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Der Zwerg stand auf und trat gegen das Bettgestell. »Komm raus, Gnom!« Kaum war Swerd aus seinem Versteck gekrochen, fuhr ihm die schwielige Hand seines Herrn in den Nacken und hob ihn hoch. Bislipur schüttelte ihn durch wie eine Katze eine gefangene Maus, ehe er ihn hart in die Ecke schleuderte. »Und wage es nicht noch einmal, dich in mein Zimmer zu schleichen!«

Der Gnom rappelte sich umständlich auf und zupfte an seiner roten Jacke herum. »Ich habe mich nicht geschlichen, Meister. Ihr wart nicht da, und so wartete ich an einem Ort, wo man mich nicht entdeckt, wie Ihr mir befahlt.« Er zog sein Jutehemd nach unten und bedeckte seinen stattlichen Bauch, auf dem schwarze Haare über der grünschwarzen Haut wucherten. Die spitzen Ohren ragten steil in die Höhe und machten den Eindruck, als hielten sie die blaue Mütze auf dem Kopf. Wesen seiner Art gab es nur noch selten im Geborgenen Land.

»Wollt Ihr hören, was ich zu erzählen habe, Meister?«, fragte Swerd mit einem unschuldigen Blick aus seinen großen Augen. Staub haftete an den weiten, mitgenommenen Hosen und den ramponierten Schnallenschuhen. Der Gnom war viele Meilen gelaufen. »Darf ich dann gehen?«

»Du gehst, wenn ich dich nicht mehr brauche«, fuhr ihn Bislipur an, und seine Hand legte sich an den Silberdraht, mit dem er die Weite des Halsbandes auf magische Weise beeinflusste. »Rede, bevor ich dir die Luft abstelle.«

»Ach, wäre ich doch niemals in Euren Hort eingebrochen«, jammerte der Gnom weinerlich. »Ich bereue es so sehr.« Er schaute abwartend zu dem Zwerg und hoffte vergebens, ein Anzeichen von Milde in dem unerbittlichen Gesicht zu sehen.

»Es ist kein Wunder, dass es fast keine mehr von euch gibt. Ihr seid schwach und widerlich.« Der Mentor des Königs war so kalt wie die vielen kostbaren Spangen und Ringe, die er trug. Er verengte die Schlinge und damit das Lederband, das um den Hals seines Sklaven lag, noch ein Stück mehr.

Swerds Finger umschlossen die magische Fessel, um sie am Zuziehen zu hindern, doch er scheiterte ebenso wie in den dreiundvierzig Zyklen zuvor. Röchelnd sank er auf den Stein, doch ehe er vor Atemnot in Ohnmacht fiel, lockerte der Zwerg die Klammer.

Der Gnom hustete. »Habt Dank, Meister. Ihr schenktet mir einen weiteren sonnigen Tag an Eurer Seite«, keuchte er und schleppte sich auf einen Stuhl. »Euer gemeiner Plan schlug fehl. Der Thronanwärter ist noch am Leben, wie ich hörte. Dafür sind es unsere Kopfgeldjäger nicht mehr«, begann er mit seinem Bericht. »Ich konnte in der Eile keine neuen Mannen mehr auftreiben, die Euren feigen Anschlag in die Tat umsetzen wollen. Die Zeiten im Geborgenen Land haben sich geändert.«

Bislipur überhörte die Spitzen in den Worten seines gezwungenen Handlangers. Swerd machte das, seit er in seinen Diensten stand, weil er hoffte, sein Herr würde ihn in einem Anfall von Zorn erschlagen, doch diesen Gefallen würde er ihm nicht tun. Er sollte leiden. »Was ist geschehen?«

»Ich folgte ihm und den beiden Zwillingen bis zum Stollen Lot-Ionans, wo sie auf Orks trafen …«

Das Geborgene Land, Ionandar im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus, Spätsommer

Die rasselnden und klappernden Rüstungen verrieten die Bestien auf einhundert Schritt. Ihre widerlichen Stimmen quiekten durcheinander: Sie hatten den getöteten Untoten entdeckt.

Als die Zwerge um die Ecke des Ganges bogen, standen sie ihren Feinden gegenüber. Der Ausgang befand sich dreihundert Schritt von ihnen entfernt, und der Tunnel, so hatte es zumindest für Tungdil den Anschein, wurde bis zum Tor von den Orks ausgefüllt. Ein Wald aus Waffen stand zwischen ihnen und der Freiheit.

»Herrlich!«, freute sich Ingrimmsch und senkte angriffslustig das Haupt. »Schau, Bruder, wie eng der Gang ist. So wird uns keiner entkommen.« Er wirbelte die Beile hin und her. »Oink, oink! Vraccas, das wird ein Schlachtfest!«

»Du wirst heute zum ersten Mal mit uns zusammen kämpfen, Gelehrter«, eröffnete Boëndal dem Thronanwärter ernst. »Stell dich mit dem Rücken zu uns, dein Hintern muss unsere Kehrseiten immer spüren, so geben wir uns gegenseitig Deckung.« Die braunen Augen suchten Tungdils Blick. »Vertraue uns, wie wir dir vertrauen. Du wirst es schaffen, du bist ein Kind des Schmiedes.«

Mit pochendem Herzen begab sich Tungdil in Position und spürte die Körper in seinem Rücken. Vertrauen, rief er sich in Erinnerung.

Vraccas stehe mir bei. Er schluckte, und seine Angst schwand. Für Lot-Ionan, Frala und das Geborgene Land!

»Hört auf zu reden!«, jubelte Boïndil mit irrem Funkeln in den Pupillen. »Lasst uns Köpfe spalten und Knie zertrümmern!«

Die Brüder eröffneten den Tanz des Todes. Tungdil setzte sich ein wenig ungelenk in Bewegung, um sie nicht zu verlieren und die Deckung aufreißen zu lassen.

Anfangs, nach den ersten drei, vier Drehungen, nahm Tungdil durchaus Einzelheiten wahr. Er bemerkte Orkfratzen, erkannte die unterschiedlichen Rüstungen, mit denen sie sich vor den Waffen der Zwerge schützten, sah die Stützbalken zwischen dem Beingewirr hervorschauen oder einen der langen schwarzen Zöpfe vorbeihuschen.

Doch bald verwischte alles, es ging unglaublich schnell. Sein Verstand konzentrierte sich auf die niederzuckenden Schwerter, Dolche und Keulen, um ihnen auszuweichen oder sie zu parieren. Seine Axt traf mehr als einmal auf Widerstand, und weil sich die Schneide irgendwann grün färbte, nahm er an, dass er in dem Durcheinander tatsächlich Gegner getroffen hatte.

Die Zwillinge verfolgten die gleiche Taktik wie damals in Grünhain. Sie kreiselten vorwärts, schraubten sich in die gegnerischen Attacken hinein, schlugen und standen einen Herzschlag später an einer anderen Stelle, um es den Widersachern unmöglich zu machen, einen guten Schlag anzubringen.

Tungdil war froh über seinen Kettenschutz. Da er nicht über die Geübtheit seiner Begleiter verfügte, erhielt er manchen Schlag und manchen Stich, die jedoch nicht durch sein Eisenhemd drangen. Quetschungen, blaue Flecken, vielleicht sogar Brüche waren zu ertragen, wenn er dafür am Leben blieb und es Nôd’onn nicht gelang, die Bücher und Artefakte in die feisten Finger zu bekommen.

Er hörte das grimmige Lachen Ingrimmschs, dem stets ein orkischer Aufschrei folgte. Boëndal dagegen kämpfte ruhiger und sparte sich seinen Atem auf.

Tungdils Arme wurden allmählich schwerer. Nicht nur, dass ihnen Feinde im Weg standen, auch die Gegner hinter ihnen, die nicht Opfer der Zwergenwaffen wurden, drängten nach und setzten ihnen zu. Die Not gebar ihm einen Gedanken.

»Zickzack«, schrie er, um die Brüder aufmerksam zu machen und das Klingen des Stahls zu übertönen. »Zu den Stützbalken.«

»Guter Einfall, Gelehrter«, rief Boëndal zurück, parierte einen Schlag mit dem Krähenschnabel und verletzte den Ork mit der flachen Seite. Kurz darauf krachte seine mächtige Waffe gegen den Holzpfosten und drosch ihn zur Seite.

Die Querstrebe löste sich augenblicklich von der Decke, Gesteinsbrocken und Dreck regneten herab. Die drei wiederholten dieses Manöver noch mehrmals, bis der ungestützte Fels hinter ihnen zusammenbrach. Die Scheusale Tions verschwanden in einer Lawine aus tonnenschwerem Geröll, der eingestürzte Stollen hielt ihnen den Rücken frei.

Aus Angst, ebenfalls verschüttet zu werden, flüchteten die Orks hinaus, während Boïndil ihnen tobend folgte und etliche niederschlug. Erst als sie kurz vor den Toren standen, hielt er inne und wartete auf die anderen beiden Zwerge.

»Los«, keuchte er glücklich. »Draußen warten noch mindestens zwanzig Schweinchen auf uns. Es wäre schade, wenn sie dem Schlachtfest entkämen.«

Die beiden schlossen zu ihm auf. Bei allem Hass wünschte sich Tungdil, dass die übrigen Gegner geflohen waren; er zweifelte, seine müden Arme höher als bis zur Gürtelschnalle heben zu können.

Sie nahmen ihre Kleeblattformation ein und verließen die Behausung. Das Sternlicht begrüßte sie mit silbrigem Schimmer und beleuchtete die Orks. Die Augen der lauernden Bestien glommen grün und verrieten, wo sie standen. Es mussten noch einmal hundert sein, die ihnen leise schnüffelnd, grunzend und knurrend gegenübertraten.