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»Genug, tapferer Krieger«, bremste ihn Tungdil.

Aber Boïndil lachte laut, er hatte sich in Kampfstimmung geredet. »Kommt nur, ihr Oger, ihr Trolle, ihr Orks und alle widerlichen Kreaturen Tions! Hier sind die Kinder des Schmieds, die euch vernichten werden!«, rief er laut, um den Gesang des Steinmetzen zu übertönen. »Kommt, damit ich euch töte!«

»Pst, bitte, sei still!«, bat Goïmgar ihn flehentlich und kroch rückwärts, bis er die sichere Wand im Rücken spürte. »Fordere nichts heraus!«

»Ich habe von Wesen gehört, die von Tion eigens als Feinde der Zwerge erschaffen wurden, so wie die Albae die Todfeinde der Elben sind«, mischte Bavragor sich ein und ölte seinen Hals mit einem neuerlichen Schluck aus dem geheimnisvollen Schlauch.

»Und ich habe von Wesen gehört, die nach deinem Gesang qualvoll gestorben sind«, feixte Boëndal.

»Wenn uns die Orks gleich besuchen, halt bloß den Mund. Du schlägst sie sonst noch in die Flucht«, setzte Boïndil nach.

Bavragor bedachte ihn mit einer unanständigen Geste und setzte zu einem neuen Lied an, doch Tungdil befahl ihm zu schweigen. »Wir wollen doch hören, ob sich jemand an uns heranschleicht«, meinte er und erntete sogleich die Zustimmung der Zwillinge und Goïmgars.

»Von mir aus.« Bavragor verlegte sich aufs leise Summen, baute sich aus Decken sein Nachtlager und schnarchte wenig später fast lauter, als er gesungen hatte. Die Zwillinge legten sich ebenfalls zur Ruhe, während Goïmgar sich nicht mehr vom Fleck rührte. Tungdil musste ihm die Decke reichen, weil er beabsichtigte, im Sitzen zu schlafen.

»Ich weiß, was du vorhin versucht hast«, sagte er nach einer Weile leise zu ihm, als er sich sicher war, dass die anderen drei schliefen.

»Ich verstehe nicht …«

»Vorhin, in der anderen Halle«, erinnerte er ihn. »Du wolltest den Plan beschädigen, damit er uns nichts mehr nützt. Warum hast du das versucht?«

Der schmächtige Zwerg funkelte ihn trotzig an. »Ich wollte den Staub abwischen.«

»Mit deinem Dolch?« Tungdil betrachtete sein Gesicht, suchte seinen Blick. »Ich möchte, dass du verstehst, dass ich nicht dein Feind bin.«

»Mein Feind? Nein, du bist nicht mein Feind. Du bist nichts, nicht einmal ein Vierter«, entgegnete er unfreundlich. »Vraccas mag wissen, woher du kommst, aber unserem Stamm gehörst du nicht an. Ein Dahergelaufener möchte sich den Thron aneignen, der ihm nicht gebührt. Aber es wird dir nicht gelingen. Auch wenn mein König mir befohlen hat, all deine Anweisungen zu befolgen, so werde ich einen Weg finden, deinen Aufstieg zu verhindern und Gandogar zu seinem Recht zu verhelfen.«

»War das der Grund, warum du nicht mitkommen wolltest?«

»Vielleicht. Aber vielleicht hasse ich es einfach auch nur zu reisen, zu kämpfen, Dinge zu erleben, die ich nicht erleben will. Die Reise zu den Zweiten war schon nicht nach meinem Geschmack. Und jetzt setze ich mein wertvolles Leben für einen Betrüger aufs Spiel!«

»Es geht mir nicht um den Titel des Großkönigs, Goïmgar«, sagte Tungdil beschwichtigend. »Um ehrlich zu sein, er ist mir herzlich gleichgültig.«

Der Zwerg sah ihn überrascht an. »Was ist dann der Grund für den Wettstreit?«

»Ich möchte, dass wir die Feuerklinge erschaffen, um Nôd’onn damit zu bekämpfen und zu besiegen«, erklärte er eindringlich. »Wenn es für das Geborgene Land schlecht läuft, sind wir Zwerge die Einzigen, die den wahnsinnigen Magus aufhalten können. Darum geht es mir, nicht um den Thron.«

»Wäre ich an deiner Stelle, würde ich den Marmor von der Decke lügen, um mein Ziel zu erlangen. Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sprichst? Und was geschieht, wenn wir zuerst ins Blaue Gebirge zurückkehren? Wärst du dann nicht König, obwohl du es angeblich nicht wolltest? Beeilen wir uns deshalb so?«

Tungdil sah ein, dass er ihn an diesem Abend nicht von seinen ehrlichen Absichten überzeugen konnte, dafür war das Misstrauen ihm gegenüber viel zu stark.

Außerdem trafen ihn die Worte über seine Abstammung, die für ihn nach wie vor im Dunkeln lag. Er musste sich verstellen, beharrlich den Schein wahren, doch im Grunde seines Herzens fühlte er sich unsicher, einsam. Allein das Schicksal Lot-Ionans und seiner lieben Freundin Frala gab ihm die Kraft, das Schauspiel aufrecht zu erhalten, um die Gruppe in das verlorene Reich der Fünften zu führen. Er würde alles daran setzen, dem verräterischen Magus die Macht und das Leben zu rauben.

»Lass es gut sein«, beendete er die Unterredung bedrückt. »Ruh dich aus, ich halte Wache.«

Tungdil legte die Decke um seine Schultern, um sich gegen die Kühle des Stollens zu schützen. Da ertönte ein Geräusch. Es klang wie ein einzelner Hammerschlag gegen einen Felsen.

Goïmgar, der es sich eben bequem machte, erstarrte in der Bewegung. »Die Oger?«, raunte er ängstlich. »Oder die Geister der Zwerge, die beim Bau der Gänge starben?«

Es kann alles Mögliche sein. Tungdil antwortete ihm nicht, sondern nahm seine Axt und lauschte in die Finsternis. Das Pochen wiederholte sich nicht mehr. »Ein Stein«, sagte er langsam und entspannte sich. »Ein Stein wird von der Decke gefallen sein und einen anderen Brocken getroffen haben. Kein Grund zur Beunruhigung.«

»Sollten wir die Zwillinge nicht wecken? Sie haben gewiss mehr Erfahrung als du.«

»Nein. Es war nichts«, beharrte er. »Schlaf und vergiss das Geräusch.«

Der Edelsteinschleifer zog die Decke bis zum Bart hoch, legte den Schild vor seinen Oberkörper, und Tungdil hörte, wie er das Kurzschwert zog. Erst dann schlossen sich seine Lider.

Was mag das gewesen sein? Er stand leise auf, ging nach rechts, dann nach links, um in die Röhren zu lauschen, ob er Schritte oder andere Laute vernahm.

Nichts. Die Stollen blieben ruhig.

Doch sein mulmiges Gefühl wollte nicht verschwinden. Es ist nicht abwegig, dass sich andere Geschöpfe nach so langer Zeit ohne Zwerge als Herren der Röhren betrachten. Die herausfordernden Worte Boïndils konnten mehr geweckt haben, als ihnen lieb war.

Als die Gruppe ihre Reise fortsetzte, erzählte Tungdil den anderen von dem Geräusch, das er und Goïmgar gehört hatten. Ingrimmsch freute sich auf die bevorstehenden Scherereien und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass sie ihn nicht geweckt hatten, also spielte er den Beleidigten und sprach eine ganze Weile kein Wort mit ihnen.

Die Lore sauste wie der Wind die Trasse entlang, mal schnell, mal langsam, mal bergauf, mal bergab. Der Schwung reichte zweimal nicht aus, um sie bis zur nächsten Gefällestrecke rollen zu lassen, und die fünf Zwerge mussten den Karren wohl oder übel schieben.

Bei der Gelegenheit stimmte Bavragor natürlich ein Lied an, das sie bei ihrer Schufterei antreiben sollte, und als er schließlich ein Liebeslied sang, brachte er Boïndil damit zur Weißglut.

Er provoziert ihn aus voller Absicht. Tungdil hatte zudem den Eindruck, dass sich der starke Einäugige nicht mit seiner gesamten Kraft an der Schinderei beteiligte, um mehr Gewicht für Ingrimmsch zu lassen. Bei einer Rast nahm er den Steinmetzen zur Seite und stellte ihn zur Rede.

»Sicher mache ich das mit Absicht«, gestand er unverhohlen. »Ich werde ihn die ganze Reise über leiden lassen.«

»So geht das nicht«, meinte Tungdil vorwurfsvoll.

Bavragor zuckte gleichgültig mit den Achseln.

»Ist deine Schwester der Grund dafür?«

Er blickte hinüber zu den Zwillingen, wo Boëndal seinem schweißnassen, ermüdeten Bruder den Wasserschlauch reichte. »Ja«, antwortete er gedehnt, während er seinen eigenen Trinkbehälter nahm und entkorkte. Augenblicklich roch es nach scharfem Branntwein. Er nahm einen Schluck und wischte sich einige Tropfen aus dem schwarzen Bart. »Ja«, flüsterte er dann ein weiteres Mal abwesend und senkte den Blick.

»Was geschah zwischen ihr und Boïndil?«, hakte Tungdil behutsam nach.