Sofort setzte sein Gegner nach. Tungdil wich aus und stürzte dabei, im Fallen streckte er die Hände aus und riss ihn mit sich.
Sie wälzten sich am Boden, und Bislipur verlor schließlich die Feuerklinge. Stattdessen zückte er einen Dolch und rammte ihn tief in den Oberarm seines Widersachers. Tungdil keuchte auf und antwortete mit einem Stich seines Messers in Bislipurs Hals.
»Du kannst mich nicht mehr töten«, lachte er ihn aus. »Das hat Balendilín schon vor dir versucht und ist an dem Toten Land gescheitert, wie du siehst.« Er schlug ihm wuchtig ins Gesicht, dass der Helm davonflog, und wand sich unter ihm hervor. Ein harter Tritt, und Tungdil verlor sein Messer. »Es ist ein ungleicher Kampf, den du dazu noch verlieren wirst.«
Seine Finger griffen in Tungdils Haare und rissen ihn in die Höhe.
»Weil du einer von uns bist, frage ich dich ein letztes Mal«, schnarrte er. »Möchtest du mit dem Abschaum zu Grunde gehen, oder kehrst du mit mir ins Reich der Dritten zurück, um unseren Triumph zu feiern?«
Waffenlos wie Tungdil nun war, blieb ihm nur ein letzter Versuch. Er ertastete das Halsband Swerds in seinem kleinen Lederbeutel, riss er heraus und legte es dem verblüfften Bislipur um.
»Das Band des Gnoms? Was soll das? Nur zu, versuche, mich zu erwürgen! Denkst du, ich brauche noch Luft zum Atmen?«
»Was du brauchst, ist dein Kopf.« Tungdil stieß ihn zurück und verlor dabei ein gutes Büschel Haare. Dabei schnappte er sich den Silberdraht vom Gürtel. »Und genau den nehme ich dir.«
Ruckartig zog er die Schlinge zusammen. Die Lasche verkleinerte sich, und gleichzeitig schnürte sich der Hals immer tiefer ein. Nun verstand Bislipur, was er beabsichtigte.
Er krächzte unverständlich, weil sein Kehlkopf bereits zerdrückt war, und wollte den Dolch in Tungdil rammen, da verengte dieser den Draht mit einem Ruck. Das silberne Kropfband glitt durch die Haut, durchschnitt Bislipurs Wirbel, und als der Draht ganz durch die Öse lief und die Lasche sich auflöste, fiel der Kopf des Verräters abgetrennt zu Boden. Der Verschluss des widerlichen Halsbands öffnete sich und zersprang, der Zauber war gebrochen.
Zum Triumphieren blieb Tungdil keine Zeit. Er hob die Feuerklinge auf und rannte, so schnell es ihm seine Verletzungen erlaubten, zurück zu seinen Freunden, um ihnen gegen Nôd’onn beizustehen.
Nun fehlte ihnen nur noch ein Feind der Zwerge, der die Waffe gegen den Magus führen würde.
Die Orks wichen zur Seite und machten Nôd’onn Platz, der Kampf wurde unterbrochen.
»Andôkai«, sagte er krächzend und neigte seinen aufgedunsenen Kopf. »Es wäre besser gewesen, du hättest mich unterstützt, anstatt dich in nutzlosem Widerstand aufzureiben. Wenn die Gefahr aus dem Westen kommt, brauchen wir alle Kräfte.«
»Du bist die Gefahr, Nudin«, erwiderte sie, den Abwehrzauber mit ihren letzten Kräften aufrecht haltend, weil sie nichts riskieren wollte. »In dir lebt ein dämonisches Wesen, das dich diese verworrenen Dinge denken lässt, das dich lenkt und benutzt.«
»Es ist mein Freund, es ist der Freund des Geborgenen Landes«, widersprach er verzweifelt. »Ihr versteht es nicht! Warum?«
Sie nickte. »Da stimme ich dir zu, wir verstehen es nicht. Tod und Verderben über die Menschen, Zwerge und Elben zu bringen erscheint mir ein zu großer Preis für einen angeblichen Schutz vor einem Feind, der nur in deinem verblendeten Verstand existiert, Nudin.«
»Ich bin Nôd’onn!«, schrie er sie mit schriller Stimme an. »Ihr werdet erkennen, dass mein Freund und ich Recht hatten, wenn wir euch alle vor dem bewahren, was aus dem Westen kommt. Legt die Waffen nieder, und ich schone euch.« Seine zweifache Stimme nahm einen beschwörenden Tonfall an, er schien von dem, was er sagte, vollkommen überzeugt. »Ich tue das alles doch nur, weil ihr mich dazu zwingt. Hättet ihr eure Macht freiwillig abgetreten, wäre es nicht zu diesen Kriegen gekommen.«
Andôkai hob ihr Schwert, die Schneide blitzte auf. »Du hast zu viel Leid über uns gebracht, als dass wir dir Glauben schenken könnten.«
»Dann«, sagte er bekümmert, »müssen wir es zu Ende bringen. Ihr hattet die Wahl.« Eine einzige Geste genügte, und ihre Schutzwand barst mit einem hellen Geräusch.
Sinthoras sprang augenblicklich nach vorn und stach mit seinem Speer nach ihr. Sie parierte den Angriff und wurde daraufhin von drei Orks gleichzeitig attackiert, die sie von den Zwergen abdrängten.
Plötzlich ragte der Alb wie aus dem Nichts neben ihr in die Höhe, sein Speer stieß genau auf ihre Körpermitte zu … und prallte von einem polierten Schild ab.
Violettes Licht flammte über Sinthoras auf, ein grollendes Knurren erklang, dann hackte Djerůns Schwert nach dem Alb, der es gerade noch schaffte, den Schaft seiner Waffe in die Höhe zu reißen.
Kein Holz der Welt, vermutlich nicht einmal das einer Sigurdazie, hätte diesem Schlag standgehalten, und so zerteilte die Klinge des riesigen Schwertes zuerst den Speer und danach den entgeisterten Sinthoras, um ihm mit einer bogenförmigen Bewegung den Kopf von den Schultern zu schlagen. Tot, gespalten und geköpft stürzte er auf den Stein.
Die Orks wichen ängstlich quiekend vor dem König der Bestien zurück, der sich brüllend aufrichtete, das Visier geöffnet und sein wahres Antlitz in dem grellen Licht verbergend. Die Furcht vor ihm verschaffte den Freunden die dringend benötigte Atempause.
Tungdil tauchte humpelnd an Andôkais Seite auf, in den Händen die Feuerklinge haltend. »Hier ist sie.« Er deutete auf Djerůn. »Ist er eine Bestie und ein Feind der Zwerge?«, wollte er schnaufend wissen.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Möchtest du ihm die Feuerklinge anvertrauen?«
»Haben wir denn eine Wahl?« Er warf sie ihm zu.
Djerůn rammte sein Schwert kurzerhand durch zwei Orks und ließ es stecken, um die Hand freizuhaben und die Axt zu fangen.
Bringen wir es zu einer Entscheidung. Tungdil nahm sein Horn und blies laut hinein; die Zwerge des Ersten, Zweiten und Vierten Stammes antworteten ihm mit Hörnerklang und Jubelrufen. »Für das Geborgene Land, im Namen von Vraccas!«, rief er und stürmte gegen den Magus; seine Freunde folgten ihm, Balyndis und Gandogar befanden sich unmittelbar an seiner Seite.
Sie hieben sich durch die Orks und Bogglins, dass es nur so spritzte, und endlich war Djerůn so nahe heran, dass er nach einem knappen Befehl der Maga einen Angriff gegen Nôd’onn wagte. Andôkai schuf einen grellen Blitz, der zu nichts anderem diente, als den Magus zu blenden.
Unvermittelt stand der Krieger vor dem irritierten Nôd’onn und schlug mit solcher Wucht zu, dass die Feuerklinge von hinten in den ungepanzerten Körper eindrang und vorn wieder austrat. Ein Schwall stinkender schwarzer Flüssigkeit ergoss sich über die Umstehenden.
Der Magus brüllte laut, und noch während sein Schrei durch die Hallen gellte, schlossen sich seine Wunden bereits wieder.
»Nein«, raunte Tungdil entsetzt. »Das … sie hätte ihn töten müssen!«
Nôd’onn sprach einen Zauber gegen den gigantischen Kämpfer, der von schwarzen Blitzen getroffen in die Orks stürzte und sich nicht mehr regte. »Selbst das wollte euch nicht gelingen!«, rief ihnen der Mann entgegen, an dem nur noch die zerfetzte Robe von der Verletzung zeugte.
Es soll nicht umsonst gewesen sein! Wütend führte Tungdil seinen Angriff fort, und während seine Freude alles unternahmen, um den Magus zu beschäftigen, was ihnen zusehends schwerer fiel, suchte er zum zweiten Mal nach der Feuerklinge.
Hastig entwand er sie den steifen, eisernen Fingern Djerůns. Ein eigenartiges Kribbeln lief durch seine Finger. Was …?
Die Intarsien glommen auf, die Diamanten strahlten und funkelten wie tausend Sonnen. Zuerst glaubte er, er sei ein Opfer von Nôd’onns Zaubersprüchen geworden, doch dann begriff er, dass die Wirkung einzig von der Axt ausging, die zu spüren schien, dass ihre einzigartigen Kräfte gegen den Dämon gefordert waren.