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»Knapp vierzehn Meilen, Mylord.«

»Und der Schuß wurde um 23.55 Uhr gehört. Zu Fuß wäre das nicht zu machen gewesen. Hat Watson erklärt, warum er erst um zwei Uhr morgens von seiner Fuhre zurückgekommen ist?«

»Ja, Mylord. Er sagte, er habe gegen elf Uhr zurück sein wollen, aber sein Pferd habe zwischen King's Fenton und Riddlesdale ein Hufeisen verloren. Er habe es langsam nach Riddlesdale führen müssen - etwa dreieinhalb Meilen weit -, wo er gegen zehn angekommen sei und den Schmied herausgeklopft habe. Er habe dann bis zur Polizeistunde im >Goldenen Ritter< gesessen und sei anschließend zu einem Freund mit nach Hause gegangen, wo sie noch ein paar getrunken hätten. Um 0.40 Uhr sei er nach Hause aufgebrochen und habe Grimethorpe etwa eine Meile vor Stapley aufgeladen, in der Nähe der Kreuzung.«

»Klingt plausibel. Der Schmied und der Freund müßten es bestätigen können. Aber wir müssen unbedingt diese Männer aus dem >Pfeifenden Eber< finden.«

Das Essen war gut. Aber damit schien ihr Glück sich für diesen Tag erschöpft zu haben, denn bis drei Uhr hatten sie die gesuchten Männer noch immer nicht identifiziert, und die Spur schien kalt zu sein.

Aber Wilkes, der Untergärtner, hatte auch etwas zu den Ermittlungen beizutragen. Er war beim Mittagessen einem Mann aus King's Fenton begegnet, und sie waren natürlich auf den geheimnisvollen Mord beim Jagdhaus zu sprechen gekommen, und bei der Gelegenheit hatte der Mann gesagt, er kenne einen alten Mann, der am Whemmeling-Moor wohne, und der habe ihm erzählt, er habe in der Mordnacht mitten in der Nacht einen Mann durchs Moor gehen sehen. »Und mir ist ganz plötzlich die Idee gekommen«, schloß Wilkes strahlend, »daß es Seine Gnaden gewesen sein könnte.«

Weitere Nachforschungen ergaben, daß der alte Mann Groot hieß und daß Wilkes ohne weiteres Lord Peter und Bunter am Beginn des Viehpfades absetzen könne, der zu seiner Hütte führe.

Hätte Lord Peter nun seines Bruders Rat befolgt und sich mehr mit englisch-ländlichem Sport befaßt als mit Inkunabeln und Londoner Kriminellen - oder wäre Mr. Bunter in den Mooren aufgewachsen statt in einem Dörfchen in Kent - oder wäre Wilkes (der in Yorkshire geboren und aufgewachsen war und es hätte besser wissen müssen) nicht so unerhört eingebildet auf seine eigene Wichtigkeit gewesen, die er mit seinem Hinweis erlangt zu haben glaubte, und so ungeduldig darauf bedacht, daß diesem Hinweis unverzüglich nachgegangen wurde - oder hätte auch nur einer der drei seinen gesunden Menschenverstand gebraucht -, so wäre dieser ungeheuerliche Vorschlag nie gemacht, geschweige an einem Novembertag in Nord-Yorkshire auch noch ausgeführt worden. So aber stiegen Lord Peter und Bunter um zehn vor vier am Füße des Moorpfades vom Wagen, entließen Wilkes und wanderten zu der kleinen Hütte am Rande des Moors hinauf.

Der alte Mann war stocktaub, und nach halbstündiger Befragung war das Ergebnis immer noch ziemlich mager. In einer Nacht im Oktober, die seiner Meinung nach die Mordnacht sein konnte, habe er an seinem Torffeuer gesessen -so gegen Mitternacht, schätzte er -, als plötzlich ein hochgewachsener Mann aus der Dunkelheit aufgetaucht sei. Er habe gesprochen wie ein Südengländer und gesagt, er habe sich im Moor verlaufen. Der alte Groots sei zur Tür gegangen und habe ihm den Pfad gezeigt, der nach Riddlesdale führe. Daraufhin habe der Fremde ihm einen Shilling in die Hand gedrückt und sei verschwunden. Die Kleidung des Fremden könne er nicht näher beschreiben, außer daß er einen weichen Hut und einen Mantel getragen habe, eventuell auch Gamaschen. Er sei einigermaßen sicher, daß es die Mordnacht gewesen sei, denn hinterher habe er noch darüber nachgedacht und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß es vielleicht einer von den Leuten im Jagdhaus gewesen sei - möglicherweise der Herzog. Er sei erst nach langem Nachdenken auf diese Idee gekommen und habe sich nicht damit gemeldet, weil er nicht gewußt habe, wo oder bei wem.

Damit mußten die Frager sich zufriedengeben, und nachdem sie Groot mit einer halben Krone beschenkt hatten, traten sie kurz nach fünf Uhr wieder ins Moor hinaus.

»Bunter«, sagte Lord Peter durch die Dämmerung, »ich bin absolut sicher, daß die Lösung der ganzen Geschichte in Grider's Hole liegt.«

»Sehr wohl möglich, Mylord.«

Lord Peter streckte einen Finger nach Südosten aus. »Da liegt Grider's Hole«, sagte er. »Gehen wir.«

»Sehr wohl, Mylord.«

Und so machten sich Lord Peter und Bunter, ganz wie zwei ahnungslose Städter, munteren Schrittes den schmalen Moorpfad hinunter auf den Weg nach Grider's Hole, ohne auch nur einmal einen Blick über die Schulter zu werfen, um die große weiße Gefahr zu sehen, die sich aus der weiten Einsamkeit des Whemmeling-Moors lautlos durch die Novemberdämmerung heranwälzte.

»Bunter!«

»Hier, Mylord!«

Die Stimme war gleich neben seinem Ohr.

»Gott sei Dank! Ich dachte schon, jetzt wäre ich Sie für immer los. Menschenskind, das hätten wir aber wissen müssen.«

»Jawohl, Mylord.«

Es war von hinten gekommen, mit einem einzigen großen Schritt - dick, kalt und erstickend, so daß sie einander nicht mehr sehen konnten, obwohl sie kaum einen oder zwei Schritte voneinander entfernt waren.

»Ich bin ein Idiot, Bunter«, sagte Lord Peter.

»Mitnichten, Mylord.«

»Nicht bewegen; sprechen Sie weiter.«

»Ja, Mylord.«

Peter tastete nach rechts und klammerte sich an den Ärmel des andern.

»Ah! Und was machen wir jetzt?«

»Ich wüßte es nicht zu sagen, Mylord, da ich damit keine Erfahrung habe. Hat das - äh - Phänomen irgendwelche Gewohnheiten, Mylord?«

»Keine festen, glaube ich. Manchmal zieht es weiter. Ein andermal bleibt es tagelang an einem Platz. Wir können hier die ganze Nacht stehenbleiben und warten, ob es bei Tagesanbruch besser wird.«

»Ja, Mylord. Nur ist es hier leider etwas klamm.«

»Etwas - wie Sie sagen«, pflichtete Seine Lordschaft ihm mit einem kurzen Lachen bei.

Bunter nieste und entschuldigte sich höflich.

»Wenn wir weiter nach Südosten gehen«, sagte Seine Lordschaft, »kommen wir schon nach Grider's Hole, und die werden uns gefälligst für die Nacht aufnehmen müssen - oder uns eine Begleitung mitgeben. Ich habe eine Taschenlampe bei mir, und wir können uns nach dem Kompaß richten - o verdammt!«

»Mylord?«

»Ich hab den falschen Stock. Diese widerliche Esche! Kein Kompaß, Bunter - jetzt sind wir aufgeschmissen.«

»Könnten wir uns nicht immerzu bergab halten, Mylord?«

Lord Peter zögerte. Erinnerungen an Gehörtes und Gelesenes gingen ihm durch den Kopf und sagten ihm, daß aufwärts oder abwärts im Nebel einerlei sei. Doch der Mensch wandelt in eitlem Schatten. Es fällt ihm schwer, zu glauben, daß er wirklich hilflos ist. Die Kälte war eisig. »Wir könnten es versuchen«, sagte er schwach.

»Ich habe sagen hören, Mylord, daß man im Nebel immerzu im Kreise geht«, sagte Mr. Bunter, von verspäteter Zagheit erfaßt.

»Aber doch nicht an einem Hang«, entgegnete Lord Peter, der aus reinem Widerspruchsgeist heraus wieder mutig wurde.

Bunter fühlte sich außerhalb seines Elements und wußte einmal keinen Rat anzubieten.

»Na ja, schlimmer als jetzt kann es nicht mehr kommen«, sagte Lord Peter. »Wir versuchen es einfach und werden zwischendurch immerzu rufen.«

Er ergriff Bunters Hand, und vorsichtig gingen sie weiter in den dicken, kalten Nebel hinein.

Wie lange dieser Alptraum dauerte, hätte keiner von ihnen sagen können. Es war, als ob die Welt um sie herum gestorben wäre. Ihre eigenen Rufe erschreckten sie; als sie zu rufen aufhörten, war die Totenstille noch erschreckender. Sie stolperten über dicke Büschel Heide. Es war erstaunlich, wie sehr sie, der Sicht beraubt, die Unebenheiten des Bodens zu spüren bekamen. Nur sehr unsicher vermochten sie zwischen bergauf und bergab zu unterscheiden. Sie waren bis auf die Knochen durchgefroren, und doch lief ihnen der Schweiß der Mühsal und Angst die Gesichter hinunter.