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Rodario stieg von seinen improvisierten Stelzen und legte die Robe ab, unter der er eine Rüstung trug. Eilig verstaute er die Utensilien in seinem Rucksack.

Balyndis hatte das Treiben vor den Hängen des Tafelberges beobachtet, wo nun eine dicke Staubwolke aufstieg. »Es kommen noch mehr«, alarmierte sie die Übrigen. »Wir müssen uns beeilen! Bei Vraccas, will es denn gar kein Ende nehmen?«

Tungdil beschäftigte angesichts der Vielzahl der Bestien eine ganz andere Frage. Es müssten alle Zwergenstämme und Heere des Geborgenen Landes gegen sie antreten, um sie zu vernichten. Er stellte sich neben die Schmiedin und fasste ihre Hand. Die Berührung gab ihm neue Zuversicht und Kraft. »Erst Nôd’onn, danach sehen wir weiter«, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.

Sie drehten sich um, die Waffen schlagbereit erhoben, und bereiteten sich vor, die Orks vor ihnen im Tunnel von hinten anzugreifen, worauf sich vor allem Boïndil freute.

»Oink, oink, oink«, raunte er, die Augen glommen, und der Kriegswahn nahm von seinem Verstand Besitz. »So liebe ich es. Der Tunnel schmal, der Feinde viel. Ho, Vraccas, die ersten zehn sind für meinen Bruder, der Rest ist für dich.«

»Was auch geschieht, Narmora muss beschützt werden, bis wir zu Nôd’onn gelangen«, schwor ihr Anführer sie ein. »Alles Weitere muss sie erledigen.«

Gandogar packte seine Doppelklingenaxt. »Notfalls gebe ich mein Leben für sie. Der Tod des Magus ist das Wichtigste für das Geborgenen Land.«

Rodario hielt sich vornehm zurück und machte keinen Hehl daraus, dass er mehr in der hinteren Reihe zu finden sein würde. Eilends warf er einen Blick hinaus, während seine Gefährten auf die Orks zuliefen.

»Wartet mal!« Er betrachtete die Banner der aus Osten anrückenden Streitmacht. »Das sind die Farben von … Ido?«, wunderte er sich laut. »Ist Prinz Mallen größenwahnsinnig geworden?« Er erkannte immer mehr Flaggen in dem eindrucksvollen Heer. Das sind Streiter aller Königreiche des Geborgenen Landes!

Voller Erstaunen beobachtete er, dass sich die ersten Reihen der anrückenden Streitmacht gegen die überrumpelten Nachschubtruppen Nôd’onns warfen und sie niedermachten.

Es dauerte, bis die Bestien begriffen, dass sich kein Freund näherte, sondern eine zweite Front entstanden war. Ganz in der Nähe verdunkelten Pfeilschauer den Himmel; zu hunderten stiegen die Geschosse in den Himmel, glitzerten in der Sonne und stürzten Tod bringend in die Reihen der Bestien. Noch mehr unerwartete Gegner stellten sich den Horden des Bösen entgegen. Brandbomben flogen surrend durch die Luft, barsten inmitten der Orks und hüllten sie in Feuer. Panik brach unter den Bestien aus.

»Die Elben! Hervorragend«, jubelte Rodario und rief seinen Kampfgefährten die Neuigkeit zu.

Gandogar grinste. »Die Menschen und die Spitzohren scheinen ihren Mut wieder gefunden zu haben.«

»Lasst uns endlich anfangen«, drängte es Boïndil, das Blut der Orks spritzen zu lassen. »Irgendwo vor uns wartet Nôd’onn darauf, von uns vernichtet zu werden.«

Zuversichtlich stürmten sie los.

Die Gegner zu besiegen stellte sich als sehr einfach heraus. Die Orks leisteten der plötzlich erfolgten Attacke kaum Widerstand, und ehe sie sich organisieren konnten, starben vierzig Ungeheuer. Die Freunde standen mitten auf einer Gangkreuzung, von Zwergen war nichts zu sehen.

»Ho, das war ein Spaß! Wohin müssen wir, Tungdil?«, keuchte Ingrimmsch glücklich. »Du kennst dich aus, wohin wird der Magus wohl gegangen sein?«

»Vermutlich wird er seine Truppen dort unterstützen, wo sie aus eigener Kraft nicht weiterkommen«, überlegte er fieberhaft und hoffte, dass die Wände des verfluchten Schwarzjochs wieder zu ihm sprächen, doch es tat sich nichts. »Mir will kein bestimmter Ort einfallen«, stieß er verzweifelt hervor. »Es ist …«

Ein dumpfes Grollen brachte den Fels unter ihren Füßen zum Beben. Die Wände des linken Ganges erhellten sich und spiegelten das Feuer, das am Ende des Stollens aufloderte und wieder erlosch.

Wortlos rannten sie in den Tunnel. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft; der fette, schwarze Qualm brannte in ihren Augen und brachte sie zum Husten.

Sie gelangten in die erste von drei aufeinander folgenden Hallen. Die Räume wurden nur von grob geschliffenen, dünnen Steinwänden getrennt, die mit aneinander gereihten, neun Schritt hohen Bogendurchgängen versehen waren und es ihnen ermöglichten, von der ersten bis in die letzte Halle zu sehen.

Überall schlugen sich die Zwerge mit den Eindringlingen. Sie verteidigten ein breites Tor an der Stirnseite der letzten Halle, von wo das Klirren am lautesten ertönte. Die zahlreichen Clanbanner der Zweiten und Vierten wehten neben denen der Ersten.

Nachlässig gearbeitete schwarze Säulen trugen die fünfzig Schritt hohe Decke; brüchige Wendeltreppen ohne sicherndes Geländer wanden sich um die Stützen herum und führten nach oben. Etwa von der Mitte der Pfeiler spannten sich Brücken quer durch den Raum, auf denen ebenfalls hart gekämpft wurde.

»Weiter. Er muss hier sein«, meinte Tungdil entschlossen.

Zunächst fielen sie in dem Getümmel nicht besonders auf, doch das änderte sich, als sie die hintere Halle erreichten und Nôd’onn entdeckten. Er lief hoch oben auf einer Brücke entlang und schaute auf die Verteidiger herab, die sich immer weiter zum Tor zurückzogen.

»Da! Er will sie sicherlich mit seiner Magie angreifen.« Boïndil setzte sich an die Spitze und stürmte auf die Säule zu, deren Treppen sie auf die Brücke brachten. Doch das Schicksal hatte für sie eine andere Auseinandersetzung vorgesehen.

Ein schwarzer Pfeil sirrte von rechts heran. Die Spitze bohrte sich in Tungdils Oberschenkel, das nachfolgende Brennen ließ ihn stöhnen.

»Euer aller Tod heißt Sinthoras«, spie der Alb ihnen entgegen. Er führte eine Horde von fünfzig kräftigen Orks an, und seine Finger legten bereits das nächste Geschoss auf die Sehne. »Ich werde euere Leben nehmen, und das Land raubt euch die Seelen.«

Mir raubt es sie gewiss nicht. Der zweite Pfeil flog heran. Tungdil blieb gerade noch Zeit, seinen Schild hochzureißen, der dem gefiederten Tod den Großteil seiner Wucht nahm.

Fluchend stürmte Sinthoras auf sie zu und befahl den Angriff.

»Rasch, Narmora und Boïndil, die Treppe hinauf«, befahl Tungdil. »Vernichtet Nôd’onn, so lange er uns noch nicht bemerkt hat. Wir halten euch den Rücken frei.« Gepresst stöhnend brach er den Schaft des Pfeils, der in seinem Bein steckte, entzwei und bereitete sich auf den Zusammenprall mit den Gegnern vor. Vraccas, lass es ein gutes Ende nehmen, sandte er ein Stoßgebet an seinen Gott und holte aus, auf die Knie des ersten Orks zielend.

Teile der Steintritte platzten ab. Die Dritten hatten das Material nicht gut gewählt, es war im Lauf der Zyklen rissig geworden und machte den Aufstieg des Zwergs und der Halbalbin zu einem gefährlichen Unterfangen.

Sie umrundeten den Pfeiler und schraubten sich höher und höher, ohne nach den Kämpfenden zu schauen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt der kolossalen Gestalt in der malachitfarbenen Robe, die gelegentlich in ihrem Blickfeld erschien. Die Luft wurde wärmer, der Geruch von Blut und Orkinnereien schwebte allgegenwärtig in der Halle.

Als sie den Absatz erreichten, der sie auf die Brücke führte, wuchs ein Famulus wie aus dem Nichts vor ihnen in die Höhe. Er hatte unbemerkt im Schatten des Pfeilers gestanden.

»Was willst du hier?«, fragte er Narmora schroff, die er offenbar für eine Albin hielt. »Du sollst die Orks anführen und nicht …«

Boïndil sprang um die Ecke und schlug ihm zuerst das linke Beil ins Gemächt, danach hackte er dem Magieschüler in die rechte Seite, sodass er gegen die Säule stürzte und zusammensackte.

»Die Überraschung ist der Feind der Zauberer«, grinste er seine Begleiterin an. Er lugte um den Vorsprung. »Nôd’onn ist allein. Ich bleibe hier, damit er keinen Verdacht schöpft.« Sein Blick suchte den ihren. Narmoras Augen hatten sich wegen der Dunkelheit und dem schützenden Berg zurückverwandelt. »Ich werde zur Stelle sein, wenn du in Schwierigkeiten gerätst.« Ingrimmsch zögerte. »Fühlst du dich stark genug?«