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Doch auch sein Einsatz vermochte immer weniger auszurichten. Je länger der Kampf dauerte, umso mehr gewannen die Angreifer die Oberhand. Nur Djerůn und den kaum zu überwindenden Fünften war es zu verdanken, dass sie das inzwischen zu einem Drittel geöffnete Tor überhaupt noch gegen die Horden hielten. Die Zeit arbeitete gegen sie.

Giselbart erschien an Tungdils Seite. »Ihr könnt gehen, die Intarsien der Feuerklinge sind erkaltet genug.« Er hob seine Axt. »Wir halten sie so lange auf, bis ihr weit genug in den Abzug gestiegen seid, danach schließen wir die Abzugsklappen und zerstören den Mechanismus. Das sollte ausreichen, um euch einen entsprechenden Vorsprung zu verschaffen. Bis sie die Klappen von Hand geöffnet haben, werden Sonnenumläufe vergehen.«

Er nickte und befahl seinen Freunden den Rückzug.

Der fertig gestellte Axtkopf lag auf dem großen Amboss und leuchtete im Schein von Drachenbrodem geheimnisvoll. Die Diamanten funkelten, die Einlegearbeiten und Runen schimmerten warm und pulsierten beseelt vom Feuer der Esse.

»Seht, was wir mit dem Segen von Vraccas möglich gemacht haben.« Voller Respekt betrachtete Tungdil das gemeinsame Werk.

»Und nun vollenden wir es«, sagte er feierlich zu Balyndis, die den Griff nahm und ihn in die unterarmlange geschlossene Halterung schob. Ihr Gesicht wurde bleich.

»Vraccas stehe uns bei, es ist zu klein«, sagte sie mit belegter Stimme. »Wir haben zu viel abgeschnitten, das Holz wackelt, es passt nicht! Beim ersten Schlag fliegt der Kopf davon. Ich verstehe das nicht, wir haben es genau …«

Nacheinander leuchteten die Runen auf. Stiel und Stahl erstrahlten, dann verdickte sich das Holz von selbst, es knackte und knirschte und presste sich in den Hohlraum, bis es mit dem Eisenkopf eine Einheit bildete.

Tungdil nahm dies als Zeichen, dass sie ihre Aufgabe zur Zufriedenheit ihres Gottes bewältigt hatten. Seine Finger glitten über das Metall, es war ein gutes Gefühl. Nur widerstrebend reichte er die Feuerklinge an Narmora weiter; am liebsten hätte er die Axt selbst geführt.

Giselbart griff nach der Waffe. »Darf ich?«, fragte er mit bebender Stimme.

»Sicher. Ohne euch wäre sie nicht geschmiedet worden.«

Der Stammvater der Fünften hielt sie zunächst nur ehrfürchtig, ehe er einige Probeschwünge damit vollführte und sie feierlich der Halbalbin übergab.

»Nun ergibt es einen Sinn … all die Zyklen des Ausharrens, des Kampfes, die Qualen des Untodes«, sprach er bewegt. »Vraccas sei Dank und Ehre.« Er reichte ihnen allen die Hand, Tungdils Finger hielt er etwas länger. »Besiedelt die Hallen neu, wenn ihr das Böse aus dem Geborgenen Land vertrieben habt. Lasst das Fünfte Zwergenreich nicht länger von Bestien beherrscht sein.« Seine Augen wurden durchdringend. »Versprich es mir, Tungdil Goldhand!«

Er konnte nicht anders, er nickte, gebannt von den erschreckend fanatischen Augen des Stammvaters der Fünften.

Giselbart nahm seinen diamantbesetzten Waffengurt ab und legte ihn dem Zwerg um. »Behalte ihn als Andenken an die Fünften und verbreite die Kunde, dass wir unser Reich bis zum letzten Mann verteidigt haben, über unseren Tod hinaus.«

Tungdil schluckte. »Dein Geschenk ist zu viel der Ehre.«

»Es gebührt dir, nach allem, was ich hörte und sah, wie keinem anderen.« Sie umarmten sich wie Freunde, dann stand der Abschied bevor.

»Wir gehen«, wies Tungdil sie an. Er schaute zu den schmalen Treppen, die nach oben zum Eingang des Schlotes führten und in der Dunkelheit verschwanden, und danach zum Tor, wo die letzten Fünften einen harten Kampf gegen die Orks fochten.

»Und was wird aus euch?«, wollte Boïndil von Giselbart wissen.

Der reckte sich und schaute zum Portal. »Wir bleiben und verteidigen eure Flucht, bis sie uns überwältigen und endlich die Köpfe abschlagen, damit unser Dasein beendet ist«, verkündete er voller Stolz. »Geht! Die Stufen werden im oberen Teil des Kamins schmaler, Djerůn wird aufpassen müssen, damit er nicht fehltritt und stürzt.«

Narmora setzte sich an die Spitze, um mit ihrer Geschicklichkeit die Festigkeit der Stufen zu prüfen, danach folgten die Menschen und Zwerge; der Krieger bildete den Schluss. Nur Bavragor stand neben der Esse, einen neuen Kriegshammer gepackt, und rührte sich nicht.

»Kommst du?«, bat ihn Tungdil behutsam.

Er schüttelte den Kopf. »Ich sagte, dass ich auszog, um niemals mehr zurückzukehren und ein ruhmreiches Ende zu finden. Es ist so weit. Ich bin dort angekommen, wo ich hinwollte.« Er blieb völlig gelassen; die Unruhe, an der er seit seiner Verwandlung in einen Untoten litt, fiel von ihm ab. Sein rotbraunes Auge richtete sich auf Tungdil. »Ich danke dir, dass du mich mitgenommen hast und an dem Unterfangen teilhaben ließest.«

»Ich gab dir mein Wort.«

»Du hättest es jederzeit zurückziehen können, niemand hätte es dir übel genommen, wenn du den singenden Säufer abgelehnt hättest, doch du tatest es nicht.« Er kam näher und blickte ihm ins Gesicht. »Ich habe mein Lebenswerk mit einer Arbeit abgeschlossen, die von keinem anderen übertroffen werden kann. Jedenfalls hoffe ich, dass man keine zweite Feuerklinge mehr im Geborgenen Land benötigen wird.«

»Du lässt dich nicht mehr umstimmen, Freund?«

Bavragor lachte, es war ein freundlicher Klang, in dem die alte Heiterkeit seiner Lieder wohnte. »Zwerg sein und sich umstimmen lassen, passt das zusammen? Meine Entscheidung fiel vor etlichen Umläufen.« Er nickte in Richtung des Tores. »Ich muss zu ihnen. Mein Tod vollzieht sich in der Gemeinsamkeit mit den Ahnen der Fünften, den Ehrwürdigsten und Ältesten unseres Volkes. Was kann ich noch mehr verlangen?« Seine schwieligen Finger schlossen sich um Tungdils. »Du bist ein guter Zwerg, nur darauf kommt es an, nicht auf die Abstammung. Vergiss mich nicht. Und den kleinen Schimmerbart auch nicht.«

Sie umarmten sich, und Tungdil schämte sich seiner Tränen nicht. Er ließ einen weiteren Freund zurück, den er in diesem Leben nicht mehr sehen würde.

»Wie könnte ich? Nein, Bavragor Hammerfaust, ich werde dich nicht vergessen.« Er bedachte das Grab Goïmgars mit einem langen Blick. »Ich werde keinen von euch vergessen.«

Der Steinmetz lächelte ihm zu und stapfte zum Tor, um den Fünften beizustehen. Nach zwei Schritten blieb er noch einmal stehen, sein Auge suchte Ingrimmsch. »Richte Boïndil aus, dass ich ihm seine Tat vergebe«, sagte er leise.

Tungdil sah ihn überrascht an. »Er wird es mir nicht glauben, wenn ich es ihm einfach nur so sage. Er wird denken, ich hätte es mir ausgedacht, um seinem Gewissen Erleichterung zu verschaffen.«

»Dann sage ihm, ich hätte verstanden, dass er meine Schwester ebenso sehr liebte wie ich. Ich habe es gehasst, sie zu verlieren. Da ich den Umstand nicht hassen konnte, hasste ich den, der die Axt führte. Trauer und Schmerz wurden durch Hass verdrängt, so war es leichter zu leben. Ich wusste immer, dass es ein Unfall war und dass er sie geliebt hat.« Er lachte leise. »Der Tod scheint weiser zu machen, Tungdil. Vraccas sei mit euch und vor allem mit dir.«

Mit einem Lied auf den Lippen stürzte er sich gegen die Übermacht; sein Streithammer zerschmetterte das Knie eines Orks und kurz darauf dessen Schädel, und sein Gesang riss dabei nicht ab.

Tungdil schluckte und folgte den Gefährten, die sich inzwischen schon weit nach oben gearbeitet hatte. Narmora schickte sich soeben an, den Schlot zu betreten.

Die Lieder Bavragors begleiteten sie lange bei ihrem Aufstieg in den dunklen Schacht hinauf, bis Giselbart die Vorrichtungen in Gang setzte und sich die schweren Stahlplatten vor den Abzug schoben. Danach ertönte ein klirrendes Geräusch, Ketten rasselten und wickelten sich ab, der Mechanismus war zerstört.

Als das Rasseln endete, hörten sie Bavragor immer noch, viel gedämpfter und leiser, doch er war noch da.

Sie schwiegen und lauschten kletternd seinen Gesängen, die vom Heldentum der Zwerge und der Glorie des Krieges gegen die Orks handelten. Er verhöhnte die Übermacht, er reizte und provozierte sie, lockte sie in den Tod.