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Boëndal wandte sich zu Tungdil. »Sie mochten sich noch nie, und seit der Sache mit Hammerfausts Schwester ist es nicht besser geworden«, raunte er ihm zu.

Tungdil seufzte, er ahnte, dass er unterwegs mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde. »Was war mit der Schwester?«

»Ein anderes Mal, wenn die beiden nicht dabei sind«, wehrte Boëndal ab. »Sonst kommt es noch zu einer Schlägerei. Oder Schlimmerem.«

»Gibt es einen Plan, wie wir an das Drachenfeuer gelangen?«, wollte Goïmgar wissen, der nur etwa halb so breit wie die Zwillinge und Hammerfaust war. »Ich sorge mich schon ein wenig. Orks, das Tote Land, Albae, Drachen …« Er schluckte nervös. »Das sind ziemlich viele … Herausforderungen.«

»Für mich klingt es nach einer guten Zeit«, röhrte Ingrimmsch heiter und schlug dem Vierten auf die Schulter, dass dieser den Mund verzog. »Schweinchen schlachten bereitet jedem Zwerg Freude, oder etwa nicht?!«

Der Schein der Kerzen zeigte, weshalb man Goïmgar seinen Beinamen gegeben hatte; in seinem Bart funkelte es. »Für dich mag das sein, aber ich bevorzuge meine Werkstatt.«

Boïndil beäugte ihn kritisch. »Sag mal, kannst du überhaupt eine Axt führen? Du klingst beinahe wie ein heulendes Langweib und nicht wie ein Kind des Schmieds.« Er sprang auf die Füße und warf ihm ein Beil zu. »Los! Zeig mir, dass du kämpfen kannst!«

Die Waffe fiel scheppernd vor Schimmerbart auf die Steinplatte. Der Vierte rührte sie nicht an, stattdessen pochte er gegen den Griff seines Kurzschwerts. »Ich bevorzuge das und meinen Schild«, antwortete er verschnupft, weil ihn der Krieger mit seinen Spottreden beleidigt hatte.

»Ein Kurzschwert? Ich dachte, das ist dein Brotmesser! Bist du ein Gnom, weil du mit der kleinen Klinge kämpfst?«, lachte der Zwilling ungläubig auf. »Bei Vraccas! Dich muss der Gott aus besonders weichem Stein gemeißelt haben.« Kopfschüttelnd setzte er sich wieder, Bavragor gluckste in seinen Humpen und leerte ihn, um anschließend laut zu rülpsen. Wenn es gegen Goïmgar ging, waren sie sich anscheinend einig.

Boëndal richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Karte. »Nach Borengar also. Wenigstens kommt uns das Tote Land auf dieser Etappe nicht in die Quere. Ich bin gespannt, was es mit den Tunneln auf sich hat und ob wir sie überhaupt befahren können.«

»Wir werden es wissen, wenn eine Lore aus der Schiene springt und wir in den sicheren Tod stürzen«, sagte Goïmgar verzagt. »Schon seit vielen Umläufen war niemand mehr in den Tunneln. Es grenzt an ein Wunder, wenn die …«

»Ich weiß jetzt, warum Gandogar uns diesen Weichsteinzwerg überließ«, meinte Ingrimmsch abfällig. »So viel Gejammer habe ich bei keiner Trauerfeier vernommen.«

»Du hättest meine Mutter hören sollen, als …«, hielt Bavragor augenblicklich dagegen.

»Ruhe!«, rief Tungdil laut. Ernste Zweifel keimten bei ihm auf, ob er diese Gruppe von Widersachern zusammenhalten konnte. Vraccas, gib mir Kraft. »Bin ich denn nur von Zwergenkindern umgeben?! Man könnte meinen, ich wäre der Älteste von uns«, wies er sie zurecht. »Wir treten an, um das Geborgene Land zu retten. Das ist schließlich kein Ausflug, um eine Goldmine oder einen Salzstollen zu betrachten.«

»Ich dachte, wir setzen unser Leben aufs Spiel, um dir auf den Thron zu helfen«, warf Goïmgar spitz ein. Bavragor drehte den Humpen bedauernd um, fing die letzten Tropfen mit der Hand auf und leckte sie aus der Kuhle.

Tungdil lächelte den Diamantschleifer an. »Nein, Goïmgar. Du hast es falsch verstanden. Ich will die Waffe gegen Nôd’onn schmieden, damit wir überhaupt eine Gelegenheit haben, etwas gegen das Böse zu unternehmen. Ohne Feuerklinge wird niemand den Magus aufhalten.« Er verschwieg absichtlich, dass er einen Abschnitt der Schrift nicht übersetzen konnte.

»Und auf diese Weise wirst du die Clans der Ersten überzeugen wollen, dass ihr bester Schmied uns ins Graue Gebirge begleiten soll?«, fragte der Steinmetz. »Vermutlich haben sie nicht mal etwas von dem Magus und dem Toten Land gehört.«

Tungdils Augen wanderten zwischen Bavragor und Goïmgar hin und her. »Warum macht ihr Schwierigkeiten, obwohl wir noch nicht einmal aufgebrochen sind?«, fragte er sie offen.

Bavragor rieb sich den Bart. »An mir soll es nicht liegen. Aber ich sage dir, wir brauchen mehr als den Segen von Vraccas, um mit der Axt in die Festung zurückzukehren.«

»Dann geh davon aus, dass wir mehr als das bekommen«, erwiderte Tungdil. »Ich habe auf dem Weg zur Versammlung so viele Abenteuer erlebt und überlebt, dass ich nicht einen Augenblick an unserer Sache zweifle. Für unser Volk und das Geborgene Land, Bavragor, nicht für mich.« Aber für Lot-Ionan, Frala, Sunja und Ikana, fügte er in Gedanken hinzu. »Und Gold finden wir sicherlich auch noch.«

»Darauf würde ich gern anstoßen.« Bavragor erhob sich. »Aber zuerst muss ich Bier holen.«

Tungdil wandte sich Schimmerbart zu. »Glaubst du mir, was ich sage, Goïmgar?«

»Ja. Für das Land«, erhielt er lahm zur Antwort, was ihn keinesfalls überzeugte. Goïmgar wich seinen Blicken aus und schaute stattdessen auf die Regale, die bis an die Zimmerdecke reichten.

Bavragor kehrte bald darauf mit einem gewaltigen Humpen zurück, den er unterwegs schon wieder zur Hälfte geleert hatte. »Ich trinke auf die Hoffnungen unseres neuen Königs«, sprach er laut und ließ offen, ob er nun Tungdil oder Gandogar meinte. »Mögen sie in Erfüllung gehen!« Das Bier rann seine Kehle hinab.

»Er lässt es einfach laufen«, staunte Ingrimmsch. »Er muss einen See in sich haben, in den das Zeug hineinläuft.«

Hammerfaust wischte den Schaum aus seinem schwarzen Bart. »Der Becher ist schon wieder leer«, wollte er sich entschuldigen.

»Bleib«, befahl ihm Tungdil freundlich, aber bestimmt. »Du kannst trinken, wenn wir unser Vorhaben besprochen haben.« Missmutig hockte Bavragor sich nieder; der leere Humpen landete achtlos auf dem Boden des Bücherhorts. »Wir gehen zuerst nach Süden, ins Rote Gebirge, um die Ersten von der drohenden Gefahr zu unterrichten, falls sie noch nicht davon gehört haben. Wir überzeugen sie, ihren besten Schmied mit uns zu schicken, und reisen durch die Tunnel ins Graue Gebirge.« Er nahm eine zweite Karte und breitete sie vor den vier Zwergen aus. »Das ist eine alte Karte aus dem 5329sten Sonnenzyklus des Fünften Reichs, die uns die Hauptwege aufzeigt.«

»Da ist ja der Flammensee«, meinte Boëndal, der sich intensiv mit den vergilbten Skizzen beschäftigte. »Darin finden wir sicherlich den Drachen, von dem die alten Schriften sprachen.«

»Und dann?«, kam es verzagt aus dem Mund Goïmgars.

Tungdil lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich habe nicht vor, gegen den Drachen anzutreten. Es reicht, wenn wir an sein Feuer gelangen. Boïndil wird ihn so lange ärgern und auf seinem Schwanz herumtanzen, bis er nach uns speit. Dann sind wir zur Stelle und fangen die Flammen mithilfe von Fackeln ein, um die Esse zu entzünden.«

»Muss ich ihn nur ärgern, oder darf ich ihn auch erledigen?«, erkundigte sich Ingrimmsch voller Vorfreude, was ihm einen schrägen Blick Goïmgars einbrachte.

»Wenn du ihn wirklich umbringen willst, lass ihn aber zuerst Feuer spucken«, gab ihm sein Bruder die Anweisung. »Er nützt uns nichts mehr, wenn er alle viere von sich streckt und nicht einmal mehr Rauch aus seinen Nüstern steigt.«

»Die Esse befindet sich in der Nähe des Eingangs ihrer Festung.« Tungdil bedachte Boïndil mit einem besonders eindringlichen Blick. »Ich weiß, du willst Orks töten, aber dort sind sie so zahlreich, dass du und damit wir alle nicht als Sieger aus dem Gefecht hervorgehen können. Sei vernünftig.«

»Von mir aus«, grummelte er, verschränkte die Arme vor der Brust und gab sich ein wenig bockig. »Lassen wir den Schweineschnauzen eben ihr stinkendes Leben, bis wir ihnen wieder auf dem Schlachtfeld begegnen.« Er schaute in die Runde. »Damit eines klar ist: Wenn wir unterwegs auf eine Rotte von Orks oder anderen Bestien stoßen, gehören die ersten zehn mir. Um den Rest dürft ihr euch prügeln.«