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Parker bemerkte deutlich eine Verhärtung in ihrem Wesen -eine gewisse Starre und Wachsamkeit.

Er klappte sein Notizbuch auf, und während er mit der Vernehmung begann, ließ auch seine Nervosität nach; die Amtshandlung gab ihm Rückhalt.

»Sie waren vorigen Februar in Paris?«

Lady Mary bejahte.

»Erinnern Sie sich, daß Sie mit Hauptmann Cathcart - ach, übrigens, ich nehme an, Sie sprechen Französisch?«

»Ja. Fließend.«

»So gut wie Ihr Bruder? Praktisch ohne Akzent?«

»So gut wie er. Wir hatten als Kinder immer französische Gouvernanten, und Mutter legte großen Wert darauf.«

»Aha. Nun, erinnern Sie sich also, am 6. Februar mit Hauptmann Cathcart in ein Juweliergeschäft in der Rue de la Paix gegangen zu sein und dort einen brillantbesetzten Schildpattkamm und eine Platinkatze mit Brillanten und Smaragdaugen gekauft zu haben - beziehungsweise von ihm kaufen zu lassen?«

Er bemerkte ein Lauern im Blick der jungen Frau.

»Ist das die Katze, nach der Sie sich in Riddlesdale erkundigt haben?« fragte sie.

Da es sich ohnehin nie auszahlte, Offenkundiges zu leugnen, antwortete Parker: »Ja.«

»Sie wurde im Gebüsch gefunden, nicht?«

»Haben Sie sie da verloren? Oder gehörte sie Cathcart?«

»Wenn ich nun sagte, es sei die seine gewesen -«

»Wäre ich bereit, Ihnen zu glauben. War es seine?«

»Nein -« ein tiefer Seufzer - »sie gehörte mir.«

»Wann ist sie Ihnen abhanden gekommen?«

»In der bewußten Nacht.«

»Wo?«

»Ich nehme an, im Gebüsch. Dort, wo Sie sie gefunden haben. Ich habe sie erst später vermißt.«

»Ist es dieselbe, die Sie in Paris gekauft haben?«

»Ja.«

»Warum haben Sie zuerst gesagt, es sei nicht die Ihre?«

»Ich hatte Angst.«

»Und jetzt?«

»Jetzt will ich die Wahrheit sagen.«

Parker sah sie wieder an. Sie begegnete seinem Blick ganz offen, hatte aber etwas Angespanntes in ihrer Art, das zeigte, wieviel Mühe sie dieser Entschluß gekostet haben mußte.

»Nun gut«, sagte Parker, »darüber werden wir uns sicherlich alle freuen, denn ich glaube, bei der Untersuchungsverhandlung haben Sie in dem einen oder anderen Punkt nicht die Wahrheit gesagt, oder?«

»Das stimmt.«

»Glauben Sie mir«, sagte Parker, »daß ich es bedaure, diese Fragen stellen zu müssen. Aber die schreckliche Lage, in der Ihr Bruder sich befindet -«

»Und in die ich ihn mit hineingebracht habe.«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Aber ich. Ich habe dazu beigetragen, daß er ins Gefängnis mußte. Streiten Sie es nicht ab, denn es ist so.«

»Nun gut«, sagte Parker, »aber beruhigen Sie sich. Es ist ja noch Zeit, alles wieder in Ordnung zu bringen. Soll ich fortfahren?«

»Ja.«

»Also, Lady Mary, das mit dem Schuß um drei Uhr morgens stimmte doch nicht, oder?«

»Nein.«

»Haben Sie überhaupt einen Schuß gehört?«

»Ja.«

»Wann?«

»Um zehn vor zwölf.«

»Und was haben Sie im Wintergarten hinter den Pflanzen versteckt, Lady Mary?«

»Ich habe dort nichts versteckt.«

»Und in der Eichentruhe auf dem Korridor?«

»Meinen Rock.«

»Sie sind nach draußen gegangen - warum? Um Cathcart zu treffen?«

»Ja.«

»Wer war der andere Mann?«

»Welcher andere Mann?«

»Der Mann, der im Gebüsch war. Ein großer blonder Mann mit einem Regenmantel.«

»Da war kein anderer Mann.«

»Entschuldigen Sie, Lady Mary - wir haben seine Spuren auf dem ganzen Weg vom Gebüsch bis zum Wintergarten verfolgt.«

»Dann muß es ein Landstreicher gewesen sein. Ich weiß nichts von ihm.«

»Wir haben aber Beweise dafür, daß er da war - was er getan hat und auf welchem Weg er entkommen ist. Um Himmels willen - und um Ihres Bruders willen - Lady Mary, sagen Sie die Wahrheit, denn dieser Mann mit dem Regenmantel ist derjenige, der Cathcart erschossen hat.«

»Nein«, sagte die junge Frau mit bleichem Gesicht, »das ist unmöglich.«

»Warum unmöglich?«

»Ich selbst habe Denis Cathcart erschossen.«

»So liegen die Dinge also, Lord Peter«, sagte der Chef von Scotland Yard, indem er sich mit einer freundlichen Abschiedsgebärde erhob. »Der Mann wurde zweifelsfrei am Freitagmorgen in Marylebone gesehen, und wenn wir ihn auch leider im Moment wieder aus den Augen verloren haben, bin ich ganz sicher, daß wir ihn über kurz oder lang in die Finger bekommen werden. Die Verzögerung entstand durch die unglückliche Erkrankung des Schaffners Morrison, dessen Aussage so entscheidend war. Aber jetzt verlieren wir keine Zeit mehr.«

»Das kann ich wohl vertrauensvoll Ihnen überlassen, Sir Andrew«, antwortete Wimsey, indem er ihm herzlich die Hand schüttelte. »Ich mache mich ebenfalls auf die Suche; zusammen dürften wir schon etwas finden - Sie in Ihrer Ecke und ich in der meinen, wie es irgendwo so schön heißt - wo eigentlich? Ich habe das als Kind mal irgendwo in einem Buch über Missionare gelesen. Wollten Sie als Junge auch immer Missionar werden? Ich ja. Ich glaube, die meisten wollen das irgendwann, was etwas eigenartig berührt, wenn man bedenkt, was bei den meisten von uns herauskommt.«

»Jedenfalls«, sagte Sir Andrew Mackenzie, »wenn Sie dem Burschen selbst über den Weg laufen, sagen Sie uns Bescheid, ja? Ich gebe neidlos zu, daß Sie unwahrscheinliches Glück haben - oder vielleicht ist es nur ein gutes Gespür -, wenn es darum geht, Verbrechern über den Weg zu laufen, die wir suchen.«

»Wenn ich den Kerl erwische«, sagte Lord Peter, »komme ich und mache unter Ihrem Fenster so lange Krach, bis Sie mich reinlassen, und wenn es mitten in der Nacht ist und Sie schon im Nachthemd sind. Apropos Nachthemd, wir werden Sie doch hoffentlich bald mal wieder in Denver sehen, sobald die Geschichte hier ausgestanden ist? Mutter läßt natürlich auch herzlich grüßen.«

»Vielen Dank«, erwiderte Sir Andrew. »Ich hoffe, Sie sind wenigstens mit der Entwicklung der Dinge zufrieden. Heute morgen hatte ich Parker zum Bericht hier, und ich hatte den Eindruck, daß er nicht sehr angetan war.«

»Er hat viel unerfreulichen Routinekram machen müssen«, sagte Wimsey, »und war die ganze Zeit derselbe feine, vernünftige Mensch wie immer. Mir ist er immer ein sehr guter Freund gewesen, Sir Andrew, und ich empfinde es richtig als Vorzug, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Also, bis demnächst, Chef.«

Er sah jetzt, daß sein Gespräch mit Sir Andrew Mackenzie sehr lange gedauert hatte und es mittlerweile fast acht Uhr war. Eben wollte er sich entscheiden, wo er zu Abend essen sollte, als er von einer jungen Frau mit rotem Bubikopf, kurzem, kariertem Rock, schillerndem Jumper, Kordjacke und einer flotten grünsamtenen Schottenmütze angesprochen wurde.

»Natürlich«, sagte die junge Frau, indem sie eine wohlgeformte, unbehandschuhte Hand ausstreckte, »das ist doch Lord Peter Wimsey. Wie geht's? Und was macht Mary?«

»Himmel«, rief Wimsey galant, »Miss Tarrant! Wie bezaubernd, Sie mal wiederzusehen. Einfach entzückend. Danke, aber Mary geht's nicht so gut, wie zu wünschen wäre -dieser Mord, verstehen Sie? Sie haben sicher schon gehört, daß wir, wie die Armen es so nett und taktvoll ausdrücken, in Schwierigkeiten sind, oder?«

»Na klar«, antwortete Miss Tarrant voll Eifer, »und als gute Sozialistin kann ich es mir nicht verkneifen, meinen Spaß daran zu haben, wenn es einmal einem Peer an den Kragen geht, weil er dabei so lächerlich wirkt, und das ganze Oberhaus ist schließlich lächerlich, oder? Aber eigentlich wär's mir schon lieber, wenn es der Bruder von jemand anderm wäre. Mary und ich waren immer gute Freunde, und Sie tun schließlich auch etwas, wenn Sie Verbrechen aufklären statt von Ihren Gütern zu leben und Vögel totzuschießen. Das ist ja doch ein kleiner Unterschied.«