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»Bestimmt ein Ork«, zog ihn Tungdil auf. »Geh und sieh nach.«

»Darauf kannst du dich verlassen«, nickte er und trabte zum Portal, wo er sich genau umschaute. Er nahm einen Stein auf, wog ihn in der Hand, drehte sich nach rechts, um dann unvermittelt herumzuwirbeln und sein Geschoss in die Dunkelheit zu schleudern.

Tatsächlich kreischte etwas in der Finsternis auf; sie hörten schnelles Trappeln, als es sich entfernte. Eine kleine, Tungdil merkwürdig bekannt vorkommende Silhouette huschte durch den Einlass und flüchtete vor dem Zwerg, der bereits seine Beile gezogen hatte und sich auf einen Kampf vorbereitete.

»Was mag das gewesen sein?«, fragte Tungdil. »Hast du etwas erkannt?«

»Nein. Da es uns aber nicht angegriffen hat, kann es nichts Schlimmes gewesen sein«, lautete Boëndals Antwort, während sein Bruder mit enttäuschtem Gesicht zurückkehrte.

»Es war kein Ork«, beschwerte er sich. »Irgendein Viech, das zu schnell rannte, um es zu erledigen.«

»Wir sehen nach, was sich hinter den kleineren Portalen verbirgt, und kehren dann zurück«, beschloss Tungdil. »Das genügt für heute.«

»Was soll da schon sein? Schienen vermutlich. Das weiß ich sogar«, erwiderte Boïndil mürrisch, weil sie auf keinen einzigen Widersacher gestoßen waren, an dem er seine Beile wetzen durfte.

Tungdil legte den Hebel um, der neben der ersten Schiene aus dem Boden ragte, und tatsächlich schwangen die Flügeltüren auf. Dahinter gähnte ein schwarzes Loch, in das die Trasse hineinführte.

»Ho, das wird ein Ritt«, meinte Ingrimmsch. »Schwärzer als im Hintern eines Trolls. Man sieht die Hand vor Augen kaum.«

»Du siehst ebenso gut im Dunkeln wie ich«, entgegnete sein Bruder amüsiert, obwohl er einräumte, dass die Finsternis des Stollens selbst seine Augen auf eine harte Probe stellte. Mehr als zehn Schritte konnte er nicht voraussehen. »Die Langen brauchten Fackeln«, fügte er hinzu.

»Die sollten wir auch mitnehmen und entzünden«, empfahl Tungdil, »sonst gewöhnen wir uns zu sehr an die Dunkelheit und sind geblendet, wenn uns unterwegs auch nur der geringste Lichtstrahl trifft. Eine Spalte im Gebirge reicht aus und wir sind unsere Sehkraft los.«

Boïndil indes bewies Forscherdrang, indem er einige Schritte in den Tunnel hineinlief, während Tungdil die verstaubte Inschrift las, die neben der Röhre in die Wand gemeißelt war.

»Das ist die Strecke ins Reich der Ersten«, übersetzte er laut für die anderen mit. Dabei formte sich ein Bild in seinem Kopf, wie es einst in der Halle zugegangen sein mochte.

Auf diesen Schienen brachen sie zur Reise auf, und dort, wo die Holzwände am Ende stehen, kehrten die Loren von ihrer Fahrt zurück. Die mit Strohsäcken gepolsterten Barrikaden dienten sicherlich dazu, die Karren aufzuhalten, falls die Bremsen versagten.

Grübelnd schritt er die Gleise ab, bis er am vierten Tor angelangte. »Schaut nur, hier geht es tatsächlich zum Stamm Lorimbur!«, rief er den beiden zu. Waren die Beziehungen früher einmal besser, oder welchen Grund gab es, eine eigene Verbindung zu den Dritten zu unterhalten?

»Das war bestimmt, um Krieg gegen sie zu führen«, drang es hohl aus der Röhre, in der Ingrimmsch verschwunden war. »Hier ist es verflucht eng. Wenn die Karren drin sind, passt gerade mal ein Zwerg rechts und links neben die Trasse.«

Tungdil ließ Boïndils Vermutung über einen Krieg gegen die Dritten unbeantwortet. »Komm, wir gehen«, drängte er ihn stattdessen, aus dem Tunnel zurückzukehren.

»Ho, ich bin am Ende angekommen und hier … hier fällt der Weg fast senkrecht nach unten. Das dürfen wir Goïmgar keinesfalls erzählen, sonst wird er nicht einsteigen wollen.« Sein dunkles Lachen dröhnte dumpf zu ihnen herauf und wurde lauter, als er von seinem Erkundungsgang zurückkehrte. »Schaut mal, wie ich aussehe!« Er hing voller Spinnweben, die getrockneten Überreste von Insekten hatten sich in seinem Bart verfangen. Boëndal fischte die Fäden von seinem Kettenhemd und klaubte sich den Schmutz aus dem Bart.

»So, wie du aussiehst, wohnen wohl doch noch andere Wesen unter dem Gebirge«, meinte Tungdil und betätigte die Vorrichtung, um den ersten Durchlass zu schließen.

»Nichts, wovor man Angst haben müsste«, winkte Boïndil ab. »Und wenn die Spinnen größer als ein Zwergenkopf sind, gehören sie mir.«

Sie stimmten in seine Heiterkeit mit ein. Dann löschten sie das Feuer unter dem Kessel, verriegelten das Tor mit dem Aufsagen der Verse und machten sich auf den Rückmarsch, der sie hunderte von Treppenstufen nach unten führte. Ohne die Sonne gelang es Tungdil nicht abzuschätzen, wie lange sie benötigten, um aus dem bewohnten in den verlassenen Teil des Zwergenreichs zu gelangen, aber seinem Hunger nach zu urteilen, mussten sie eine ganze Weile unterwegs gewesen sein.

Verschwitzt und müde gelangten sie in die große Halle, in denen die Gesandten ihre Mahlzeiten einnahmen, und setzten sich erschöpft an einen Tisch. Die neugierigen Blicke der anwesenden Zwerge ignorierten sie absichtlich.

»Wir zeigen ihnen erst morgen, wo sich die Röhren befinden«, erklärte Tungdil den Zwillingen. »Ich möchte nicht, dass Gandogar vor uns aufbricht und sich auf diese Weise einen Vorsprung schafft. Es wird ohnehin hart, gegen ihn und seine Gruppe als Sieger zu bestehen.«

»Die besten Kämpfer sind jedenfalls auf deiner Seite«, grinste Ingrimmsch, schnitt sich eine handtellergroße Scheibe eines Riesenpilzes ab und belegte sie mit würzig riechendem Käse. »Was soll dich da noch aufhalten?! Ich sage dir, die Tage Nôd’onns sind gezählt.«

»Ich teile die Meinung meines Bruders«, stimmte Boëndal ihm zu. »Aber mir ist noch eine Sache eingefallen. Mir geht nämlich die Beschreibung der Feuerklinge nicht aus dem Kopf.«

»Was meinst du?«

»Reinster, härtester Stahl, Stiel und Widerhaken aus Stein, die Intarsien und Runen aus allen edlen Metallen, und die Schneide soll dazu mit Diamanten besetzt sein«, zählte der Zwerg auf.

»Wir nehmen uns einen Vorrat davon mit«, erriet Tungdil seine Gedanken. »Ich habe Balendilín darum gebeten, uns von allen benötigten Materialien genügend zusammenzustellen. Er meinte, der Hort der Zweiten sei groß genug, um ein wenig Schwund für eine solch wichtige Angelegenheit zu verkraften.«

»Gold, Silber, Palandium, Vraccassium, Tionium und als Abschluss noch eine Hand voll Diamanten obendrauf?«, staunte Boëndal. »Beim göttlichen Schmied, damit sind wir die fetteste Beute, die einem Straßenräuber und Halsabschneider jemals über den Weg laufen kann!«

»Granit und Eisen sowie Proviant kommen noch dazu«, ergänzte Boïndil. »Wir haben zwar starke Beine, aber was du mitzunehmen planst, kann nicht mal ein Oger schleppen.«

»Wenn alles gut geht, nutzen wir die Röhren und brauchen uns ohnehin keine Sorgen zu machen. Andernfalls müssen wir uns ein Pony kaufen, das unsere wertvolle Fracht unterwegs trägt. So einfach ist das.«

Die Zwillinge schwiegen und widmeten sich ihrer Mahlzeit, aber die Stille zeigte Tungdil, dass sie mit seinem Plan nicht einverstanden waren.

»Wisst ihr etwas Besseres, oder wollt ihr im Grauen Gebirge die alten Minen der Fünften nach den Metallen und Erzen umgraben?«, seufzte er und schob sich einen Bissen Käse in den Mund.

»Wir könnten genügend Diamanten mitnehmen, um den Rest unterwegs zu kaufen«, schlug Boëndal vor. »Ehe wir die Grenzen zum Toten Land überschreiten. Oder noch besser, wir decken uns erst dort mit den Metallen ein.«

»Zu unsicher«, verwarf Tungdil das Vorhaben. »Am Ende gibt es kein Tionium, und uns fehlt ein entscheidender Bestandteil der Feuerklinge.«

Er setzte seinen vierten Humpen an die Lippen und leerte ihn in einem Zug.

»Es bleibt dabei, wir nehmen alles mit, was wir benötigen.« Er stand auf und spürte die Wirkung des Bieres, weil er zu hastig getrunken hatte. »Wir schaffen es«, munterte er sie auf, dann wandte er sich zum Ausgang und lief schwankend zurück in seine Kammer, wo er satt und ein wenig berauscht auf sein Lager fiel. Dabei wollte ihm die kleine Silhouette nicht mehr aus dem Kopf gehen, die sie in der Nähe des Portals aufgeschreckt hatten. Er kannte sie von irgendwoher.