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»Nicht, Mrs. Grimethorpe. Man könnte uns sehen. Es tut mir außerordentlich leid um Sie, und wenn ich meinen Bruder da herausholen kann, ohne Sie mit hineinzuziehen, verspreche ich Ihnen, das zu tun. Aber Sie sehen, wie schwierig es ist. Warum verlassen Sie diesen Mann nicht einfach? Jeder weiß doch, wie brutal er Sie behandelt.«

Sie lachte.

»Glauben Sie, er würde mich am Leben lassen, bis das Gesetz mich endlich von ihm befreit hätte? Sie kennen ihn doch. Glauben Sie das?«

Wimsey glaubte es wirklich nicht.

»Ich verspreche Ihnen eines, Mrs. Grimethorpe. Ich will mit allen Mitteln zu vermeiden versuchen, daß ich auf Sie als Zeugin zurückgreifen muß. Wenn es aber nicht anders gehen sollte, werde ich dafür sorgen, daß Sie vom Augenblick der Vorladung an unter Polizeischutz stehen.«

»Bis an mein Lebensende?«

»Wenn Sie erst in London sind, werden wir zusehen, daß Sie von diesem Mann freikommen.«

»Nein. Sowie Sie mich hinzuziehen, bin ich verloren. Aber Sie werden einen anderen Weg finden?«

»Ich will es versuchen, aber versprechen kann ich nichts. Ich werde alles tun, was möglich ist, um Sie zu schützen. Wenn Ihnen an meinem Bruder irgend etwas liegt -«

»Das weiß ich nicht. Ich habe so schreckliche Angst. Er war gut und freundlich zu mir. Er war - so anders. Aber ich habe Angst - Angst.«

Wimsey drehte sich um. Ihre entsetzten Augen hatten den Schatten über die Schwelle huschen sehen. Grimethorpe stand in der Tür und funkelte sie beide böse an.

»Ah, Mr. Grimethorpe«, rief Wimsey fröhlich, »da sind Sie ja! Freut mich außerordentlich, Sie noch zu sehen und Ihnen danken zu können, daß Sie mich aufgenommen haben. Das habe ich eben zu Ihrer Frau gesagt und sie gebeten, Ihnen in meinem Namen auf Wiedersehen zu sagen. Ich muß jetzt leider fort. Bunter und ich sind Ihnen beiden überaus dankbar für Ihre Freundlichkeit. Ach ja, und könnten Sie mir diese kräftigen Jungs mal herbringen, die uns gestern nacht aus Ihrem Moorloch herausgezogen haben - falls es Ihres ist? Häßliche Sache, so was vor seiner Haustür zu haben, wie? Ich möchte den Herren danken.«

»Aber gut für unwillkommene Gäste«, entgegnete der Mann wütend. »Und Sie verschwinden hier lieber, bevor ich Sie rausschmeiße.«

»Bin schon weg«, sagte Peter. »Nochmals auf Wiedersehen, Mrs. Grimethorpe, und tausend Dank.«

Er rief Bunter zu sich, entlohnte seine Retter angemessen, nahm liebevollen Abschied von dem tobenden Bauern und ging seines Weges, wund am Körper und zutiefst verwirrt im Herzen.

Manon

»Dieses eine Wort, mein lieber Watson, hätte mir die ganze Geschichte erzählen müssen, wenn ich dieser reine Verstandesmensch wäre, als den du mich so gern schilderst.«

Memoirs of Sherlock Holmes

»Gott sei Dank«, sagte Parker. »Nun, damit wäre ja alles klar.«

»Ist es - und doch wieder nicht«, erwiderte Lord Peter. Er ließ sich nachdenklich auf das dicke Kissen in der Sofaecke zurücksinken.

»Natürlich ist es nicht schön, diese Frau bloßstellen zu müssen«, sagte Parker verständnisvoll und mitfühlend, »aber daran läßt sich nun einmal nichts ändern.«

»Ich weiß. So einfach und nett ist das alles. Und an Jerry, der die arme Frau in den ganzen Schlamassel hineingerissen hat, gilt es ja auch zuerst zu denken. Und wenn wir Grimethorpe nicht sehr erfolgreich an die Kette legen und er der Frau die Kehle durchschneidet, hat Jerry zeitlebens etwas furchtbar Lustiges, woran er denken kann ... Jerry! Sag mal, was sind wir eigentlich für Trottel, daß wir die Wahrheit nicht gleich gesehen haben? Ich meine - natürlich ist meine Schwägerin eine schrecklich gute Frau und so weiter, aber Mrs. Grimethorpe - hui! Ich hab dir ja erzählt, wie sie mich mit Jerry verwechselt hat. Das war ein Augenblick, kann ich dir sagen! Aber da hätte ich Bescheid wissen müssen. Unsere Stimmen ähneln sich natürlich, und sehen konnte sie aus der dunklen Küche nichts. Ich glaube ja nicht, daß in dieser Frau auch nur noch ein Funken Gefühl steckt, außer der nackten Angst - aber bei allen Göttern! Diese Augen, diese Haut! Na ja, vergessen wir's. Das größte Glück haben oft die, die es am wenigsten verdienen. Kennst du ein paar gute Witze? Nein? Dann erzähle ich dir mal einen - zur Erweiterung deines Horizonts und so. Kennst du den von dem jungen Mann im Kriegsministerium?«

Mr. Parker ließ mit lobenswerter Geduld fünf Anekdoten über sich ergehen, dann konnte er sich plötzlich nicht mehr halten.

»Hurra!« rief Wimsey. »Bist doch ein feiner Kerl! Wie gern ich von Zeit zu Zeit ein verhaltenes Schmunzeln auf deinen Lippen sehe! Dann will ich dich mal mit der wirklich haarsträubenden Geschichte von der jungen Hausfrau und dem Vertreter in Fahrradpumpen verschonen. Sieh mal, Charles, ich möchte ja wirklich wissen, wer nun Cathcart umgebracht hat. Juristisch genügt es zwar, zu beweisen, daß Jerry unschuldig ist, aber Mrs. Grimethorpe hin oder Mrs. Grimethorpe her, unserem Ruf als Detektive wäre das nicht gerade zuträglich. Der Vater lenkt ein, aber der Fürst bleibt hart; das heißt, als Bruder bin ich zufrieden - man könnte sogar sagen froh -, aber als Detektiv fühle ich mich am Boden zerstört, gedemütigt, in die Schranken gewiesen, ein Ochse vorm Scheunentor. Außerdem ist von allen Verteidigungsmöglichkeiten ein Alibi am schwersten glaubhaft zu machen, sofern man nicht ein ganzes Heer von unabhängigen und unbeteiligten Zeugen aufbietet, die es bestätigen. Wenn Jerry bei seinem Nein bleibt, wissen sie mit Sicherheit nur, daß entweder er oder Mrs. Grimethorpe sich ritterlich verhält.«

»Du hast doch den Brief.«

»Schon. Aber wie sollen wir beweisen, daß er an dem fraglichen Abend angekommen ist? Der Umschlag ist vernichtet. Fleming kann sich an nichts erinnern. Jerry könnte ihn schon Tage vorher bekommen haben. Oder er könnte überhaupt gefälscht sein. Und wer kann beschwören, daß ich ihn nicht selbst in den Fensterrahmen geklemmt und dann so getan habe, als hätte ich ihn gefunden? Immerhin kann man mich schwerlich als unbefangenen Zeugen bezeichnen.«

»Bunter hat gesehen, wie du ihn gefunden hast.«

»Hat er nicht, Charles. In dem fraglichen Augenblick war er nicht im Zimmer, weil er Rasierwasser holen ging.«

»Ach, so war das?«

»Und außerdem kann nur Mrs. Grimethorpe allein das beschwören, was eigentlich der springende Punkt ist - wann Jerry bei ihr angekommen und wann er wieder gegangen ist. Wenn er nicht spätestens um halb eins in Grider's Hole war, ist es vollkommen unerheblich, ob er da war oder nicht.«

»Aber«, sagte Parker, »könnten wir uns Mrs. Grimethorpe nicht wenigstens warmhalten, wie man so sagt -?«

»Klingt ein bißchen frivol«, meinte Lord Peter, »aber halten wir sie uns mit dem größten Vergnügen warm, wenn du willst.«

»- und inzwischen«, fuhr Mr. Parker unbeirrt fort, »alles daransetzen, den richtigen Täter zu finden?«

»O ja«, sagte Lord Peter. »Und da fällt mir etwas ein. Ich habe im Jagdhaus eine Entdeckung gemacht - ich glaub's wenigstens. Ist dir aufgefallen, daß eines der Arbeitszimmerfenster mit Gewalt geöffnet worden war?«

»Nein, wirklich?«

»Ja. Ich habe eindeutige Spuren gefunden. Natürlich war das lange nach dem Mord, aber es waren unübersehbare Kratzer am Riegel - wie sie zum Beispiel ein Taschenmesser hinterlassen würde.«

»Wie dumm von uns, damals nicht darauf geachtet zu haben!«

»Warum hätten wir das eigentlich tun sollen? Jedenfalls habe ich Fleming danach gefragt, und er sagt, jetzt wo er darüber nachdenkt, kann er sich erinnern, daß er am Donnerstagmorgen das Fenster offen vorgefunden hat und nicht wußte, wieso. Und noch etwas. Ich habe einen Brief von meinem Freund Tim Watchett erhalten. Hier ist er:

>Mylord - ich komme auf unser Gespräch zurück. Ich habe einen Mann gefunden, der am Abend des 13. letzten Monats mit dem Betreffenden im Pfeifenden Eber war, und er sagt, daß der Betreffende sich von ihm ein Fahrrad ausgeliehen hat, welchselbiges später mit verbogener Lenkstange und verbeulten Rädern an der Stelle, wo der Betreffende aufgelesen wurde, im Graben gefunden worden war. Ihrem geschätzten Wohlwollen empfiehlt sich weiterhin