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»Du und welches Heer?«, grunzte der Ork höhnisch.

Tungdil ließ die Rucksäcke zu Boden gleiten. Es ärgerte ihn, dass er kurz vor seinem Ziel scheitern sollte, und das verlieh ihm unglaubliche Kräfte.

»Ich brauche kein Heer. Meine Axt genügt mir.« Je mehr er von ihren Ausdünstungen roch, umso mehr regte sich der angeborene Hass seines Volkes gegen diese Ungeheuer. Wieder sah er das vernichtete Gutenauen und die vielen Toten. Der gelehrte Teil seines Verstands schaltete sich aus, und mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf den ersten Ork.

Das Scheusal blockte seinen Schlag mit dem Schild, grunzte verächtlich und trat ihm vor die Brust. »Du brauchst doch ein Heer«, lachte er quiekend, dann setzte er nach.

Der Zwerg taumelte rückwärts, ein Baum bremste ihn. Im letzten Augenblick duckte er sich unter dem Schwert weg, das seinen Kopf knapp verfehlte und im Stamm stecken blieb.

Tungdil sah den dicken, ungeschützten Oberschenkel genau vor sich und schlug ohne nachzudenken zu. Die Axt drang in das Bein ein und schlug eine klaffende Wunde, dunkelgrünes Blut strömte aus der Verletzung und rann das Knie hinunter. »Ha!«

Der Ork kümmerte sich nicht um sein Schwert, sondern zückte einen Dolch, um nach dem Zwerg zu stechen. Die Klinge prallte gegen das Kettenhemd, doch die Wucht genügte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tungdil versuchte, sich auf den Beinen zu halten, stolperte über seine beiden Rucksäcke und fiel auf den Rücken. Verflucht!

»Ruf lieber dein Heer, ich bin gleich fertig mit dir.« Die Bestie schleuderte das lange Messer nach ihm, verfehlte ihn jedoch.

Tungdil verhedderte sich zu allem Unglück in den Riemen der Rucksäcke und versuchte, sich daraus zu befreien, während sein Gegner das Schwert aus dem Baum riss.

Der Ork humpelte heran. Schnaubend vor Wut schlug er zu, die Hiebwaffe durchschnitt zischend die Luft.

Der Zwerg wälzte sich zur Seite. Der Sack mit den Artefakten rutschte hinterher und lag quer über seinem Rücken, da traf ihn die Klinge des Ungeheuers.

Goréns Habseligkeiten fingen den Schwung des Schwertes ab und dämpften ihn, aber das vielfältige Krachen verriet Tungdil, dass mindestens ein Artefakt nicht heil in Grünhain ankäme. Wenn sie überhaupt ankamen. Seine Wut wurde erneut angefacht.

»Du freust dich zu früh!« Er rollte sich herum und schlug mit der Axt aus der Drehung zu; seine Waffe fuhr zu zwei Dritteln in den rechten Unterschenkel. »Da!«

Der Ork knickte jaulend ein und fiel neben dem Zwerg ins Gras. Tungdil rutschte von dem Angreifer weg und sprang auf, um ihm die Axt in den Nacken zu schlagen, dass es knackte. »Ich brauche kein Heer gegen dich«, schnaufte er. Eine von Tions Kreaturen hatte er getötet. Er hoffte, dass Vraccas mit ihm zufrieden war, denn mehr durfte er von ihm nicht erwarten.

Dreißig weitere Scheusale rannten auf ihn zu. Es waren zu viele, um den Tag zu überleben.

Einen von euch nehme ich noch mit. Tungdil senkte den Kopf, die Hände fassten den Stiel seiner Axt. So mussten sich seine Vorfahren am Steinernen Torweg gefühlt haben, als die Übermacht gegen das Portal angestürmt war. Er würde ihr Schicksal teilen und aufrecht zu Grunde gehen.

Als die ersten Gegner zehn Schritte vor ihm standen, erschallte ein herausforderndes, fröhliches Hornsignal, dann krachte und klirrte es, Stahl traf auf Stahl, Orks brüllten sterbend auf. Tungdil hatte unverhoffte Unterstützung erhalten. Wer auch immer die Scheusale beschäftigte, der Zwerg spürte unendliche Dankbarkeit.

»Er ist nicht allein! Los, bringt mir ihr Fleisch«, brüllte der Orkführer. Die vorderen Grünhäute machten auf dem Absatz kehrt und wandten sich den neuen Feinden zu, die am Ende ihrer Rotte aufgetaucht waren.

Die Elbin sandte mir ihre Krieger, dachte Tungdil. Da will ich nicht tatenlos zusehen. Er trabte hinter den Orks her und nahm dabei Anlauf, um einem der Gegner von hinten in die Kniekehlen zu schlagen. Die Bestie stürzte wie ein gefällter Baum.

»Noch einer!«, lachte Tungdil grimmig.

Ein Ork schickte sich an, mit ihm zu kämpfen, während der Rest der Horde in einem dichten Pulk um die Kämpfer der Elbin herum stand und ihm die Sicht versperrte.

Der Zwerg merkte bald, dass er durch seine beiden unerwarteten Erfolge zu übermütig geworden war. Sein dritter Widersacher ließ sich auf keinerlei Spielchen ein, sondern attackierte ihn unentwegt mit einem Anderthalbhänder.

Nach fünf brutalen Schlägen geriet Tungdil in Bedrängnis. Ein mächtiger Hieb riss ihm seine Waffe aus der Hand, und sie plumpste ins Gras. In seiner Not langte er nach seinem Brotzeitmesser. »Komm her!«

»Sicher!« Der Ork quiekte laut vor Vergnügen. »Damit pule ich mir nachher dein Fleisch aus den Zähnen, Unterirdischer«, brüllte er und setzte zum Schlag an.

Das Geborgene Land, Königreich Urgon, im Frühsommer des 6234sten Sonnenzyklus

»Eine gemeinsames Heer?«, lachte Lothaire, Herrscher über Urgon, lauthals. Der junge Mann von knapp einundzwanzig Zyklen warf die langen blonden Haare zurück und bedeutete einem Diener, frisches Wasser zu bringen. »Gegen das Tote Land?«

König Tilogorn, ein Mann um die vierzig Umläufe mit schulterlangen braunen Haaren und einem schmalen, ernsten Gesicht, nickte. Er hatte sich auf den Weg in den Palast Lothaires gemacht, um Einigkeit unter den Herrschern zu schaffen. Seit vier Stunden redete er in dem düsteren Zimmer auf ihn ein und hatte das Gefühl, kein Stück vorwärts zu kommen, während draußen die Sonne über die Berge Urgons zog und hinter den Gipfeln versank.

»Es gibt Gerüchte, dass die magischen Barrieren nicht mehr halten. Und wenn sie brechen, müssen wir auf einen Einfall der Orks vorbereitet sein, wie es ihn bislang noch nicht gegeben hat.« Tilogorn deutete auf die Karte des Geborgenen Landes. »Die sieben Königreiche müssen sich zusammenschließen, und wenn Ihr mir zustimmt, wird es leichter, die Königinnen Umilante, Wey und Isika sowie die Könige Bruron und Nate zu überzeugen.«

Lothaire nahm einen Schluck, schaute über den Rand des Glases und fixierte Tilogorn. »Es ist Euch ernst?«

»Todernst«, nickte er. »Die Gemeinsamkeit entscheidet über den Fortbestand, da bin ich mir sicher.«

»Sollten wir uns nicht zunächst auf die Kraft der Magi verlassen, ehe wir …«

»Die Magi versuchen ihren Teil, wir stellen die Truppen«, unterbrach er ihn. »Ich habe einen Boten nach Lios Nudin gesandt, der mit dem Rat aushandeln soll, wann wir uns mit ihm treffen können. Er muss bald zurückkehren.«

»Glaubt Ihr, dass die Zauberer sich dazu herablassen, mit uns Sterblichen zu reden? Andôkai die Stürmische beansprucht zwar einen Teil meines Landes, aber sie hat sich noch nie bei mir gezeigt.«

Tilogorn lachte. »Andôkai ist eine außergewöhnliche Maga, der man besser aus dem Weg gehen sollte. So selten man die Zauberer sieht und so wenig sie sich in unsere Angelegenheiten einmischen, in diesem Fall machen sie eine Ausnahme, da bin ich mir sicher. Sie wissen um ihre Verantwortung.«

Lothaire schaute auf die Zeichnung und betrachtete die Grenzen des Toten Landes, die noch keine Bedrohung für ihn darstellten. »Ich weiß nicht. In meinem Reich ist alles in schönster Ordnung …«

»Aber wie lange noch, Prinz?«, sagte Tilogorn und bemühte sich, seine Stimme beschwichtigend klingen zu lassen. »Sicher, Euer bergiges Reich ist leichter zu verteidigen als das flache Gauragar oder Idoslân, aber die Orks, die Albae und die ganzen Kreaturen, welche das Tote Land sonst noch beherbergt, lassen sich davon gewiss nicht lange aufhalten.«

»Ich stürze sie mit ihren schweren Rüstungen von meinen Gipfeln oder ertränke sie in meinen Seen«, blieb Lothaire bei seiner berüchtigten Überheblichkeit. »Meine Männer sind erfahren, wir kämpfen täglich gegen versprengte Trolle, die in den Bergen leben. Ich kann meine Pfade mit nur einem Mann gegen eine Hundertschaft sichern.«

»Vergleicht die Albae nicht mit den einfältigen Trollen. Ein gut gezielter Pfeil und Euer Mann ist tot, begreift das. Ihr Nachschub, der aus dem Norden kommt, ist unerschöpflich, Euch hingegen werden nach und nach die Soldaten ausgehen.« Tilogorn deutete auf die ehemaligen Elbenreiche. »Sie alle bestanden darauf, für sich allein zu kämpfen, und gingen unter. Soll uns das nicht eine Mahnung sein? Ein riesiges Heer, das es mit den Scheusalen aufnehmen kann, das benötigen wir!«