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»Vollendet!« Aus dem Mund Nudins drang ein unmenschlicher, kraftvoller Freudenschrei, dann lachte er vor Zufriedenheit. »Es ist vollendet! Nun kann ich die Maskerade fallen lassen und wieder Nôd’onn der Zweifache sein.«

Die Zauberlehrlinge stürzten zu Boden. Jolosin und Rantja waren wie alle anderen nicht fähig zu sprechen, der Stein hatte ihnen alle Kraft und die Magie brutal aus den Körpern geraubt.

Diejenigen, deren Verfassung weniger stabil war, starben zuerst. Ihre Herzen hörten auf zu schlagen, die Atmung endete.

Jolosin und Rantja schafften es zusammen mit einigen wenigen, ihre letzten Reserven zu mobilisieren, und krochen auf den Ausgang zu, um vor Nudin zu fliehen.

Der Magus langte mit spitzen Fingern nach dem Splitter in seiner Brust, bis er ihn zu fassen bekam. Er zog das blutigrote Fragment heraus, um es versonnen zu betrachten und wieder in sich einzusetzen. Anschließend trat er zu der Malachitscheibe.

»Du hast deinen Dienst getan. Vergehe.« Kaum berührte er den schwebenden Kristall mit dem Onyx, fiel er herab und zerbarst erneut in unzählige Teile.

Halte dich nicht auf, beginne mit dem nächsten Zauber. Nôd’onn ging zu dem Sack mit den Artefakten, nahm ihn an sich und eilte zum Ausgang. Er stieg über drei Kriechende hinweg und tötete sie, indem er ihnen die Spitze seines Stabes in den Rücken trieb. Das weiße Ahornholz färbte sich Rot.

Auf der Schwelle wandte er sich noch einmal um. Seine Augen wanderten im Saal umher, in dem der Verwesungsgeruch bald stärker werden würde. Es störte ihn nicht. Es gab keinen Grund mehr für ihn, das Ritualzimmer zu betreten, denn er war beinahe am Ende seines Planes angelangt.

Da wurde er auf Jolosin und Rantja aufmerksam. Mit einem harten, brutalen Hieb schlug er dem Mann den Schädel ein; seine eigene Famula schob er mit dem Stiefel von der Schwelle ins Zimmer zurück.

Rantja rollte sich auf den Rücken und versuchte unter Tränen, die Formel einer Selbstheilung aufzusagen, doch ihr Zauber scheiterte.

Nôd’onn ging in die Hocke und streichelte ihr behutsam über die langen, brünetten Haare. Er kannte sie sehr gut und zählte sie zu seinen fähigsten Schülern; vielleicht hätte sie es bis zu seiner Nachfolgeschaft in Lios Nudin gebracht, aber seinen Plänen wäre sie niemals gefolgt.

»Es gelingt dir nicht, weil du den Kristallsplitter in dir trägst und leer und verbraucht bist«, erklärte er ihr. »Du wirst mit den anderen sterben, Rantja.«

Die dunklen Augen der jungen Frau blickten den Magus, dem sie zyklenlang vertraut und den sie zu kennen geglaubt hatte, voller Verachtung an.

Er wich ihr aus, der Anblick der Sterbenden erfüllte ihn dennoch mit Trauer. »Ich bedauere es, die vielen Leben auslöschen zu müssen, um an ihre Kräfte zu gelangen«, entschuldigte er sich. »Andererseits hättet ihr ebenso wie Sabora, Turgur, Lot-Ionan, Andôkai und Maira meinem Vorhaben niemals zugestimmt. Es blieb mir nur dieser Weg, der mir gewiss nicht leicht fiel. Das Schicksal verlangte von mir, so zu handeln. Es gilt, Schlimmeres vom Geborgenen Land abzuwehren«, sagte er sanft als Antwort auf ihre stumme Frage.

»Es gibt nichts Schlimmeres als der Schrecken aus dem Norden«, widersprach sie angestrengt. »Verräter! Die Götter werden dich bestrafen!«

Nudin blickte sie nachdenklich an. »Mag sein«, antwortete er langsam. »Mag sein. Den Zorn der Götter nehme ich in Kauf, wenn ich dafür die Menschen retten kann.« Er erhob sich; auf sein Zeichen hin schwangen die riesigen Türen aufeinander zu. »Und das gelingt einzig mit der Hilfe einiger Auserwählter und des Toten Landes.«

»Du bist irre«, flüsterte Rantja, und ihr Blick brach. »Du bist …« Ihr Körper entspannte sich, der Schopf sank nach hinten und drehte sich leicht zur Seite.

»Nein«, entgegnete Nôd’onn bedrückt, »es versteht mich nur keiner. Doch davor hat es mich gewarnt …«

Abrupt drehte er sich um und eilte durch den Palast, um in die unterirdischen Gewölbe zu gelangen. Dumpf polternd schlossen sich die Türen des Raumes, in dem die besten Magiekundigen ihre letzte Ruhestätte fanden.

Der Zweifache eilte die Stufen hinab und gelangte in den Bereich, in dem er den Magiestrom, der sein Land durchfloss, am deutlichsten fühlte. Lios Nudin lag im Zentrum der Kraft, von hier aus rannen die Energien in die fünf übrigen Zauberreiche. Es würde nicht mehr lange so bleiben.

Die Magi und ihre besten Schüler hatte er zwar besiegt, doch er musste sich auch um die Famuli kümmern, die auf der untersten Stufe der Gelehrtenleiter standen. Nôd’onn konnte den magischen Strom nicht aufhalten, daher bezweckte er etwas ganz anderes, um den niedrigrangigen Zauberlehrlingen das bisschen Macht zu nehmen, das sie besaßen.

Aber zuerst kümmere ich mich um etwas mindestens ebenso Wichtiges. Er entfernte das grüne Lederband, öffnete den Sack mit den Artefakten und stülpte ihn um, um die Gegenstände auf den Boden zu schütten.

Eine Sanduhr fiel heraus und zerschellte auf dem Marmor, dann folgten zwei Amulette, die scheppernd aufschlugen, und eine Schriftrolle.

Wütend starrte Nôd’onn auf die Sachen. Das sind die falschen Dinge! Die Spitze seines Zauberstabs wühlte im Sand herum. Verflucht!

Er mahnte sich zur Ruhe. Sein Eigentum konnte er sich von den Orks aus dem Stollen Lot-Ionans holen lassen.

Der Magus konzentrierte sich und tastete gedanklich mit seinen eigenen Fertigkeiten nach dem Magiefeld. Als er spürte, dass er eine Verbindung zu ihm gefunden hatte, sagte er den Zauberspruch auf, den ihn das Tote Land lehrte, und gab die von den Famuli geraubten Energien.

VIII

Das Geborgene Land, Ionandar im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus, Spätsommer

Die drei Zwerge erstanden Ponys, um schneller voranzukommen, und ritten ununterbrochen; nur wenn ihre Kehrseiten zu sehr schmerzten, stiegen sie ab und liefen neben den Tieren her.

Die Zwillinge lehrten Tungdil unterwegs einige Zwergenweisen, die von allen Stämmen gesungen wurden und eine letzte Kette von Gemeinschaftlichkeit bildeten, die alle Kinder des Schmiedegottes Vraccas miteinander verband.

Die Tonfolgen waren einfach und leicht zu merken, denn verschnörkelte Melodien waren den Zwergen fremd. Dennoch kamen die Weisen Tungdil ein wenig melancholisch vor. Es musste an der ständigen Dunkelheit liegen, in der sein Volk lebte. Nur wenn es um Gold und Schätze ging, wie in »Goldnes Schimmern in Stollens Ferne« und »Diamantnes Feuer, kühl und hell«, brach die gute Laune aus. Das Trinklied »Tausend Zecher, tausend Becher« übten sie mit ihm, nachdem Boïndil ein kleines Fass Bier erstanden hatte.

Der Morgen danach war einer dieser Tage, an denen sich Tungdil wünschte, keinen Kopf zu haben. Boëndal versicherte ihm, dass so etwas bei Zwergenbier nicht geschähe, das Gebräu der Langen sei minderwertig.

Unterwegs erfuhren sie durch den fahrenden Händler Sami, einen Menschen mit einfachen Kleidern am Leib und Bartstoppeln im Gesicht, von seltsamen Begebenheiten. »Mancherorts erzählt man, dass sich die besten Famuli aus allen fünf Zauberreichen nach Lios Nudin aufgemacht hätten«, sagte er, während sich Tungdil für eine Schmuckauslage interessierte. Er hatte Frala versprochen, ihr etwas Schönes mitzubringen, und das wollte er besorgen, bevor er es völlig vergaß. Die Zwillinge warteten geduldig.

»Gab es von Grünhain etwas Neues?«

»Die Elbin unterlag dem Toten Land, und der Wald verwandelte sich in einen Ort des Schreckens. König Bruron erwog, die Bäume in Brand zu stecken, damit keine unachtsamen Wanderer hineingeraten und getötet werden«, berichtete Sami und wies geflissentlich auf seine Kräuterseifen. »Das würde dir gut tun, Unterirdischer.«

»Wir sind Zwerge! Heißt das, wir stinken?«, knurrte Ingrimmsch. »Komm runter, damit ich dich einseife, langes Elend.«

»Nein, nicht doch. Ich dachte, er sucht etwas für eine Dame«, wehrte der Händler rasch ab.

»Aber jetzt, wo du es sagst«, konnte sich Tungdil die Spitze nicht verkneifen und warf Boïndil ein Stück grobe Kernseife zu. »Da.« Er erstand eine Jasminseife, einen Kamm mit Brandmalerei sowie Puppen für Ikana und Sunja.