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»Boïndil, Schluss mit den Kindereien!«, befahl Boëndal ernst. Er schnitt einen Sehschlitz in die Hinterwand und schaute hinaus. »Hier ist noch alles ruhig«, berichtete er. Der scharfe Krähenschnabel zertrennte den Stoff spielend. Der Zwerg huschte nach draußen und sicherte die Umgebung, ehe er den anderen ein Signal gab, ihm zu folgen.

Die Gruppe war ein paar Schritte weit gekommen, als vor Boëndal ein langer schmaler Schatten emporwuchs und ihn ohne Vorwarnung attackierte.

Sein Helm bewahrte ihn davor, dass das gegnerische Schwert ihm den Schädel spaltete; der harte Treffer reichte jedoch aus, um ihn in die Knie brechen zu lassen.

»Elb oder Alb, dafür stirbst du!« Sein Bruder sprang mit einem wilden Schrei herbei und trieb den Widersacher zurück.

Als dessen Umhang zur Seite rutschte, sahen sie eine geschwärzte Plattenrüstung, die bis zu den Unterschenkeln reichte. Das anmutige Gesicht des Angreifers und die spitzen Ohren verrieten ihnen, wer ihre Flucht vereiteln wollte.

Auch Djerůn stand unvermittelt einem albischen Gegner gegenüber und lieferte sich einen heftigen Kampf. Auf Andôkais Hand erschien eine flirrende schwarze Kugel, aus der sie einen knisternden Blitz gegen einen dritten Alb sandte, der sie zum Ziel seines Angriffs gewählt hatte.

Tungdil dachte, das Spitzohr werde verglühen, doch nichts dergleichen geschah. Der Alb streckte den Arm aus, hielt der heranzischenden Energiebahn einen Kristall entgegen, der die magische Entladung anzog und restlos in sich aufnahm, ohne dass dem Träger etwas geschah. Die Maga fluchte laut und zog ihr Schwert.

Der Zwerg blickte sich um, ob irgendwo ein vierter Gegner abgeblieben wäre. Zu seinem Schrecken sprang ein weiterer Alb von einem Karren und landete genau vor seinen Füßen. Rote Handschuhe, langer, schmaler Speer und goldene Haare … Sinthoras! Es war einer der beiden, die er damals bei den Orks vor Gutenauen belauscht hatte. Er sagte etwas zu ihm.

»Sprich deutlich«, forderte Tungdil ihn bockig auf. Die Angst wich der Aufsässigkeit seines Volkes, und der Zwerg weigerte sich, vor dem Wesen zu kapitulieren.

»Sieh mich an. Dein Tod heißt Sinthoras«, flüsterte der blonde Alb mit sanfter Stimme. »Ich nehme dir das Leben, wie ich es allen Unterirdischen genommen habe, denen ich begegnet bin.«

»Du irrst. Vraccas steht mir bei wie damals in Grünhain, als wir eine von euch vernichteten«, erwiderte Tungdil grimmig. Er wollte nicht länger warten, bis sich das Spitzohr zu einer Attacke entschied. »Für Lot-Ionan und Frala!«, rief er und drosch zu.

Sinthoras lachte und wich den mit Eifer, aber mit wenig Vernunft geführten Axtschlägen gewandt aus. Er begriff sofort, dass er es mit einem unerfahrenen Kämpfer zu tun hatte und gönnte sich den Spaß, sein Opfer zu quälen, bevor er es tötete.

Der Spieß mit der langen, dünnen Spitze bohrte sich schmerzhaft, aber nicht tief zwischen den Kettenringen und der Kleidung darunter hindurch und traf Tungdils linke Schulter. Der Stich reizte den Zwerg; wütend ging er gegen den Alb vor, ohne zu merken, dass sein Gegner nur mit ihm spielte.

Dabei lockte Sinthoras ihn immer weiter von seinen Begleitern weg und tiefer ins Gewirr der Zelte hinein. Der Alb tänzelte über die gespannten Schnüre und an den Pflöcken vorbei, während Tungdil immer wieder ins Stolpern geriet und alle Mühe hatte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Die Angriffe des Speers kamen zu schnell, als dass er sie mit der Axt hätte parieren können. Mal stand Sinthoras vor ihm, im nächsten Moment spürte er einen Stich im Rücken; Blut sickerte aus den vielen kleinen Wunden, die verteufelt brannten.

Erst als Tungdil sich kurz umdrehte und seine Begleiter und sogar Djerůn vor lauter Stoffbahnen und Masten nicht mehr sah, bemerkte er seinen Fehler. Doch auch von Sinthoras fehlte plötzlich jede Spur; der Alb liebte es, sein tödliches Spiel zu treiben.

Die Menschen in der Oase kämpften mit dem Mut der Verzweiflung und der Gewissheit, keine Gnade von den Orks erwarten zu dürfen, während die Bestien alles daran setzten, die Güter der Händler und deren Fleisch zwischen die Zähne zu bekommen.

Die ersten Zelte stürzten zusammen und fingen Feuer. Das Wasser des Sees spiegelte die Flammen und die Grausamkeiten verzerrt wider, bis zu viele Wellen seine Oberfläche kräuselten.

»Wo bist du?« Verdammt, gegen einen Ork zu kämpfen ist einfacher. Tungdil beschloss, sich auf dem kürzesten Weg zurück zu den anderen zu machen, falls der Alb das zuließe.

Sinthoras aber ließ es nicht zu.

»Du hast mich gerufen?« Wie aus dem Nichts tauchte er in Tungdils Rücken auf und rammte ihm den Speer mit Wucht in die rechte Schulter.

Der Zwerg glaubte zu spüren, wie etwas in seinem Arm riss; schon fühlte er sich an, als bestünde er aus flüssigem Feuer. Die Hand öffnete sich, und die Axt schlug auf den Boden.

Sein Gegner zog ihm die Beine unter dem Leib weg, sodass er mit dem Gesicht voraus stürzte, und schwang sich auf ihn. Einige Ringe des Kettenhemds klingelten leise, als der Alb die lange Speerspitze von hinten auf der Höhe des Herzens einfädelte.

»Ich gab dir das Versprechen, dein Tod zu sein«, wisperte er in Tungdils Ohr. »Ihr hättet das Buch in Grünhain lassen sollen, dann wäre euch nichts geschehen.«

»Was ist mit dem Buch?«, ächzte Tungdil. »Sag es mir, ehe du mich tötest.«

Der Alb lachte. »Ihr wisst nicht einmal, was ihr die ganze Zeit über mit euch herumgetragen habt? Bei Tion, so einfältig können nur Unterirdische sein.« Er dachte nach. »Es ist unglaublich wertvoll. Du könntest für eine Silbe des Geheimnisses einen Sack Gold verlangen und dich zum reichsten Wesen des Geborgenen Landes machen. Oder du würdest das Geheimnis selbst anwenden und zu einem Helden erwachsen, wie ihn die Welt nicht kennt. Du hattest den Schlüssel zu Großem in der Hand.« Der Druck der Waffe nahm zu. »Ich finde den Gedanken, dich in diesem Wissen sterben zu lassen, überaus reizvoll«, sprach er sanft, aber voller Boshaftigkeit.

Sinthoras wechselte in seine Albaesprache und murmelte Worte, die der Zwerg zwar nicht verstand, die ihm aber eine Gänsehaut verursachten. Gleich würde die Klinge durch sein Herz fahren und seinem Leben ein Ende bereiten.

Da fiel ein gewaltiger Schatten über sie. Ein schwerer Gegenstand surrte durch die Luft, und schon sah Tungdil den Alb über sich hinweghechten, was dieses Mal keineswegs elegant wirkte. Er stürzte kopfüber gegen eine Zeltwand und riss sie ein.

Djerůn schritt an dem Zwerg vorbei und setzte Sinthoras nach. Er gebrauchte die Unterseite seines Schildes wie ein Hackmesser; dessen Kante und die riesige Axt stießen abwechselnd in das Knäuel aus Stoff, bis sich die Leinwand von innen rot färbte und sich nichts mehr darunter regte. Drei Orks, die ihn an seinem Tun hindern wollten, mähte er einfach nieder.

Was nun geschah, wollte Tungdil zuerst nicht glauben.

Der Krieger, der mit dem Rücken zu ihm stand, beugte sich vor und öffnete das Visier, wie der Zwerg an der Armbewegung zu erkennen glaubte; dann riss er sich ein Stück aus einem getöteten Ork heraus und hob den Blut triefenden Fetzen vor sein Gesicht.

Was macht er da? Der Zwerg stemmte sich stöhnend auf die Knie, nahm seine Axt als Stütze und rief nach Djerůn.

Der Kämpfer richtete sich auf, wandte sich ihm überrascht zu und klappte dabei das Visier nach unten.

Im Schein der brennenden Zelte erkannte Tungdil eine knöcherne, hautlose Grimasse, breite Kiefer mit vorstehenden Reißzähnen und geschlitzte Augen. Der Sichtschutz arretierte klickend, und wieder glomm es violett hinter den Augenschlitzen der Dämonenmaske. Der Klumpen Orkfleisch war verschwunden; nur die Panzerhandschuhe, die vom Blut des Gegners dunkelgrün und feucht glitzerten, sowie der verstümmelte Orkkadaver zeugten davon, dass eben etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war.

Was ist das? Es ist nicht einmal ein Ork, ein Oger oder etwas Vergleichbares!

Djerůn deutete mit seiner Axt in die Richtung, aus der er gekommen war, und half dem Zwerg, sich in dem Gewirr aus Zelten zurecht zu finden. Sie liefen zurück, wobei Tungdil es dem Krieger überließ, auftauchende Orks zu töten. Seine Wunden schmerzten zu sehr.