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Die eingeschüchterte Horde beruhigte sich, die Krieger kehrten grunzend zu ihren Feuerstellen zurück und widmeten sich ihrer Siegesfeier. Der vom Nachtmahr niedergemetzelte Artgenosse und die vier vom Schwert Getöteten blieben ausblutend im Staub liegen; niemand kümmerte sich um sie.

»Und jetzt?«, wollte Ushnotz wissen.

»Ich gehe in den Süden, und du«, Kragnarr zeigte auf Bashkugg, »gehst in den Westen. Für dich, Ushnotz, bleibt der Osten.« Die anderen nickten ihre Zustimmung. »Was ist mit der Stadt der Rotbluter?«

»Sie liegt schön nahe«, quiekte Ushnotz unbeherrscht. »Ich sage, wir greifen sie gemeinsam an und holen uns ihr Fleisch, bevor wir uns trennen.«

Bashkugg kratzte sich verlegen am Kinn. »Der Alb hat doch verboten …«

»Wir sind im Süden, noch befehlen wir. Und unser Wettstreit hat noch nicht begonnen«, meinte Ushnotz listig. »Das Spitzohr hat Eroberung von neuem Land gemeint, aber das Land hier gehört uns doch schon.« Er lachte grunzend.

»Außerdem haben sie die Köpfe meiner Leute auf die Palisaden gespießt. Ich will Rache«, röhrte Kragnarr und schlug sich auf die breite Brust, dass die Panzerung klirrte. »Die lasse ich mir von einem Spitzohr nicht nehmen.«

»Bei Sonnenaufgang?«, fragte Bashkugg und erntete bejahendes Schnauben.

Tungdil ließ die Zweige langsam los und kroch leise rückwärts. Unheilvolles ging im Geborgenen Land vor, aber zuerst musste Gutenauen gewarnt werden, ehe er Lot-Ionan nach seiner Rückkehr vom Schwarzjoch von Nôd’onn berichtete, dem seltsamen Herrscher des Toten Landes. Der Zauberer würde wissen, was zu tun war, und bestimmt den Rat der Magi einberufen. Noch besser wäre es, wenn er alle Könige und Königinnen einlüde, um ihnen davon zu erzählen.

Der Zwerg fand es an der Zeit, dass sich Menschen und Magi gemeinsam ein für alle Mal gegen das Tote Land stemmten. Wenn die Menschen sein Volk um Hilfe baten und die Stämme Abordnungen schickten, stünden die Aussichten auf einen Sieg gewiss recht gut.

Tungdil wartete, bis die Mehrzahl der Orks eingeschlafen war. Dennoch war es nicht leicht zu entkommen, denn drei Dutzend Wachen sorgten dafür, dass sich keiner dem Lager unbemerkt annäherte.

Entschlossen wählte der Zwerg sich die Stelle aus, an der ein Wache haltender Ork einen besonders müden und gelangweilten Eindruck machte; er stützte sich auf den Schaft seines angerosteten Speeres, und die Augen fielen ihm immer wieder zu.

Tungdil rang sich dazu durch, sein Gepäck und den Sack mit den Artefakten doch mitzunehmen. Bei seinem Glück würden die Bestien die wertvollen Gegenstände sicherlich entdecken, und damit wären sie für immer verloren, was er Lot-Ionan und Gorén gegenüber keinesfalls zugeben wollte.

Der Zwerg verbrachte eine kleine Ewigkeit damit, möglichst keinen Lärm beim Abstieg zu verursachen. Das Knacken eines Astes konnte sein unrühmliches Ende bedeuten.

Seine Hände umfassten die raue Rinde. Auf der schattigsten Seite rutschte Tungdil Stück für Stück dem Boden entgegen. Gelegentlich blieb sein Kettenhemd an einem Zweig hängen, doch es gelang ihm jedes Mal, das Holzstückchen vorsichtig aus den Ringen zu befreien und nicht abzubrechen.

Endlich hatte er Boden unter den Füßen und presste sich ins duftende, taunasse Gras; so roch er den üblen Gestank der Orks wenigstens nicht mehr ganz so intensiv.

Er hatte das Schleichen niemals gelernt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als es einer Raupe gleich zu tun und mit dem Bauch über die Erde zu rutschen, stets darauf achtend, den Hintern nicht in die Höhe zu strecken, während er die Rucksäcke vor sich her schob.

Was Tungdil sich so leicht vorstellte, geriet zu einer Nerven aufreibenden Angelegenheit. Der Axtstiel verklemmte sich immer wieder zwischen seinen Beinen, das Kettenhemd klirrte bei jeder Bewegung, und die Stiefel glitten über die feuchten Halme, ohne Halt zu finden.

Ich bin nicht nur ein schlechter Kletterer, ich bin auch ein mieser Schleicher, dachte er und wischte sich den Schweiß aus den Augenbrauen. Zwerge waren nun mal Geschöpfe, die von Vraccas zum offenen Kampf geschaffen worden waren. Wenn sie irgendwo hinauf wollten, bauten sie eine Treppe, und wenn sie irgendwo hin wollten, liefen sie los. So einfach war das.

Tungdil passierte die dösende Wache in knapp zehn Fuß Entfernung. Im Mondlicht erkannte er jede Einzelheit des hässlichen Ungeheuers: Schmucknarben und bunte Striche prangten in wirren Mustern auf der Fratze. Milchiger Sabber sickerte aus dem Mundwinkel, rann die überstehenden Hauer hinab und tropfte auf die fettbeschmierte Rüstung. Grunzend sog die platte Nase Luft ein.

Es drängte den Zwerg, dem Ork die Axt in den ungeschlachten Schädel zu rammen, aber er hätte sicherlich keinen Erfolg und würde Gutenauen auch kaum vor dem Angriff bewahren.

Erleichtert, dass er die erste Schwierigkeit gemeistert hatte, robbte er weiter, bis er in den Entwässerungsgraben eines Feldes rutschen konnte und sich außerhalb der Sicht des Feindes befand.

Die Vertiefung bot ihm ausreichend Schutz, um in ein nahes Wäldchen zu gelangen, wo er sich endlich aufrichten durfte. Das nenne ich ein Abenteuer. Der Matsch an seiner Kleidung störte ihn nicht, Tungdil hatte andere Sorgen. Er erinnerte sich, dass die Baumgruppe nur sehr klein war und er in gerader Linie hindurchmarschieren konnte. Der Zwerg betete, dass er sich nicht verlief.

Weil er sich weit genug von den Orks entfernt glaubte, nahm er keine Rücksicht auf Geräusche, die er beim Laufen verursachte. Nur wenn er rechtzeitig im Dorf ankäme, bestünde die Hoffnung, dass sich die Menschen in Sicherheit brachten.

Tungdil verfiel in einen lockeren Trab und erreichte bald die andere Seite der Schonung. Erleichtert trat er aus dem Unterholz.

Bei Vraccas! Der unverhoffte Anblick ließ ihn erstarren.

Vierhundert Schritte vor ihm lagerte eine zweite Orkhorde, dreifach so stark wie die erste. Der ganze Acker lag voller schlafender Bestien; sie hatten keine Feuer entzündet, und deshalb war er nicht durch den Schein der Flammen gewarnt worden.

Tungdil machte einen schnellen Satz zurück, ehe ihn eine Wache bemerkte. So sehr er sich umschaute und einen Ausweg suchte, es blieb ihm keine andere Wahl, als mitten durch das Leibergewirr der schlafenden Feinde zu schleichen, um ins Dorf zu gelangen.

Nach anfänglichem Zweifel meldeten sich der zwergische Trotz und zugleich der Wunsch, die Menschen vor der anrückenden Übermacht zu warnen. Tungdil pirschte sich den Waldrand entlang, um im Schutz des Gebüschs nach einer Schneise zwischen den Körpern zu suchen.

Da trat seine Sohle auf etwas Hartes, und es klickte leise. Plötzlich stob Laub vom Boden auf, zwei Metallklammern klappten zu und umschlossen seinen linken Unterschenkel kurz unterhalb des Knies. Die Erde tat sich auf, und Tungdil verschwand in einem Loch. Nach kurzem Fall schlug er kopfüber in der Grube auf und verlor das Bewusstsein.

Die Schmerzen holten ihn aus der Ohnmacht.

Tungdil erwachte vom peinigenden Klopfen in seinem linken Bein. Stöhnend setzte er sich auf und schaute nach oben, wo sich die Ränder der Grube als schwarze Umrisse vom hellen Grün darüber abhoben. Der Tag war angebrochen.

Das, was sich mit Gewalt um seinen Unterschenkel klammerte und ihm das Blut abstellte, kannte er: Die Menschen stellten es auf, um Wölfe zu fangen. Zackenbewehrte Stahlkiefer hatten sich durch seine Lederhose gebohrt, dunkelrote Krusten saßen auf seinen Wunden. Der Unterschenkel pochte dumpf.

Tungdil hielt sich nicht damit auf, das Fangeisen auseinander zu drücken. Er biss die Zähne zusammen, nahm die Axt und schlug so lange auf die dünnen Bolzen ein, welche die Federn arretierten, bis sie brachen.