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»Nun, Bunter, ich glaube, ich werde jetzt mal aufstehen. Ich habe das Gefühl, daß wir hier nicht so ganz willkommen sind. Die Blicke unseres Gastgebers gestern abend haben mir nicht gefallen.«

»Mir auch nicht, Mylord. Und er hat sich sehr dagegen gesträubt, daß Eure Lordschaft dieses Zimmer hier bekommen sollten.«

»Warum? Wessen Zimmer ist das denn?«

»Seines und Mrs. Grimethorpes, Mylord. Es erschien am geeignetsten, da es eine Heizmöglichkeit hatte und das Bett bereits gemacht war. Mrs. Grimethorpe war sehr freundlich, Mylord, und der Knecht namens Jake hat Mr. Grimethorpe darauf hingewiesen, daß es sicherlich zu seinem finanziellen Vorteil wäre, Eure Lordschaft zuvorkommend zu behandeln.«

»Hm. Ein einnehmendes Wesen, wie? Na ja, wir machen uns jedenfalls davon. Mein Gott, bin ich steif! Sagen Sie, Bunter, hab ich überhaupt etwas zum Anziehen?«

»Ich habe Ihre Kleidung getrocknet und ausgebürstet, so gut es ging, Mylord. Sie ist nicht so geworden, wie ich es mir gewünscht hätte, Mylord, aber ich glaube, Eure Lordschaft können sie bis Riddlesdale tragen.«

»Nun, die Straßen werden ja nicht gerade von Menschen wimmeln«, entgegnete Seine Lordschaft. »Aber was gäbe ich um ein heißes Bad! Wie steht's mit Rasierwasser?«

»Ich kann welches aus der Küche besorgen, Mylord.«

Bunter trollte sich, und Lord Peter trat, nachdem er sich unter Ächzen und Stöhnen mit Hemd und Hose bekleidet hatte, ans Fenster. Wie bei abgehärteten Landbewohnern üblich, war es fest verschlossen, und der Schiebeteil war mit einem dicken Papierkeil festgeklemmt, damit er nicht klapperte. Peter zog den Keil heraus und schob das Fenster hoch. Der Wind kam hereingetollt und brachte torfige Moorgerüche mit. Er sog sie dankbar ein. Es war schön, nach allem die gute alte Sonne wiederzusehen - er wäre nicht gern einen ekligen Tod im Peter's Pott gestorben. Ein paar Minuten blieb er so stehen und dankte still für die Vorzüge des Daseins. Dann zog er sich zurück, um sich fertig anzuziehen. Den Papierkeil hatte er noch in der Hand und schickte sich gerade an, ihn ins Feuer zu werfen, als ihm ein Wort ins Auge fiel. Er faltete das Papier auseinander. Während er las, zogen sich seine Augenbrauen hoch, und sein Mund spitzte sich zu einem unbeschreiblichen Ausdruck wunderlicher Erleuchtung. Bunter, der eben mit dem Wasser wiederkam, traf seinen Herrn wie verzaubert an, das Blatt Papier in der einen Hand, die Socken in der anderen und eine schwierige Passage von Bach auf tonlos pfeifenden Lippen.

»Bunter«, sagte Seine Lordschaft, »ich bin, ohne Ausnahme, der größte Esel des Abendlandes. Wenn ich etwas unmittelbar vor der Nase habe, sehe ich es nicht. Ich nehme mir ein Teleskop und suche die Erklärung in Stapley. Man sollte mich mit dem Kopf nach unten ans Kreuz schlagen, um mich von meiner Gehirnanämie zu heilen. Jerry, Jerry! Aber klar doch, natürlich, du Obertrottel, liegt es denn nicht auf der Hand? So ein Dummkopf! Warum konnte er das denn nicht Murbles oder mir sagen?«

Mr. Bunter trat näher, ein Bild respektvoller Neugier.

»Sehen Sie sich das an - sehen Sie sich das an!« sagte Wimsey unter hysterischem Lachen. »Mein Gott, mein Gott! Klemmt ihn in den Fensterrahmen, damit ihn jeder finden kann! Echt Jerry. Setzt in mannsgroßen Buchstaben seinen Namen unter die Geschichte, läßt das Ganze sichtbar herumliegen, geht weg und hüllt sich galant in Schweigen.«

Mr. Bunter stellte den Wasserkrug auf den Waschständer, damit es kein Unglück damit gab, und nahm das Blatt.

Es war der verschwundene Brief von Tommy Freeborn.

Kein Zweifel. Da war er - der Beweis, der Denvers Aussage bestätigte. Mehr noch - er war zugleich sein Alibi für die Nacht vom 13. Juni.

Nicht Cathcart - Denver!

Denver hatte die Jagdgesellschaft im Oktober erneut nach Riddlesdale gebeten, wo sie im August die Saison eröffnet hatten. Denver hatte sich in einer Nacht, als Bauer Grimethorpe zum Maschinenkauf in Stapley war, um halb zwölf eilig aus dem Haus geschlichen und war zweieinhalb Meilen weit durch die Felder gewandert. Denver hatte in einer stürmischen Nacht ein klapperndes Fenster achtlos mit einem wichtigen Brief festgeklemmt, auf dem für jeden deutlich sein voller Titel stand. Denver war dann um drei Uhr morgens wie ein Kater wieder nach Hause getrottet und vor der Wintergartentür über die Leiche seines Gastes gestolpert. Denver mit seinen wohlgemeinten, dummen englisch-aristokratischen Ehrbegriffen war lieber eigensinnig ins Gefängnis gegangen, als seinem Anwalt zu sagen, wo er gewesen war. Denver hatte sie allesamt zu den abenteuerlichsten Spekulationen über die Lösung eines Rätsels veranlaßt, das jetzt so klar war wie sieben Sonnen. Denvers Stimme war es, die diese Frau an jenem denkwürdigen Tag zu erkennen geglaubt hatte, als sie sich in die Arme seines Bruders warf. Denver hatte in aller Seelenruhe die große, schwerfällige Maschinerie eines Verfahrens vor seinen noblen Standesgenossen in Gang gesetzt, um den Ruf einer Frau zu schützen.

Wahrscheinlich tagte eben heute ein Ausschuß von Oberhausmitgliedern, um »die Journale dieses hohen Hauses nach früheren Gerichtsverfahren gegen Mitglieder desselben zu sichten, damit die Verhandlung gegen den Herzog von Denver zügig vonstatten gehen und dem hohen Hause ein Bericht über die für geeignet gehaltenen Maßnahmen vorgelegt werden kann«. Da saßen sie nun wohl und beschlossen, Seiner Majestät durch die Lords mit weißen Stäben eine Botschaft zu übersenden, in der Seine Majestät vom vorgesehenen Prozeßdatum in Kenntnis gesetzt werden solle; organisierten die Herrichtung der Königlichen Galerie in Westminster; baten untertänigst um die Gestellung ausreichender Polizeikräfte zum Schutz der Oberhauseingänge; ersuchten Seine Majestät, gnädigst einen Großhofmeister zu ernennen; verfügten in schafsgleicher Berufung auf Präzedenzfälle, daß alle Lords aufzufordern seien, in ihren Roben zu erscheinen; daß jeder Lord sein Urteil auf Ehre und Gewissen zu fällen und dies durch Auflegen der rechten Hand aufs Herz zu bekräftigen habe; daß der Zeremonienmeister im Hause zugegen sein solle, um im Namen des Königs um Ruhe zu bitten - und so weiter und so fort, ohne Ende. Und hier im Fensterrahmen steckte dieses angeschmutzte Stück Papier, das bei früherer Entdeckung die ganze pompöse Zeremonie überflüssig gemacht hätte.

Wimseys Abenteuer im Moor hatte seine Nerven angegriffen. Er setzte sich aufs Bett und lachte, während ihm die Tränen übers Gesicht strömten.

Mr. Bunter war sprachlos. Sprachlos holte er ein Rasiermesser hervor - und bis ans Ende seiner Tage hat Wimsey nie erfahren, wie oder von wem er es sich so schnell besorgt hatte - und begann es nachdenklich auf seinem Handteller abzustreichen.

Nach einer Weile nahm Wimsey sich zusammen und wankte zum Fenster, um sich von der Moorluft ein wenig ab kühlen zu lassen. In diesem Augenblick schlug ein fürchterlicher Lärm an seine Ohren, und er erblickte unten im Hof Bauer Grimethorpe, der zwischen seinen Hunden auf und ab ging; wenn sie heulten, schlug er mit der Peitsche nach ihnen, und dann heulten sie von neuem. Plötzlich sah er zum Fenster empor, und ein solch unverhohlener Haß stand in seinem Gesicht, daß Wimsey, wie von einem Schlag getroffen, rasch einen Schritt zurückwich.

Während Bunter ihn rasierte, schwieg er.

Die Unterredung, die Lord Peter auf sich zukommen sah, war heikler Natur; die Situation, wie immer man sie sah, war unerquicklich. Er war seiner Gastgeberin sehr zu Dank verpflichtet; auf der anderen Seite ließ Denvers Lage solche Rücksichten in den Hintergrund treten. Dennoch war sich Seine Lordschaft noch nie im Leben so schäbig vorgekommen wie jetzt, als er in Grider's Hole die Treppe hinunterging.

In der großen Küche stand eine dicke Magd und rührte in einem Kessel mit Eintopf. Er fragte nach Mr. Grimethorpe und erhielt die Auskunft, daß er fortgegangen sei.

»Könnte ich dann wohl mit Mrs. Grimethorpe sprechen?«

Die Frau sah ihn skeptisch an, dann wischte sie sich die Hände an der Schürze ab, ging in die Spülküche und rief: »Mrs. Grimethorpe!« Von irgendwoher draußen antwortete eine Stimme.