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Der Söldner presste die Zähne zusammen. Die Schmerzen, die ihm sein zersplittertes Knie bereiteten, stellten seinen Stolz, nicht zu schreien, auf eine übermenschliche Probe.

»Seid gnädig, ich weiß fast nichts«, stammelte er. »Wir haben in Gauragar von der Belohnung gehört, die es für das Haupt eines Unterirdischen gibt. Es war kurz nachdem wir den da«, er zeigte auf Tungdil, »zum ersten Mal trafen.«

»Wer hat es euch gesagt?«, grollte Ingrimmsch, und eines seiner blutigen Beile legte sich an die Kehle des Gerüsteten.

»Der Gildenmeister! Der Gildenmeister!«, stieß er ängstlich hervor. »Er hat uns in diese Region geschickt. Wir sammeln die Köpfe, und einmal pro dreißig Umläufe erscheint ein Bote, um die Gläser abzuholen. Wir erhalten dafür unseren Anteil von der Gilde. Jeder dreißig Münzen pro Schädel.«

»Welcher Gilde?«, setzte Tungdil nach.

»Der Kopfgeldjäger«, erklärte der Krieger und stöhnte laut auf, als die Qual zu groß wurde. »Lasst mich gehen. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«

Tungdil glaubte ihm das, doch er wusste auch, dass die Zwillinge ihn nicht am Leben lassen würden. Die habgierigen Taten verlangten nach Sühne.

»Du gehst nirgends hin.« Boïndils Klinge erledigte ihr Werk schneller, als sie ihn davon abzuhalten vermochten, und der Letzte der Söldner hauchte sein Leben aus.

»Weiter«, befahl Boëndal tonlos. »Nichts wie weg von hier, ehe die Stadtwache nachschauen kommt.«

Sie nahmen ihr Gepäck eilig an sich und verließen Porista, um ihren Weg nach Ionandar fortzusetzen. Zuerst fürchteten sie, dass Gardisten sie verfolgten, aber sie durften unbehelligt ziehen.

Tungdil fühlte ein schlechtes Gewissen in sich. »Es war nicht rechtens. Wir hätten sie der Garde übergeben sollen, samt des Glases«, meinte er unterwegs, während sie durch Pfützen und Schlamm wateten.

Boïndils Augen verengten sich. »Ist das ein Vorwurf, weil ich keinen der Langen mit dem Leben davonkommen ließ?« Er wischte sich die Regentropfen aus dem schwarzen Bart. »Was hätte es an ihrem Schicksal geändert? Man hätte sie verurteilt und hingerichtet.«

»Sie hatten den Tod verdient. Nur …« Tungdil wusste nicht, wie er seine Schuldgefühle begreiflich machen konnte, damit Ingrimmsch ihn verstand.

Boëndal sprang seinem Bruder bei. »Nein, Gelehrter. Es gibt kein ›Nur‹, kein ›Wenn‹ und ›Aber‹. Sie töteten für Geld, sie starben für Geld. Ob wir sie nun umgebracht haben oder die Langen sie hinrichten würden, welchen Unterschied macht das? Auf diese Weise haben wir die getöteten Zwerge gerächt. So war es besser.« Zum Zeichen, dass er von seiner Meinung nicht mehr abrücken würde, warf er sich den Zopf über die Schulter.

Seinen Worten hatte Tungdil nichts entgegenzusetzen. Er war noch zu sehr Gelehrter, um die zwergische Denkweise seiner Begleiter nachvollziehen zu können.

»Lass uns weitergehen. Der Rat der Zwerge wartet auf uns«, sprach Boïndil versöhnlicher. Die Schlacht im Stall hatte seine aufgestaute Wut abgekühlt, und er war wieder umgänglicher.

Das Geborgene Land, Lios Nudin im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus, Sommer

»Ich kann nicht mehr«, ächzte Rantja leise.

»Ich bitte dich, du musst durchhalten«, raunte ihr Jolosin zu. »Wenn einer von uns den Kreis verlässt, hält die Zeremonie inne. Ich bin es meinem Mentor schuldig – und wir alle zusammen sind es dem Geborgenen Land schuldig.«

Nudins Stimme veränderte sich. Aus dem Krächzen wurde ein hohes Säuseln, das sich nicht mehr wie der Magus anhörte. Im nächsten Augenblick redete er mit dunkler Bassstimme, die in den Bäuchen der Famuli vibrierte. Selbst die Erfahrensten unter ihnen erinnerten sich nicht, jemals so etwas vernommen zu haben.

Doch es wirkte.

Die Bruchstücke des Malachits leuchteten dunkelgrün auf, erhoben sich drei Schritt hoch und schwebten auf einer Ebene frei im Raum. Selbst die Splitter, die im Leichnam Mairas der Hüterin steckten, bohrten sich einen Weg durch das verrottende Fleisch und kamen mit einem leisen Schmatzgeräusch aus ihr hervor.

»Sieh nur!« Jolosin drückte ihre Hand. »Gleich haben wir es!«

Der Wissbegierige übernahm weiterhin die Rolle des Hauptsprechers. Die Männer und Frauen wiederholten seine Formeln, bis sie plötzlich unverständlich wurden. Nudin stotterte scheinbar wirres Zeug vor sich hin, und die Silben konnten von seinen Helfern nicht repetiert werden. Das Ritual drohte zu scheitern.

Die Bruchstücke formierten sich zu einer runden Scheibe mit einem Durchmesser von zehn Schritt, dann begann der leuchtende Kreis, um die eigene Achse zu rotieren.

»Soll das so sein?«, fragte Jolosin Rantja. »Ich habe so ein Ritual noch niemals mitgemacht.« Sie blieb ihm die Antwort schuldig.

Die Drehbewegungen wurden schneller, und je mehr die Malachitsplitter an Geschwindigkeit aufnahmen, um so enger rückten sie aufeinander zu. Sie verdichteten sich, bis sich die Einzelstücke zu einem großen Kristall fügten.

»Der Wissbegierige weiß genau, was er tut«, atmete Rantja auf und verstummte wie auch die übrigen Famuli.

Die Stille hatte etwas Feierliches. Einhundertachtzig Menschen standen um den kraftvoll leuchtenden Edelstein, dem der Wille Nudins eine neue Form gegeben hatte. Einige der Zauberlehrlinge seufzten erleichtert und freuten sich an dem majestätischen Anblick, der sich ihnen bot.

»Wir haben es geschafft«, jauchzte Jolosin und wollte seine Finger von Nudins lösen, um Rantja in die Arme zu schließen, doch der Magus hielt sie eisern fest.

Der Mund des Wissbegierigen öffnete sich, um ein einziges, unbekanntes Wort zu sagen.

Ein Splitter löste sich aus dem Verbund und flog Jolosin unbemerkt von den anderen wie ein Geschoss in die Brust.

»Was …« Der junge Mann ächzte. Er wollte die Hand des Magus abschütteln, um die Stelle zu betasten, an der das Stück Malachit einschlug. Das scharfkantige Teil steckte tief in ihm, er spürte, wie Blut aus der Wunde sickerte und über seinen Bauch lief, aber die kalten, klebrigen Finger gaben ihn nicht frei.

»Ehrenwerter Magus«, stöhnte Jolosin unter Schmerzen. »Ich … bin verletzt. Der Stein hat mich angegriffen.«

Nudin wandte ihm das teigige, aufgeschwemmte Gesicht zu. Das Schwarz der Pupillen hatte die Farbe seiner Augen zu einem schmalen Rand schrumpfen lassen; dann veränderte sich die Schwärze und wurde schlagartig silbrigtrüb. In dem Schleier glitzerte es auf.

»Ich weiß, mein Junge. Es geht nicht anders, ich brauche deine Magie.« Er drückte ihm aufmunternd die Hand. »Du wirst gleich keine Qualen mehr leiden müssen.« Der Wissbegierige schloss die Lider.

Das nächste winzige Malachitstück flog durch den Raum und traf Rantja; immer schneller schossen die Splitter davon, und erst als die Hälfte der Famuli Opfer der Attacken geworden waren, bemerkten die anderen, was geschah. Sie riefen Nudin zu, er solle etwas unternehmen.

»Bleibt, wo ihr seid! Oder wollt ihr alles zunichte machen?« Er stand noch immer mit geschlossenen Augen da.

Die Letzten, die noch nicht beschossen worden waren, gaben nichts auf die Worte des Magus. Sie wollten den Kreis verlassen und hinter Deckungen flüchten, ehe sie Tod bringende Verletzungen davontrugen. Aber es gelang nicht. Voller Entsetzen stellten sie fest, dass ihre Hände untrennbar an denen ihrer Nachbarn hafteten, und kurz darauf traf auch sie ein Splitter.

Aus dem Malachit zuckten dunkelgrüne Strahlen hervor, leckten voller Vorfreude über die Körper der Zauberlehrlinge und glitten durch die Wunden, welche die Splitter ihnen geschlagen hatten, in sie hinein.

Nudin öffnete die Lider, die Augen glänzten wahnsinnig. Er öffnete sein Gewand auf Brusthöhe und rief ein zweites Wort.

Ein fingerlanger Kristallsplitter ritt auf einem gleißenden Blitz herbei, um sich in seinen Leib zu bohren. Der Strahl schwoll an, gewann an Umfang, pulsierte und zuckte, während die grünen Energiebänder, mit denen die Famuli an dem Malachit hingen, schwächer wurden. Unvermittelt erloschen sie.