gelangen.

Als sie endlich die Stelle erreichten, erlebten sie eine böse Überraschung. Der Schacht war zu einem mit Eis gefüllten Tümpel geworden.

»Was soll’s. Laufen wir eben die restlichen Meilen«, verkündete Bavragor, der sich mühte, trotz seines angeschlagenen Zustandes frisch zu wirken und seine Schwäche zu überspielen. Aber sein hochrotes Antlitz und die dicken Schweißperlen, die trotz der Kälte unter seinem Helmrand hervorquollen, straften ihn Lügen. »Ich kann das Graue Gebirge schon sehen.«

»Wir sehen das Gebirge, seit wir in Tabaîn sind«, meinte Goïmgar wenig erfreut darüber, noch länger an der Oberfläche laufen zu müssen. »Wir werden noch alle schneeblind werden, wenn es so weitergeht.«

Schlecht gelaunt stapfte er voran, und die Gefährten folgten ihm, bis sie gegen Abend doch an eine verlassene Scheune kamen, in der ein Bauer Stroh eingelagert hatte.

Sie machten es sich darin gemütlich und entzündeten vorsichtig ein Feuer. Bavragor legten sie nahe an die Flammen und begruben ihn mit drei Decken, damit er das Fieber und die Erkältung ausschwitzte. Rodario rutschte ebenfalls nahe ans Feuer, nur Djerůn wachte am Eingang und erlaubte es den anderen, sich um den Erkrankten zu kümmern. Sie ließen sich um ihn herum nieder.

»Es ist nichts.« Er hustete und spie aus, und ein großer Brocken geronnenes Blut flog heraus. Sein Atem ging pfeifend, er ächzte mehr, als dass er Luft einsog, und sein Zustand verschlechterte sich rapide. Die Wärme machte es wohl nur schlimmer. »Gebt mir einen Schluck Branntwein, dann geht es wieder.«

»Das ist keine Erkältung«, sagte Boïndil überzeugt und stand auf. »Es muss Wundbrand sein. Er kann sich auch unter der Haut ausbreiten, obwohl die Verletzung schon lange verheilt ist.«

»Nein. Ich habe die Stelle sauber verwachsen lassen«, widersprach Andôkai gereizt.

Tungdil beschlich ein übler Verdacht. Er erhob sich ebenfalls, ging zu Goïmgar und nahm sich den Schild, um die Einschlagstelle des Bolzens genau zu betrachten. Ringsherum entdeckte er leichte Verfärbungen und eine gefrorene klare Flüssigkeit, die zuvor weder ihm noch Goïmgar aufgefallen war. Das konnte nur Schlechtes bedeuten. Was immer sich an der Spitze befunden hatte, es war am Metall haften geblieben und vereist.

Vraccas, beschütze ihn! »Vermag Eure Magie etwas gegen Gift auszurichten?«, fragte er Andôkai heiser. »Für mich sieht es danach aus, als hätte sich Swerd nicht allein auf seine Treffkünste verlassen.«

»Gift«, hustete Bavragor und musste grinsen. Dabei sahen sie alle, dass seine Zähne voller Blut waren, es lief am Zahnfleisch herab und färbte sie. »Seht ihr?! Keine Erkältung. Um was wetten wir, Goïmgar, dass du schon lange tot gewesen wärst? Der Branntwein und das Bier haben mich zäh gemacht.«

Die Maga schloss die Augen. »Nein, ich kann nichts gegen Gift ausrichten. Es ist nicht … meine Art von Zauberkunst«, sagte sie leise und entschuldigend zugleich. »Zumal mich seine Heilung stark geschwächt hat. Ich trage kaum mehr Magie in mir.«

Eine fürchterliche Stille senkte sich auf die Gruppe herab. Jeder ahnte, was es für den Zustand des einäugigen Zwerges bedeutete. Balyndis fasste die schwielige, rissige Hand und drückte sie aufmunternd, die Sorge schnürte ihre Kehle zu.