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Er schickte jeweils zwei Beobachter zur Wiese und zum Eingang, die kontrollieren sollten, ob die beiden Zwerge mit ihrer heißen Fracht auch tatsächlich dort ankamen.

Das ist eine Prüfung nach meinem Geschmack, dachte Tungdil, während er in die Riemen des Rucksacks schlüpfte. Er war die Hitze der Esse gewohnt, und das sonnengelbe Metall mit sich herumtragen zu dürfen, machte ihn erst recht froh. Gepäck hatte er während seiner langen Wanderung auch geschleppt, dass ihn die paar Pfund auf dem Rücken nicht weiter störten.

Ein Zwerg reichte ihnen die dickwandigen Becher aus gepresstem Sand und mit einer dünnen Eisenwand. Die Hitze, die von dem geschmolzenen Gold ausging, war mörderisch und betrug einige hundert Grad. Falls es überschwappte und über die Hand liefe, würde es sich in die Haut brennen und den Zwergen schwere Verletzungen zufügen.

»Lauft!«, rief Balendilín, und das Rennen begann.

Gandogar würdigte den Becher keines Blickes, sondern schaute auf den Weg vor sich. Tungdil machte es genau umgekehrt, weil er sich so sehr am Anblick des flüssigen Goldes erfreute; seine Füße würden von selbst sicher treten, wie sie es schon bei seiner langen Wanderung taten.

Der König gewann rasch einen Vorsprung und verschwand aus der Halle, doch Tungdil folgte ihm ohne Hast. Balendilín hatte ausdrücklich gesagt, dass derjenige gewänne, der als Erster zurückkäme und nichts verschüttete. Lieber ging er gemütlicher und brachte alles mit zurück, als dass er etwas von dem kostbaren Gut vergoss. Wann immer die Hitze zu groß wurde und seine vom Schmieden abgehärtete Hand zu verbrennen drohte, setzte er den Becher kurz ab.

Er bog eben in das Tal ein, als ihm Gandogar entgegenkam.

»So wirst du mich nicht besiegen, Tungdil«, grüßte er ihn im Vorbeigehen herausfordernd. Es roch nach schmorendem Horn, der König setzte den Becher nicht ab, um seine Finger zu schonen. Noch war nichts übergelaufen.

Tungdil trat hinaus ins Freie, setzte wieder den Becher ab und nahm die Verfolgung auf. Verflucht, ich habe mich zu sehr darauf verlassen, dass Gandogar einen Fehler begeht, schimpfte er sich selbst.

Seine Arme begannen allmählich zu zittern. Der Kampf und das Schmieden hatten ihm die Kraft geraubt, doch es half nichts, er musste weiter. Er erreichte das Tor, aber Gandogar lief bereits schwitzend und fluchend zurück. Er hatte noch immer nichts verschüttet, sondern grinste siegessicher, als er Tungdil sah.

»Ich hole mir den Ausgleich. Die letzte Prüfung wird entscheiden«, versprach er.

Damit hatte er den Ehrgeiz und den Trotz seines Widersachers geweckt. Das werden wir sehen, dachte Tungdil und beeilte sich, um Gandogar so schnell wie möglich einzuholen.

Da wischte ihm eine kleine Gestalt um die Füße und brachte ihn zum Stolpern. »Was, bei Vraccas …«

Das flüssige Gold geriet in Aufruhr, wogte gefährlich vor und zurück, aber Tungdil dachte nicht im Traum daran, seine Fracht fallen zu lassen. Als eine kleine Welle über den Rand schwappte und ihm über den Handrücken rann, biss er die Zähne zusammen und gab keinen Laut von sich, auch wenn die Schmerzen grausam waren. Wütend schaute er sich im Gang um und suchte, wer ihm da ein Bein gestellt hatte, entdeckte aber niemanden.

Durch den Vorfall erreichte er die Halle des Rates als Zweiter, zudem hatte er von dem Gold eingebüßt und somit ohnehin verloren. Gandogar bezahlte seinen Sieg mit riesigen Brandblasen an beiden Händen, die von einer Zwergin mit Eiswasser behandelt wurden.

Dieses Mal war es an Tungdil, seinem Rivalen zu gratulieren, was er nur mit Worten tat, um die Hände des Königs zu schonen. Dann steckte auch er seine geschundene Hand in das Eiswasser. »Du hast dein Ziel, wie du es mir unterwegs versprochen hast, erreicht.«

»Ich werde auch meine zweite Ankündigung wahr machen«, entgegnete Gandogar und wandte sich ab.

Tungdil begutachtete seine Verletzung. Das erstarrte Gold wollte sich nicht mehr von Haut lösen und haftete als münzgroßer Fleck darauf.

Boïndil bemerkte, dass die Rechte Tungdils im Schein der Kohlebecken funkelte. »Sieh nur, Bruderherz, was er gemacht hat!«

»Damit haben wir endlich einen Ehrennamen für den Gelehrten«, scherzte Boëndal. »Tungdil Goldhand klingt nicht schlecht, wie ich finde. Wir werden es ihm später vorschlagen.«

»Es ist besser als Bolofar«, nickte Ingrimmsch.

»Hört her, Clans und Stämme! Es steht unentschieden«, verkündete Balendilín. »Damit wird der letzte Wettstreit von entscheidender Bedeutung, sowohl für die Thronanwärter als auch für die Zukunft aller Stämme.« Er wies die beiden an, ihre eigenen Vorschläge zu Papier zu bringen.

Worin ist er nur zu schlagen? Tungdil zögerte und dachte nach, dann grinste er. Natürlich! Ihm war eine ganz besondere Aufgabe eingefallen.

Sie falteten die Blätter exakt gleich und warfen sie in einen Ledersack, den ihnen der Berater des Großkönigs offen hinhielt. Dann schnürte Balendilín den Sack locker zu, schüttelte ihn, damit sich die Zettel vermischten, und schritt die Reihen der Abgesandten entlang. Vor Bislipur blieb er stehen.

»Damit es nicht heißt, ich hätte Schuld, wenn eine Aufgabe gezogen wird, die deinen Schützling benachteiligt, möchte ich, dass du es tust, Freund Bislipur.« Balendilín hielt ihm den Beutel hin.

Der grobschlächtige Zwerg riss ihm den Sack mehr aus der Hand, als dass er ihn ergriff, und löste den Riemen. Seine gnadenlosen Augen hielt er fest auf die seines Gegenübers gerichtet.

Ohne hinzuschauen, langte er hinein, rührte einmal dahin herum und zog die Hand wieder heraus. Während er den Arm hob, rutschte ihm der Zettel aus der Hand, und er musste ein zweites Mal zugreifen. Wortlos hielt er Balendilín das Stück Papier hin. Tungdil konnte nicht erkennen, ob es sich dabei um einen seiner Vorschläge handelte oder nicht.

»Nein. Du hast gezogen, du liest vor«, lehnte der Unparteiische ab.

Erst jetzt senkte Bislipur den Blick; er faltete das Papier auseinander, die Augen huschten über die Zeilen. »Nein, das war nicht der Zettel, den ich als Erstes zog«, meinte er dann leichthin und wollte ein weiteres Mal in den Beutel langen.

»Halte dich an die Regeln.« Balendilín nahm ihm den Ledersack weg. »Du hast gewählt, also verkünde die fünfte Aufgabe.«

Bislipur presste die Lippen aufeinander, als könnte er damit verhindern, dass die Worte an die Ohren der Clans drangen. Er holte Luft; es kostete ihn Überwindung, die Tungdil hoffen ließ.

»Eine Expedition. Die nächste Prüfung besteht darin, eine Expedition zu führen, die mit der Feuerklinge aus dem Grauen Gebirge zurückkehrt«, gab er wütend kund, »und mit der Waffe den Kampf gegen Nôd’onn aufzunehmen.«

Gundrabur entfuhr ein erleichtertes Stöhnen. Balendilín senkte die Lider und erlaubte sich ein schwaches Lächeln.

Ausgerechnet Bislipur wollte die Machtbestrebungen seines Schützlings bremsen. In diesem Augenblick wurde deutlich, dass die meisten die Schläue des zweiten Thronanwärters unterschätzt hatten. Die Versammlung schwieg, die Überraschung lähmte die Zungen der Clans.

Bevor jemand das Wort ergriff oder Protest laut wurde, trat Tungdil nach vorn. »Ich nehme die Prüfung an, da sie von mir niedergeschrieben wurde«, rief er und blickte abwartend zu Gandogar.

Der König bebte. »Ich nehme die Aufgabe ebenfalls an«, knurrte er.

»Halt! Das Los ist ungültig«, versuchte Bislipur die langwierige Prüfung abzubiegen, die den Krieg gegen die Elben zunichte machen würde. »Dies war nicht der erste Zettel, den ich gezogen habe, ihr habt es gesehen!«

Balendilín blieb unerbittlich. »Da weder du noch ich wissen, welches das erste Papier war, das in den Sack zurückfiel, wird an der Entscheidung nichts mehr geändert. Die beiden Bewerber haben die Aufgabe angenommen, und somit wird der Ausgang der Prüfung entscheiden, wer Gundrabur nachfolgt.«