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»Es war ein …«

»Du hättest mir von Jolosins Streich berichten können, und ich hätte mir eine Strafe für ihn ausgedacht. Nun siehst du, wohin die ganze Angelegenheit geführt hat, und als Sühne wirst du auf Reisen gehen, und dieses Mal ist es keine kleine Reise, Tungdil. Aber ich werde mich sehr freuen, wenn du zu mir zurückkehrst. Glaube mir, Jolosin hat es mit dem Kartoffelschälen schlimmer erwischt.« Er grinste. »Er wird so lange schälen, bis du zurückkehrst, und wenn es dir unterwegs einfallen sollte, einen Umweg zu machen …« Lot-Ionan beließ es bei seiner spitzbübischen Andeutung. »Bist du bereit?!«

»Ja, ehrenwerter Magus«, antwortete der Zwerg erleichtert, dass sein Ziehvater nicht mehr auf seiner Alleinschuld bestand. »Was soll ich für Euch erledigen?«

Die Atmosphäre in dem mit Apparaturen, Büchern und Regalen zugestellten Raum war ganz im Gegensatz zu der Stimmung vorhin im Laboratorium entspannt und ruhig. Das Feuer knisterte leise im Kamin, und die zahme Eule des Zauberers hatte die großen Augen fest geschlossen.

»Langsam, junger Zwerg.« Lot-Ionan erhob sich, nahm seinen dampfenden Becher und ließ sich in den Ohrensessel vor der Feuerstelle sinken. Er reckte seine Filzschuhe gegen die Flammen und wärmte sie. »Wir lassen es gemütlich angehen. Jolosin soll ordentlich was zu tun haben … Ich möchte dir noch eine Sache mit auf den Weg geben, über die du nachdenken wirst, während du einen Fuß vor den anderen setzt.« Seine Hand zeigte auf den Stuhl neben sich.

Tungdil stellte den Rucksack auf den Boden und setzte sich. Es klang nach einer besonderen Sache.

»Ich habe nachgedacht.« Der Magus räusperte sich. »Du bist von deinen dreiundsechzig Zyklen seit zweiundsechzig in meiner Obhut.«

Der Zwerg wusste, was nun kam. In rührseligen Augenblicken, so wie diesem, wenn es dem Magus richtig gut ging, er ein wenig Grog getrunken hatte und der Kamin seine Füße wärmte, neigte er dazu, in die Vergangenheit zu reisen und sich an Ereignisse zu erinnern, die länger als ein Menschenleben zurücklagen. Tungdil mochte diese Unterredungen.

»Es war an einem stürmischen Abend im Winter, als ein Rudel Kobolde bei mir auftauchte und ein Bündel anschleppte.« Er schaute seinem Mündel in die Augen. »Das Bündel warst du«, lachte er leise. »Da hattest du noch keinen Bart, mein Lieber. Man hätte dich für ein Menschenkind halten können. Sie boten mir an, dich zu kaufen, oder sie würden dich in den nächsten Fluss werfen. Ich konnte nicht anders, als den Langnasen ihren Lohn zu geben und dich bei mir aufzunehmen.«

»Dafür bin ich Euch mein restliches Leben lang dankbar, Lot-Ionan«, warf Tungdil leise ein.

»Das restliche Leben«, wiederholte er leise. Der Magus schwieg eine Weile. »Ich habe mir überlegt, dass du vielleicht schon bald aus deiner Schuld entlassen sein wirst«, sagte er nach einer Weile und strich mit der Rechten durch die dichten Haare des Zwergs. »Ich habe schon zu lange gelebt, und du hast mir bereits sehr viele Dienste erwiesen, die deine Schuld, falls es sie jemals gab, abgegolten haben. Wenn meine Versuche, das Altern aufzuhalten, nicht bald von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein werden, wird meine Seele ohnehin in Kürze zu Palandiell gehen.«

Es schmerzte den Zwerg, an die rasche Vergänglichkeit der Menschen erinnert zu werden, der sogar Zauberer nicht zu trotzen vermochten. »Ihr werdet Euer Ziel erreichen«, raunte er heiser. »Aber … Ihr wolltet mir doch etwas erzählen.«

Der Zauberer lächelte traurig, er durchschaute Tungdils Absicht, ihn abzulenken. »Anfangs sagte ich dir, dass deine Familie dich bei mir abgegeben hätte, um aus dir einen großen Zwergenmagus zu machen, aber du hast schnell herausgefunden, dass das nicht die Wahrheit sein konnte. Spätestens nachdem du lesen gelernt und mehr über dein Volk in Erfahrung gebracht hast.«

»Sie mögen Magie nicht besonders. Und die Magie mag sie nicht, ich weiß«, antwortete er und musste grinsen. In seine Hände gehörte der Schmiedehammer, ab und zu ein Buch aus der riesigen Bibliothek, aber mehr nicht. »Vraccas gab uns so viel handwerkliches Können, dass in unseren Körpern kein Platz mehr für das Zaubern ist.«

»Genau«, lachte der Magus, als er sich an all die kleineren Unglücke erinnerte, die sich immer dann zugetragen hatten, wenn sein Ziehsohn und die unsichtbare Kraft zufällig zusammengetroffen waren. »Aber sei nicht zu bescheiden, du hast dir einiges an Wissen angeeignet und bist beinahe ein Gelehrter. Mancher Famulus weiß weniger über das Geborgene Land und seine Bewohner als du.«

»Ihr habt mir viel beigebracht, Lot-Ionan, selbst das Disputieren.«

»O ja, das war eine Herausforderung, an der ich fast zerbrach. Der zwergische Trotz ist deiner Zunge zuweilen im Weg.« Er wurde wieder ernster. »Ich hatte die Kobolde damals nicht gefragt, wie sie in deinen Besitz gekommen waren, was ich heute sehr bereue.

Dann könnte ich dir wenigstens sagen, wo dein Familienclan, wo dein Stamm zu finden ist.« Er langte neben den Sessel und suchte eine Karte des Geborgenen Landes aus einem Stapel Schriftstücke. Vorsichtig rollte er sie auf, und sein Zeigefinger tippte auf das Zweite Zwergenreich. »Ich habe einen Boten zum Stamme Beroïns geschickt und anfragen lassen, ob etwas vom Schicksal eines vermissten Zwerges bekannt ist. Ich möchte deine Verwandten finden, Tungdil. Bei dem Alter, das ihr Zwerge erreicht, sollten sie noch leben. Was sagst du dazu?«

Sein Mündel war gerührt. Sein größter Wunsch rückte damit näher. »Das … ist großartig von Euch!«, rief er aufgeregt. »Habt Ihr schon Nachricht erhalten?«

Lot-Ionan freute sich über Tungdils Reaktion. »Nein, noch nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Zwerge des Zweiten neugierig genug sind, um sich um einen verlorenen Sohn ihres Volkes kümmern zu wollen. Es ist nur ein Anfang, erwarte nicht zu viel.«

»Ich danke Euch nochmals«, sagte der Zwerg feierlich. Mehr Worte wollten ihm nicht einfallen, um seine Gefühle auszudrücken.

»Wo ich die Landkarte schon mal auf dem Schoß habe, zeige ich dir gleich, wohin du gehen musst«, fuhr der Magus fort und deutete zuerst auf den Stollen, in dem sie sich befanden, dann auf eine Erhebung, die Schwarzjoch hieß. Sie lag außerhalb von Ionandar in Gauragar und hart auf der Grenze zu Lios Nudin, dem Einflussbereich des Magus Nudin, den man den Wissbegierigen nannte. »Es sind dreihundert Meilen, die du nordwestlich laufen musst. Die Wege sind leicht zu finden, und die Karte wird dir helfen, dich zu orientieren. Du kommst unterwegs an genügend Dörfern vorüber, in denen du nach dem Weg fragen kannst.« Er rollte das Pergament zusammen. »Nun zu den Kleinigkeiten, die du meinem Freund Gorén bringen sollst. Geh rüber an den Ebenholzschrank, und nimm den kleinen Ledersack mit dem grünen Lederband heraus. Darin sind Dinge, die ich vor langer Zeit für ein Experiment geborgt hatte und nun nicht mehr benötige. Auf dem Tisch liegen ein paar Münzen, die du unterwegs ausgeben darfst.«

Während Tungdil sich in Bewegung setzte, nahm der Magus ein Buch auf und gab vor zu lesen. Der Zwerg öffnete den Schrank und zerrte den Sack heraus.

»Ich bin so weit«, sagte er schließlich.

»Nun geh, Tungdil, und denke darüber nach, was ich dir gesagt habe. Wenn wir deine Familie finden, überlasse ich es dir, ob du bei mir bleiben möchtest oder nicht«, verabschiedete er den Zwerg, ohne von seinem Buch aufzuschauen. Tungdil wandte sich zum Ausgang.

»Und noch etwas: Sei auf der Hut! Pass auf den Sack auf und verliere ihn nicht, dafür ist der Inhalt zu wertvoll«, schärfte er ihm ein. Dann hob er den Blick und lächelte. »Am besten ist es, du lässt das Band zu, wenn du keine Katastrophen erleben möchtest. Palandiell sei mit dir. Und dein Vraccas natürlich auch.«