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Da wurden die Flügeltüren mit Macht aufgestoßen.

»Kein Bier! Nicht jetzt!«, schrie Gandogar zornentbrannt, weil er dachte, weitere Fässer mit gebrautem Gerstensaft sollten hereingebracht werden.

»Der zweite Thronanwärter ist angekommen!«, rief ein Bote stattdessen.

Die Köpfe der Zwerge schnellten herum; gespannt schauten sie zum Eingang, in dem sich die Silhouetten von drei Zwergen, einer Langen und eines gewaltigen Kriegers abzeichneten. Gemurmel setzte ein.

»Ich werde zuerst mit ihm reden«, sagte Gundrabur erleichtert, »und ihn willkommen heißen. Allein.« Er kehrte mit Balendilíns Hilfe auf den Thron zurück und wartete, dass die Abgesandten die Halle verließen.

Sie warfen dem unbekannten Zwerg, der zwischen den Zwillingen stand, neugierige Blicke zu, wagten es aber nicht, ihn anzusprechen. Bis auf Bislipur.

Drohend baute er sich vor Tungdil auf. »Du bist keiner von uns!«, stieß er verächtlich aus. »Kehre zu Lot-Ionan zurück und lass die Zwerge ihre Angelegenheit selbst regeln. Wir brauchen dich nicht, wir haben bereits einen Nachfolger.«

»Und wir bringen einen besseren«, erwiderte Boëndal kalt und schob sich vor den Schützling. »Du hast Gundrabur gehört. Raus, Bislipur.«

Ingrimmsch stellte sich an die Seite seines Bruders und grinste Gandogars Mentor an. »Wenn du Streit suchst, Zweiter, lass es mich wissen. Ich rasiere dir den Bart mit meinen Beilen«, zwinkerte er ihm zu. Bislipur schnaubte und ging davon. Die Tore schlossen sich und sperrten auch Andôkai und Djerůn aus.

Der Großkönig winkte die drei zu sich. Er und sein Berater blickten freundlich auf Tungdil herab. »Der verlorene Sohn kehrt zu seinem Volk zurück«, begrüßte er ihn und stand auf, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. »Vraccas sei Dank, dass er uns dich hat finden lassen.«

Ergriffen beugte Tungdil das Haupt; die Aufregung machte seine Kehle trocken, und er bekam kein Wort heraus. Er fühlte sich dreckig und verschwitzt, seine Wunden schmerzten trotz der Behandlung durch Boïndil noch immer, und der Griff des Großkönigs traf eine empfindliche Stelle. Alles in allem sollte man dem Herrscher über alle Stämme der Zwerge so nicht unter die Augen treten, doch der sah über seinen ungepflegten Zustand gütig hinweg.

Gundrabur richtete sich an die Zwillinge. »Ihr seid eurem Ruf als die besten Krieger mehr als gerecht geworden«, lobte er sie. »Mein Dank ist euch gewiss. Geht nun und ruht euch aus.«

Ingrimmsch wandte den Blick zu Boden, weil er die Anerkennung nicht annehmen wollte. Seit dem Vorfall in der Oase machte er sich unentwegt Vorwürfe, versagt zu haben, denn ohne Djerůn wäre der Thronanwärter tot. Das nagte schwer an ihm. Gemeinsam mit seinem Bruder verließ er die Halle.

»Bevor ich dir alles erkläre, berichte uns, was ihr unterwegs alles erlebt habt«, forderte Balendilín ihn auf auf.

Tungdil würgte seine Aufregung hinunter; er war dankbar, dass er von seiner Reise erzählen durfte. Während seines Berichts gewann er mehr und mehr seine Ruhe zurück. Doch die riesigen Hallen, die monumentalen Bollwerke und Mauern, die Statuen, das allgegenwärtig Zwergische drohten ihn zu überwältigen.

»Bevor ich beginne, bitte ich darum, dass Andôkai und Djerůn mit allem versorgt werden, was sie benötigen. Sie haben mir unterwegs Beistand geleistet.« Unbewusst war er in eine vornehmere Ausdrucksweise verfallen, es mochte an der Umgebung liegen.

Der Einarmige versprach es. Daraufhin hob Tungdil an zu erzählen. Von Lot-Ionan und der Zeit bei den Menschen, von seinem Auftrag, der ihn zum Schwarzjoch und nach Grünhain geführt hatte, von Nudins – oder Nôd’onns – Verrat an den anderen Zauberern und dem Geborgenen Land, vom Kopfgeld auf Zwerge, von den geheimnisvollen Büchern und den Albae, die sie unbedingt in ihren Besitz bringen wollten, und von Nôd’onns Absicht, die Zwergenreiche ebenso zu erobern wie den Rest der bekannten Welt.

Die Zeit verstrich, während er mit glühenden Wangen berichtete und sich große Mühe gab, nichts zu schönen oder unnötig auszuschmücken.

Nur einmal geriet er ins Stocken, und das aus einem sehr verständlichen Grund. Die Tür öffnete sich, und drei Zwerginnen brachten ihnen zu essen und zu trinken. Von da an konnte Tungdil den Blick kaum mehr von den Wesen wenden, von denen er in vielen Nächten geträumt hatte und deren Nähe er sich so sehr wünschte. Sie waren ein wenig kleiner als er, nicht ganz so breit gebaut, aber durchaus robust, was er trotz der robenähnlichen Gewänder erkennen konnte. Ihre rundlichen Gesichter waren von einem dünnen, kaum merklichen Flaum bedeckt, der vom Wangenbein abwärts bis zum Unterkiefer deutlich zu sehen war. Die Härchen, die stets die gleiche Farbe wie der Schopf hatten, sahen weich und nicht so borstig aus, kein Vergleich zur Bartpracht eines Zwergenmannes. Daher stammte sicherlich die Legende, dass die Frauen der Zwerge Bärte trügen. Tungdil fand ihren Anblick sehr ansprechend.

Als sie ihn dann auch noch zurückhaltend, aber durchaus freundlich anlächelten, begann sein Herz zu pochen. Erst als die drei Zwerginnen die Halle verlassen hatten, konnte er den Faden seiner Erzählung wieder aufnehmen. Gundrabur und Balendilín sagten nichts zu der Unterbrechung, der Einarmige aber konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Tungdil endete mit dem Bericht über den Angriff auf die Oase und fasste den Henkel des Humpens, aus dem es nach Bier roch. Er kostete es mit trockenem Mund und spürte den malzigen Geschmack des starken schwarzen Gebräus auf der Zunge. Ihm genügte der vorsichtige Schluck, um zu wissen, dass er den Braumeister jetzt schon umarmen könnte. Alle Kunst der Menschen taugte nichts, die Zwerge besaßen die besseren Rezepturen. Er nahm einen großen Schluck.

»Du bringst keine guten Neuigkeiten, Tungdil«, sagte der Großkönig nachdenklich. »Wir wollen ehrlich mit dir sein, also ist es an uns, dir vom Rat der Stämme zu berichten.« Diese Aufgabe übernahm der Berater des Herrschers, der in knappen Worten schilderte, welche Streitigkeiten es im Gremium über den Krieg gegen die Elben und um seine Person gab. »Deine Erzählungen beweisen mir, dass wir nur als Gemeinschaft etwas gegen das Tote Land und seine Verbündeten erreichen können: Menschen, Elben und Zwerge.«

Tungdil holte tief Luft. »Dieses Bündnis wird nichts bringen, wenn wir das Rätsel der Bücher und Artefakte nicht lösen«, erinnerte er. »Es muss ein Mittel gegen Nôd’onn geben, das er sehr fürchtet. Aber ohne Andôkai die Stürmische und ihr Wissen sind uns die Hände gebunden. An ihr hängt alles, doch sie beabsichtigt, dem Geborgenen Land den Rücken zu kehren. Ohne jenes Wissen sind wir dem Toten Land ebenso ausgeliefert wie die anderen Königreiche.«

»Es ist bitter mit anzusehen, wie schnell das Böse vorankommt«, murmelte Gundrabur bedrückt und schloss die Augen. »Ich werde mit der Maga reden und versuchen, sie zu überzeugen.«

Tungdil sagte nichts, aber er wusste, dass er sich die Worte sparen konnte. Die Zauberin dachte in anderen Maßstäben als die Zwerge. Während er über Andôkai nachdachte, fiel ihm ein, dass sie in die Festung gelangt waren, ohne dass Djerůn die Maske hatte abnehmen müssen. Er selbst hatte es ebenso vergessen wie die Zwillinge oder die Wachen an den Toren. Ohne Prüfung ließen die Zwerge den riesenhaften Krieger hinter die Mauern! Das kann sie nur mithilfe von Magie geschafft haben, dachte er im Stillen und entschied, vorerst keinen darauf aufmerksam zu machen, am wenigsten Ingrimmsch, der bei seinem halb wahnsinnigen Verstand sicherlich vor Wut im Dreieck spränge und den Krieger zum Zweikampf forderte.

Doch es war an der Zeit, eine weitere Angelegenheit zu klären. »Haltet mich nicht für undankbar, ich freue mich sehr, endlich bei meinem Volk zu sein, doch den Thron werde ich nicht besteigen«, lehnte er eine Regentschaft bereits im Vorfeld ab. »Es gibt einen Nachfolger, der weitaus geeigneter ist als ich, denn ich wuchs bei den Menschen auf und beziehe all mein Wissen über die Zwerge aus Büchern. Fehlerhaften Büchern, wie ich erkennen muss«, fügte er hinzu. »Mein Wunsch ist es, den Verzicht auf meinen Anspruch zu erklären und mit den Vierten zu ziehen. Die Zwerge brauchen einen von allen anerkannten Großkönig.«