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»Ts, ts! Schau dir mal die Zeile darüber an.«

»Da sehe ich nur ein >oe<.«

»Und?«

»Ich weiß nicht. >Poesie< vielleicht, >Goethe<, >Citroën<, >Hors-d'œuvre< - das kann vieles heißen.«

»Ich weiß nicht. Aber mit deinem letzten Wort kommst du der Sache schon näher - das >o< und >e< stehen sehr dicht zusammen, fast wie im Französischen.«

»Du meinst, es ist vielleicht ein französisches Wort?«

»Genau! Vielleicht ein französisches Wort.«

»Oder der Text ist überhaupt französisch?«

»Du hast es erfaßt. Französische Wörter mit >oe< bitte.«

»Sœur - œuvre - œuf - bœuf-«

»Nein, nein, das erste Wort war näher dran.«

»Sœur - cœur!«

»Cœur. Einen Moment. Sieh dir mal das Gekritzel davor an.«

»Warte mal - er - cer -«

»Wie wär's mit percer?«

»Ich glaube, du hast recht. >Percer le cœur.«<

»Ja. Oder perceras le cœur<.«

»Das klingt besser. Es sieht auch so aus, als ob da noch ein, zwei Buchstaben hineingehörten.«

»Und jetzt noch einmal die Zeile mit dem >is - f.u<.«

»Fou!«

»Wer?«

»Ich habe keinen Namen genannt; ich habe >fou< gesagt.«

»Ich weiß, was du gesagt hast. Und ich habe gefragt, wer?«

»Wer was?«

»Wer ist fou?«

»Ach so - >is<. Himmel, klar doch, >suis<! >Je suis fou.<«

»A la bonne heure! Und ich schlage vor, daß die nächsten beiden Wörter >de douleur< oder so etwas heißen.«

»Könnte sein.«

»Du bist ziemlich vorsichtig. Ich sage, sie heißen so!«

»Na schön, und wenn sie so heißen?«

»Dann sagen sie uns alles.«

»Überhaupt nichts!«

»Alles, sage ich. Denk mal nach. Geschrieben wurde das an dem Tag, als Cathcart starb. So, und wer im Haus könnte wohl solche Worte geschrieben haben - perceras le cœur je suis fou de douleur<? Geh mal alle durch. Ich weiß, daß es nicht Jerrys Schrift ist, außerdem würde er nie solche Ausdrücke verwenden. Oberst oder Mrs. Marchbanks? Eher bin ich Pygmalion! Freddy? Der könnte keine leidenschaftlichen Briefe auf französisch schreiben, wenn's um sein Leben ginge.«

»Nein, natürlich. Es müßte also Cathcart gewesen sein -oder Lady Mary.«

»Quatsch! Mary kann's nicht gewesen sein.«

»Warum nicht?«

»Weil sie dann ihr Geschlecht geändert haben müßte, nicht?«

»Stimmt ja. Dann müßte da stehen: >Je suis folle.< Also Cathcart -«

»Eben. Er hat sein ganzes Leben in Frankreich zugebracht. Denk an sein Bankbuch. Denk an -«

»Mein Gott! Wimsey, wir waren blind.«

»Richtig.«

»Paß mal auf! Das wollte ich dir nämlich vorhin sagen. Die Sûreté hat mir geschrieben, daß sie eine von Cathcarts Banknoten hat aufspüren können.«

»Bei wem?«

»Bei einem Monsieur François, dem etliche Häuser am Étoile gehören.«

»Und in denen er Appartements vermietet!«

»Zweifellos.«

»Wann geht der nächste Zug? Bunter!«

»Mylord?«

Mr. Bunter kam auf den Ruf hin zur Tür geeilt.

»Der nächste Schiffszug nach Paris?«

»Acht Uhr zwanzig, Mylord.«

»Packen Sie meine Zahnbürste ein und rufen Sie mir ein Taxi.«

»Gewiß, Mylord.«

»Aber, Wimsey, was bedeutet das in bezug auf den Mord an Cathcart? Hat etwa diese Frau -«

»Keine Zeit«, sagte Wimsey hastig. »Aber ich bin in ein, zwei Tagen wieder da. Inzwischen -«

Er suchte eilig auf einem Bücherregal herum.

»Lies das mal.«

Er warf seinem Freund das Buch zu und stürzte ins Schlafzimmer.

Um elf Uhr, als der Streifen schmutzigen, von Öl und Papierfetzen verunzierten Wassers zwischen der Normannia und dem Kai immer breiter wurde, während abgehärtete Passagiere ihre Seemägen mit kaltem Schinken und eingelegten Gürkchen stärkten und die nervöseren sich die Schwimmwesten in ihren Kabinen anschauten, während die Hafenlichter blinkten und rechts und links vorüberzogen und Lord Peter in der Bar eine flüchtige Bekanntschaft mit einem zweitklassigen Filmschauspieler anknüpfte, saß Charles Parker mit verwundert gerunzelter Stirn vor dem Kaminfeuer in Piccadilly 110 A und machte seine erste Bekanntschaft mit jenem delikaten Meisterwerk des Abbé Prévost.

Des Beiles Schneide gegen ihn gerichtet

Szene I: Westminster-Halle. Die geistlichen Lords zur Rechten des Throns, die weltlichen Lords zur Linken, die Gemeinen unterhalb. Bolingbroke, Aumerle, Surrey, Northumberland, Percy, Fitzwater, ein andrer Lord, Bischof von Carlisle, Abt von Westminster und Gefolge. Im Hintergrund Gerichtsbediente mit Bagot.

Bolingbroke: Ruft Bagot vor! Nun, Bagot, rede frei heraus,

Was du vom Tod des edlen Gloster weißt:

Wer trieb den König an, und wer vollbrachte Den blut'gen Dienst zu seinem frühen Ende?

Bagot: So stellt mir vors Gesicht den Lord Aumerle.

König Richard II.

Der historische Prozeß gegen den Herzog von Denver wegen Mordes begann mit der ersten Sitzung des Parlaments nach den Weihnachtsferien. Die Zeitungen trugen Aufmacher wie »Prozeß vor seinesgleichen«, von einer Rechtsanwältin, oder »Das Privileg der Peers; abschaffen oder nicht?«, von einem Studenten der Geschichte. Der Evening Banner handelte sich mit einem Artikel unter der Überschrift »Die seidene Schlinge« (von einem Antiquar), der als voreingenommen erachtet wurde, Ärger wegen Mißachtung des Gerichts ein, und die Daily Trumpet - das Organ der Arbeiterpartei - fragte ironisch, warum bei einem Prozeß gegen einen Peer nur die paar einflußreichen Persönlichkeiten, die eine Karte für die Königliche Galerie ergattern konnten, den Spaß des Zuschauens haben durften.

Mr. Murbles und Kriminalinspektor Parker, die engen Kontakt miteinander hielten, liefen mit sorgenvollen Gesichtern herum, während Sir Impey Biggs, umkreist von Mr. Glibbery, Kronanwalt, Mr. Brownrigg-Fortescue, Kronanwalt, und einigen unbedeutenderen Planeten, drei Tage lang Sonnenfinsternis spielte. Die Pläne der Verteidigung wurden in der Tat im dunkeln gehalten - um so mehr, als sie sich am Vorabend der Schlacht noch ihres Hauptzeugen beraubt sah und nicht wußte, ob er sein Entlastungsmaterial überhaupt würde beibringen können.

Lord Peter war nach vier Tagen aus Paris zurückgekommen und wie ein Wirbelwind in die Great Ormond Street gefahren. »Ich hab's«, sagte er, »aber es hängt am seidenen Faden. Hör zu!«

Eine Stunde lang hatte Parker zugehört und sich fieberhaft Notizen gemacht.

»Du kannst darauf schon mal aufbauen«, sagte Wimsey. »Und sag Murbles Bescheid. Ich muß weg.«

Als nächstes kreuzte er in der amerikanischen Botschaft auf. Der Botschafter aber war nicht da, denn er war zu einem königlichen Diner befohlen worden. Wimsey wünschte das Diner zum Teufel, ließ die höflichen, hornbebrillten Sekretäre stehen, sprang in sein Taxi und verlangte, zum BuckinghamPalast gefahren zu werden. Dort brachte eine lange Diskussion mit pikierten Höflingen zunächst einen höheren Höfling, dann einen ganz hohen Höfling auf den Plan, und schließlich erschienen der amerikanische Botschafter und ein Mitglied des Königshauses, noch mit dem letzten Bissen im Mund.

»O ja«, sagte der Botschafter, »natürlich läßt sich das machen -«

»Gewiß, gewiß«, sagte die Hoheit huldvoll, »wir können keine Verzögerung brauchen. Das könnte zu internationalen Mißverständnissen führen und einen großen Schriftwechsel wegen Ellis Island zur Folge haben. Ärgerlich, wenn wir den Prozeß verschieben müßten - schreckliches Theater, nicht? Unsere Sekretäre schleppen uns ständig neue Schriftstücke wegen weiterer Polizeikräfte und Sitzgelegenheiten zur Unterschrift an. Viel Glück, Wimsey! Kommen Sie, essen Sie einen Happen, während Ihre Papiere fertig gemacht werden. Wann legt Ihr Schiff ab?«