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»Es sieht wieder gut für das Geborgene Land aus.« Boëndal stellte sich an seine Seite, der Zopf pendelte über seiner Schulter und wirkte beinahe lebendig.

Sein Bruder hielt ihnen den Rücken frei und schickte noch schnell zwei Orks in den Tod. »Er war leicht zu …« Seine Augen schweiften zur Seite, und plötzlich stieß er einen wütenden Schrei aus. »Nein! Bei Vraccas, wir haben ihn doch …«

Nôd’onn erhob sich. Sein kopfloser Torso stemmte sich in die Höhe, dann streckte er die Hand aus. Der Schädel schwebte herbei und setzte sich von selbst auf den Halsstumpf; dort, wo die Beile ganze Arbeit verrichtet hatten, blieb nicht einmal eine Narbe übrig. Er wirkte weder verwirrt noch in anderer Weise angeschlagen, als er die restlichen Orks auf die Zwerge hetzte und sich selbst zum Hügel wandte, um den unerwarteten magischen Kontrahenten zu vernichten.

»Bringt mir die Artefakte und die Bücher«, schallte es durch die Nacht. »Tötet die Zwerge!«

Der Edelstein seines Gehstabes glomm auf. Nôd’onn reckte die Hände gegen die Anhebung, und die Erde erbebte. Seine Magie grub eine tiefe Furche in das Land und jagte in gerader Linie auf die Gestalt auf dem Rücken der Anhöhe zu. Die Blitze, die aus den Wolken nun auf ihn herabstießen, wurden durch einen Schutzzauber eine Armlänge vor ihm absorbiert.

Ich dachte es mir. Er ist nicht mit irdischen Waffen zu besiegen. Tungdil wies seinen Begleitern den Weg. »Da lang«, keuchte er. »Dort kommen wir auf den Weg nach Süden.«

Die drei hasteten los; um den Orks zu entkommen, legten sie sich in einen Graben und hörten, wie die Feinde ganz in ihrer Nähe vorüberhetzten, ohne dass sie entdeckt wurden.

»Wir hätten weiter kämpfen sollen«, beschwerte sich Boïndil flüsternd.

»Dann wären wir gestorben. Hast du gesehen, dass Nôd’onn sich wieder erhob? Ohne Kopf?« Tungdil drückte sich in die warme Erde. »Er ist mächtiger als das Tote Land.« Sein Blick fiel auf das gerettete Säckchen mit den Artefakten. »Darin steckt der Schlüssel zu seiner Vernichtung.«

»Du bist der Gelehrte. Finde heraus, wie wir es anstellen können«, sagte Boëndal. »Wir kehren zu den Zweiten zurück und berichten ihnen, was der Magus vorhat. Die Zwergenreiche sind in Gefahr, und wie es aussieht, bist du der Letzte, der die Macht hat, den Zauberer aufzuhalten.«

»Alleine nicht.« Seine letzten Gedanken, bevor der Schlaf ihn übermannte, drehten sich um den magischen Widersacher, der Nôd’onn unvermittelt angegriffen und der ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Bitte, Vraccas, lass es Lot-Ionan gewesen sein, wünschte er sich.

Das Geborgene Land, das Zwergenreich des Zweiten, Beroïn, im Spätsommer des 6234sten Sonnenzyklus

»… und so folgte ich ihnen durch den Wald, aber plötzlich waren sie verschwunden«, beendete der Gnom seine Schilderungen. Er lockerte das Band ein wenig, das einen dunklen Striemen an seinem Hals hinterlassen hatte. »Ich habe mich aus dem Staub gemacht, um den Orks zu entgehen.«

Bislipur dachte angestrengt nach. Das waren so viele Neuigkeiten, dass er seine Pläne und Vorhaben neu angehen musste. »Also sind sie auf dem Weg hierher«, sagte er vor sich hin.

»Die Orks oder die Zwerge?« Swerd wurde ignoriert. »Solltet Ihr den Clans nicht Bescheid geben, dass dieser Mensch beabsichtigt, früher oder später auch gegen die Zwerge in den Krieg zu ziehen? Seid Ihr so niederträchtig, dass Ihr es tatsächlich verschweigen wollt?«

Bislipur hinkte zum Ausgang. »Warte hier und lass dich nicht blicken, ehe ich es dir sage«, befahl er ihm und verließ den Raum.

»Aber sicher, furchtbarer Meister«, seufzte der Gnom, ließ die Beine baumeln und wartete.

Bislipur pochte gegen die Tür zu Gandogars Unterkunft. »Öffne«, rief er, »wir müssen ein paar Dinge bereden.«

Gandogar erschien im Eingang und schaute seinen Mentor verwundert an. »Draußen, Bislipur?«

»Ein Spaziergang tut uns beiden gut. Zumal ich schon zu sehr ins Gerede gekommen bin, ich würde zu viele Stunden hinter verschlossenen Türen verbringen, um ein Komplott gegen den Großkönig zu schmieden«, meinte er säuerlich. »Dieses Mal sollen uns die anderen sehen.«

Gandogar warf sich einen leichten Umhang über seine Rüstung und folgte Bislipur durch die Felsenlabyrinthe von Ogertod.

Sie liefen an den gemeißelten Werken der Zweiten vorüber. Die Clans hatten aus dem einfachen Stein Dinge geformt, die gerade wegen ihrer schlichten Schönheit eine enorme Anziehungskraft besaßen; ihr Können vollendete das Alltägliche und veränderte es zu Außergewöhnlichem. Die Worte seines Begleiters lenkten Gandogar vom Betrachten ab.

»Ich sagte«, wiederholte Bislipur leise, »dass uns ein langes Warten zum Verhängnis werden kann. Die Haltung des Großkönigs ist reiner Starrsinn, mehr nicht.«

»Und was schlägst du vor?«

»Ich habe in der Zwischenzeit mit vielen anderen Clans gesprochen. Sie sind dafür, dass wir die Elben endlich angreifen und vernichten, ehe uns das Tote Land zuvorkommt.«

Gandogar wurde aufmerksam. »Wäre das so schlimm? Damit müssten wir uns nicht um sie sorgen.«

»Nein. Es machte die Sache schlimmer als besser«, erklärte er. »Erinnere dich an die Macht des Schreckens: Was stirbt, kehrt zurück. Unser Volk müsste dann gegen untote Elben kämpfen, die kaum aufzuhalten sind. Die Kräfte des Toten Landes sind gewaltig.« Er humpelte neben dem König her, das Kettenhemd klirrte leise. »Oder die Elben flüchten sich an einen anderen Ort, an dem wir sie niemals wieder aufspüren, um sie ihrer gerechten Strafe für ihre Taten an den Zwergen zuzuführen. Deine Rache für den Tod deines Vaters und deines Bruders wäre dahin.«

Bislipur redete gedämpft, aber eindringlich. Die Zwerge, die ihnen unterwegs begegneten, würden annehmen, sie berieten sich, um in der nächsten Versammlung ihre Argumente vorzutragen.

»Du musst den Thron besteigen und die anderen Stämme gegen Âlandur führen«, beschwor er Gandogar. »Es gibt Anzeichen, dass das Tote Land die längste Zeit still gewesen ist. Sollte es sich regen, müssen wir in unseren Festungen sein und warten, bis der Sturm vorübergezogen ist.«

»Du hast den Großkönig gehört. Er hält sich an die Gesetze unserer Ahnen«, machte ihn Gandogar aufmerksam. »Daran muss und werde auch ich mich halten.«

Sie gelangten in ein wunderschönes, lichtdurchflutetes Tal, dessen sattgrüne Grashänge voller Schafe und Ziegen waren. Die schroffen Gipfel türmten sich zu beiden Seiten auf. Auf den König wirkte es, als stächen sie in die Wolken und zwängen sie zum Anhalten.

»Schau, wie friedlich es ist«, seufzte er und setzte sich auf einen Stein. »Ich wünschte, unsere Ratversammlungen verliefen ebenso ruhig.«

»Der Vergleich passt.« Die kalten Augen Bislipurs schweiften zu den steilen Weisen. »Die anderen Zwerge benehmen sich wie Schafe. Sie kommen rein, blöken durcheinander, bis sie ihr Futter und ihr Bier erhalten haben, und kehren zufrieden in ihre Verschlage zurück.« Er legte seine Hand auf die Schulter des Herrschers. »Du bist ein König, Gandogar, der es nicht verdient, länger auf einen dahergelaufenen Anwärter zu warten. Fordere eine Entscheidung und überlass es mir, die Mehrheit der Clans zu überzeugen.«

»Du verlangst viel von mir.« Gandogar stand auf. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort und kehrten in die unterirdischen Gänge zurück, die sie tiefer ins harte Fleisch des Massivs brachten.

Sie passierten steinerne Bogenbrücken und wandelten auf deren gravierten Rücken über Schächte, deren Grund sie nicht erkennen konnten. Es waren stillgelegte Stollen, in denen es nichts mehr zu holen gab. Der Berg hatte seine Reichtümer an die Zwerge verloren und trug offene, schwarze Wunden davon.