Выбрать главу

Plötzlich ertönte - unmittelbar vor ihnen, wie es schien, und nur ein paar Schritte entfernt - ein langgezogener, schrecklicher Schrei - und noch einer - und noch einer.

»Mein Gott! Was war das?«

»Ein Pferd, Mylord.«

»Natürlich.« Sie erinnerten sich, Pferde einmal so schreien gehört zu haben. Damals hatte irgendwo ein Stall gebrannt.

»Armes Vieh«, sagte Peter. Impulsiv setzte er sich in die Richtung des Schreis in Bewegung und ließ Bunters Hand los.

»Kommen Sie zurück, Mylord!« rief der Diener in plötzlicher Verzweiflung. Und dann in angstvoller Erleuchtung:

»Um Gottes willen, bleiben Sie stehen, Mylord - das Moor!«

Ein heller Schrei in der undurchdringlichen Schwärze. »Dableiben - rühren Sie sich nicht - es hat mich!«

Und dann ein schauriger, schlürfender Ton.

Das Alibi

»Wenn man erst wirklich im Rücken eines großen, gefräßigen wilden Tieres steckt, ist die Frage, wie wünschenswert der Verlust eines Körpergliedes sei, nicht mehr Gegenstand längerer Betrachtungen.«

The Wallet of Kai-Lung

»Ich bin mitten hineingetreten«, sagte Wimseys Stimme ruhig aus der Dunkelheit. »Man sinkt sehr schnell. Kommen Sie lieber nicht näher, sonst versinken Sie mit. Wir wollen ein bißchen schreien. Ich glaube nicht, daß wir noch weit von Grider's Hole sind.«

»Wenn Eure Lordschaft weiter schreien möchten«, entgegnete Mr. Bunter, »glaube ich - ich kann - zu Ihnen kommen«, keuchte er, indem er mit den Zähnen den harten Knoten einer Rolle Schnur öffnete.

»Heda!« rief Lord Peter gehorsam. »Hilfe! Hallo! Hallo!«

Mr. Bunter tastete sich auf die Stimme zu, wobei er mit seinem Spazierstock gewissenhaft den Boden vor sich untersuchte.

»Sie sollten lieber wegbleiben, Bunter«, sagte Lord Peter verstockt. »Was nützt es, wenn wir alle beide -?« Wieder versuchte er zu strampeln und zu rudern.

»Tun Sie das nicht, Mylord«, rief sein Diener beschwörend. »Sie sinken nur noch tiefer ein.«

»Jetzt bin ich bis zu den Oberschenkeln drin«, sagte Lord Peter.

»Ich komme«, sagte Bunter. »Schreien Sie weiter. Ah, hier fängt es an weich zu werden.«

Er stocherte sorgsam im Boden herum, entschied sich für ein Grasbüschel, das ihm einigermaßen fest zu sein schien, und stieß seinen Stock tief hinein.

»Heda! Hallo! Hilfe!« schrie Lord Peter aus voller Brust.

Mr. Bunter band das eine Ende der Schnur an den Spazierstock, schnürte den Regenmantel fest um sich, legte sich vorsichtig auf den Bauch und schob sich, die Schnur in der Hand, voran wie ein sehr gotischer Theseus einer späten und degenerierten Schule.

Das Moor hob und senkte sich bedrohlich unter ihm, während er darüberkroch, und schlammiges Wasser schwappte ihm ins Gesicht. Er tastete mit den Händen nach Grasbüscheln und stützte sich darauf ab, wann immer er konnte.

»Rufen Sie noch einmal, Mylord!«

»Hier!« Die Stimme klang schwächer und kam von rechts. Bunter hatte beim Herumtasten ein wenig die Richtung verloren. »Ich kann es nicht wagen, schneller zu kommen«, erklärte er. Ihm war, als krieche er schon seit Jahren.

»Gehen Sie raus hier, solange noch Zeit ist«, sagte Peter. »Ich bin jetzt bis zur Hüfte drin. Mein Gott, das ist wirklich keine schöne Art, abzutreten!«

»Sie werden nicht abtreten«, knurrte Bunter. Seine Stimme war plötzlich ganz nah. »Jetzt Ihre Hände.«

Ein paar quälende Minuten lang suchten zwei Paar Hände auf dem unsichtbaren Schlamm herum. Dann:

»Halten Sie die Ihren still«, sagte Bunter. Er machte langsame, kreisende Bewegungen. Es war nicht einfach, das Gesicht aus dem Schlamm zu halten. Seine Hände glitten über die glitschige Fläche - und bekamen plötzlich einen Arm zu fassen.

»Gott sei Dank!« sagte Bunter. »Halten Sie sich daran fest, Mylord.«

Er tastete sich weiter vor. Die Arme waren schon gefährlich dicht über dem gefräßigen Schlamm. Lord Peters Hände krochen an seinen Armen empor und blieben auf seinen Schultern liegen. Er packte Wimsey unter den Achseln und zog. Dabei sanken seine eigenen Knie tief in den Morast. Hastig streckte er sich wieder flach aus. Ohne die Knie zu benutzen hatte er keine Kraft, aber sie zu benutzen bedeutete den sicheren Tod. Sie konnten hier nur verzweifelt ausharren, bis Hilfe kam - oder bis die Anstrengung zu groß wurde. Er konnte nicht einmal schreien; es ging schon fast über seine Kräfte, den Mund über Wasser zu halten. Die Muskelanspannung an seinen Schultern wurde unerträglich, und schon das bloße Atemholen verursachte ihm quälende Schmerzen im Nacken.

»Sie müssen weiter schreien, Mylord.«

Wimsey schrie. Seine Stimme war brüchig und schwach geworden.

»Bunter, alter Freund«, sagte Lord Peter, »es tut mir so entsetzlich leid, daß ich Sie da mit hineingezogen habe.«

»Keine Ursache, Mylord«, sagte Bunter, den Mund im Morast. Da fiel ihm plötzlich etwas ein.

»Wo ist Ihr Stock geblieben, Mylord?«

»Fallen gelassen. Er müßte ganz in der Nähe liegen, wenn er nicht versunken ist.«

Bunter ließ behutsam mit der linken Hand los und begann zu suchen.

»He! Holla! Hilfe!«

Bunters Hand fand den Stock, der wie durch ein Wunder auf einem halbwegs festen Grasbüschel gelandet war. Er zog ihn zu sich und legte ihn sich über die Arme, so daß er sein Kinn darauf stützen konnte. Die momentane Erleichterung für seine Nackenmuskeln war so groß, daß er wieder Mut faßte. Er glaubte jetzt auf ewig durchhalten zu können.

»Hilfe!«

Minuten vergingen wie Stunden.

»Da! Haben Sie das gesehen?«

Ein schwaches, flackerndes Leuchten irgendwo rechts. Beide schrien zugleich mit der Kraft der Verzweiflung.

»Hilfe! Hilfe! Heda! Hallo! Hilfe!«

Ein Schrei zur Antwort. Das Licht schwankte - kam näher -ein größer werdender Schimmer im Nebel.

»Wir müssen weitermachen«, keuchte Wimsey. Sie riefen wieder.

»Wo seid ihr?«

»Hier!«

»Hallo!« Pause. Dann:

»Hier ist 'n Stock«, sagte eine Stimme plötzlich ganz nah.

»Folgt der Schnur!« schrie Bunter. Sie hörten zwei Stimmen, die offenbar diskutierten. Dann wurde an der Schnur gezogen.

»Hier! Hier! Wir sind zu zweit! Beeilt euch!«

Weitere Beratungen.

»Könnt ihr euch noch halten?«

»Ja, wenn ihr euch beeilt.«

»Wir müssen 'ne Hürde holen. Zwei seid ihr?«

»Ja.«

»Tief drin?«

»Einer.«

»Ist gut. Da kommt Jim.«

Ein Platschen verkündete die Ankunft Jims mit einer Hürde. Dann folgte ein endloses Warten. Noch eine Hürde, ein Ruck an der Schnur, und das verschwommene Licht bewegte sich heftig hin und her. Eine dritte Hürde wurde abgeworfen, und plötzlich tauchte die Laterne aus dem Nebel auf. Eine Hand packte Bunter am Fußgelenk.

»Wo ist der andere?«

»Hier - fast bis zum Hals drin. Habt ihr ein Seil?«

»Klar. Jim! Das Seil!«

Das Seil kam durch den Nebel gezischt. Bunter packte es und schlang es seinem Gebieter um die Brust.

»Jetzt - komm du da raus und zieh mit.«

Bunter schob sich vorsichtig rückwärts auf die Hürde. Alle drei packten das Seil. Es war, als müßten sie die Erde aus ihrer Bahn ziehen.

»Ich glaube, ich bin an Australien festgewachsen«, keuchte Peter in entschuldigendem Ton. Bunter schwitzte und schluchzte.

»Gut so - jetzt kommt er!«

Langsam, Zentimeter für Zentimeter, gab das Moor nach. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt.

Plötzlich, mit einem lauten Plop, ließ das Moor sein Opfer los. Die drei am Seil flogen längelang auf die Hürden. Etwas Unkenntliches, Morastiges lag hilflos auf der Hürde und versuchte sich zu erheben. Sie zogen fast verzweifelt weiter an ihm, als fürchteten sie, er könne ihnen wieder vor der Nase weggeschnappt werden. Übler Moorgestank stieg ringsum hoch. Sie brachten die erste Hürde hinter sich - die zweite -die dritte - und richteten sich schwankend auf festem Boden auf.