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Sie erklärten ihm, in welcher Kneipe der Betrüger zu finden war, und Tungdil stampfte durch die Gänge, um ihm die Meinung zu sagen.

Er fand die Kneipe schnell. Sie war im Stil eines Tonnengewölbes angelegt; an den hohen Mittelpfeilern hingen Lampen und von der Decke baumelten Laternen, deren gelbe Scheiben goldenes Licht verbreiteten. Am hinteren Ende stand der steinerne Schanktisch mit vier Zwerginnen dahinter, die Bier aus riesigen, dunklen Fässern zapften und es den wartenden Gästen brachten. Zwei Krummhornspieler, ein Steinflötist und ein Trommler sorgten für die Musik – oder besser gesagt, sie sorgten für die Begleitung des Chores.

Hammerfaust hockte mit anderen staubbedeckten Zwergen zusammen, die ihr Tagwerk im Steinbruch beendet hatten, und feierte seine Berufung in die Expedition zum Grauen Gebirge, wie es sich für einen Steinmetz gehörte: Er schwenkte den Krug und schmetterte mit den anderen ein Lied, dass der Fels erbebte. Weißer Schaum quoll über den Rand und troff auf die braune Lederhose.

»Bavragor!«, rief Tungdil ihn in scharfem Ton zu sich.

»Da ist der künftige Großkönig!«, begrüßte der Zwerg ihn und hob den Humpen. »Es lebe Tungdil Goldhand!« Seine Trinkbrüder taten es ihm nach; graue Staubwolken stiegen in die Höhe, wenn sie sich zu schnell bewegten.

Tungdils Wut kochte hoch. Mit großen Schritten durchquerte er die Wirtschaft, riss dem Steinmetzen den Becher aus der Hand und stellte ihn hart auf den Tisch. »Du wirst mich aus meinem Schwur entlassen, weil du mich betrogen hast! Balendilín hat dich gar nicht zu mir geschickt.«

»Vorsicht mit dem Bier, es wäre schade drum«, erwiderte Hammerfaust unschuldig lächelnd. »Habe ich behauptet, dass mich jemand zu dir geschickt hätte?«

Verdutzt stockte Tungdil. »Nein … aber …«

Bavragor nahm den Becher in die Hand. »War es eine Voraussetzung?«

»Nein … zumindest …«

»Ich sage dir, wie es war. Ich bin in deine Kammer gekommen und habe dich gefragt, ob du mich aufnimmst. Du hast mir dein Wort und deine Hand drauf gegeben. So einfach ging es.« Er nahm einen langen Zug. »Sei beruhigt, denn du hast den besten Steinbildner bei dir, den du im Reich der Zweiten findest, das ist nicht gelogen. Du hast meine Fertigkeit beim Einzug in die Festung bewundert, wie ich annehme. Inschriften, Statuen, überall habe ich mitgewirkt.« Er hob die Rechte. »In dieser Hand lag die deine, und sie war gut aufgehoben. Geh und suche dir einen Gemmenschneider bei den Vierten, damit wir aufbrechen können.« Er wandte sich seinen Freunden zu und stimmte das nächste Lied an.

Ausgetrickst! Wutschnaubend machte sich Tungdil von dannen. Er ärgerte sich und wusste nicht einmal genau, worüber. Womöglich hatte er den besten Steinmetzen gefunden, aber die unverschämte Art und Weise, wie Bavragor die Wahl für sich entschieden hatte, brachte ihn auf.

Auf halbem Weg zu Gandogar musste er plötzlich lachen. Wieder einmal zeigte sich, wie sehr das Sprichwort von der Frechheit, die siegte, sich bewahrheitete. Vraccas hängte ihm, dem Hochstapler, einen Säufer ans Bein, der sich durch seine Unverfrorenheit die Teilnahme an der Expedition sicherte. Ich muss nur dafür sorgen, dass wir im Grauen Gebirge genügend Bier und Branntwein im Gepäck haben, damit seine Finger ruhig sind. Außerdem werde ich mich erkundigen, ob ich wirklich den Besten habe. Balendilín wird es wissen.

Schließlich stand Tungdil vor der Halle, in der er sich mit dem König der Vierten treffen wollte, eines der beiden Stücke Sigurdazienholz bei sich tragend.

Gandogar saß zusammen mit fünfen seiner Begleiter am Tisch und wartete. Ihre Kettenhemden und Rüstungen wirkten deutlich protziger als die der Zweiten; sie verwendeten mehr Edelsteine und Diamantsplitter, um sie zu schmücken.

»Es ist nicht meine Art, andere um etwas betteln zu lassen. Du kannst dir die Worte sparen, Tungdil. Ich weiß, was du möchtest.« Der Zwerg deutete auf seine Gefolgsleute, die daraufhin aufstanden. »Such dir einen aus. Sie sind alle Meister ihres Fachs und schleifen, schneiden und facettieren Gemmen, Edelsteine und Diamanten wie sonst niemand.«

Tungdil schritt die Reihe ab, betrachtete die Mienen der Zwerge genau und versuchte, seinem inneren Gefühl und der Eingebung zu folgen.

Ausgerechnet vor dem zierlichsten der ohnehin nicht breit gebauten Handwerker blieb er stehen. Eine Ahnung sagte ihm, dass dieser Zwerg genau der Richtige sei. Sein lockiger Bart hing voller Diamantstaub, der sich beim Schleifen der Edelsteine in den Haaren gesammelt hatte. Es sah aus, als hätte er tausende von kleinen Sternen in seinem Bart gefangen. Tungdil blieb stehen.

»Sein Name ist Goïmgar Schimmerbart«, stellte ihn Gandogar vor. »Eine gute Wahl«, fügte er hinzu.

Die verunsicherte Miene des Edelsteinschleifers entgleiste vollends und spiegelte Angst. Er wandte sich zu seinem Herrscher um. »Nein, Gandogar, König … Verlange das nicht von mir«, bat er inständig. »Du weißt, dass …«

»Ich habe versprochen, dass er sich jeden von euch auswählen darf! Soll ich deinetwegen mein Wort brechen?!«, entgegnete Gandogar mit schneidender Stimme. »Du wirst gehen, Goïmgar!«

»König …«, versuchte es Schimmerbart ein letztes Mal schwach.

»Mach uns keine Schande. Du wirst den Anweisungen Tungdils gehorchen, und solltet ihr vor uns an der Esse angelangen, wirst du die Edelsteine so gekonnt schleifen, als ob du es für mich tätest«, ordnete er harsch an. »Geh und kehre gesund wieder.«

Gandogar stand auf und bedeutete den vier Zwergen, ihn zu begleiten. In der Tür hielt er inne und blickte seinen Gegenspieler an.

»Ich wünsche dir nichts Schlechtes, Tungdil Goldhand, aber auch nichts Gutes. Der Thron steht mir zu, und Vraccas wird den Clans durch meinen Sieg zeigen, dass du ein Schwindler bist. Am Ende werden alle mich wählen.«

»Erlange den Titel, König Gandogar«, antwortete Tungdil freundlich und legte ihm das Sigurdazienholz hin, »aber bewahre anschließend das Geborgene Land und damit unser Volk vor Nôd’onn.«

Er drehte sich zur Seite und schritt zur Tür hinaus, ohne eine Entgegnung abzuwarten. Der schmächtige Edelsteinschleifer folgte ihm niedergeschlagen.

Die Zwillinge, Bavragor und Schimmerbart saßen in der Mittelhalle der Bibliothek, einem gigantischen Kreuzrippengewölbe mit zahlreichen Lampen und Spiegeln, die genügend Licht zum Lesen und Arbeiten spendeten. Um sie herum lagerten die Schriftrollen und das gesammelte Wissen aus vielen Jahrhunderten. Umgeben von der Vergangenheit beratschlagten sie, wie sie die Zukunft retten konnten.

Tungdil entrollte eine Karte, auf der das Geborgene Land in Gänze abgebildet war. »Wir schauen uns den Eingang zum Tunnel an«, erklärte er. »Mit Glück und dem Beistand von Vraccas gelangen wir durch die unterirdischen Gänge rasch nach Westen …«

»Süden«, verbesserte der kräftige Bavragor, beugte sich nach vorn und deutete auf das Graue Gebirge. »Wir müssen nach Süden.«

»Später. Zuerst gehen wir nach Westen, um den Stamm der Ersten aufzusuchen«, erläuterte Tungdil den Umweg. »Sie haben immer die besten Schmiede unseres Volkes gestellt, und daher werden nur sie in der Lage sein, die Stahlarbeiten der Feuerklinge zu bewältigen.«

»Das denkst du«, erwiderte Bavragor und schaute ihn mit seinem verbliebenen rechten Auge forschend an. »Wer sagt uns, dass es sie noch gibt? Vielleicht sind sie schon lange von Orks ausgerottet worden?« Er griff nach seinem Humpen Bier. »Wir sollten uns hier einen Schmied holen und gleich ins Graue Gebirge ziehen.«

»Ho! Hört, wir haben einen neuen Anführer«, rief Boëndal laut. »Willst du vielleicht auch noch den Thron für dich beanspruchen, Freund Bavragor?«

»Ein guter Vorschlag. Dann könnte ich verbieten, dass Verrückte wie dein Bruder frei herumlaufen!«, konterte der Steinmetz eisig.

Boïndil kniff die Lider zusammen, die Hand legte sich wie von selbst an den Griff seines Beiles. »Vorsicht, Einauge, sonst musst du dich bald Keinauge nennen.«