Egal, dachte ich, als ich nach dem Essen fünf Stalldek-ken ausbreitete und sie einweichte, so kannst du wenigstens zwei Stunden ungestört nachdenken. Doch wie so oft irrte ich mich.
Um drei Uhr, als die Pferde dösten und die Pfleger, soweit sie nicht mit ihrem Wochenlohn nach Harrogate gebraust waren, Siesta hielten, das Leben im Stall also ruhte und nur ich mit meinem Besen widerwillig zugange war, kam Patty Tarren zum Tor herein, überquerte den Hof und blieb vor mir stehen.
Sie trug ein einfaches grünes Kleid aus warmem, weichem Tweed mit Silberknöpfen vom Kragen bis zum Saum. Das kastanienbraune Haar, von einem breiten grünen Band aus der Stirn gehalten, fiel glatt und glänzend auf ihre Schultern, und mit den langen, dichten Wimpern und dem hellrosa Mund stellte sie ungefähr die reizvollste Unterbrechung dar, die ein hart arbeitender Stallmann sich wünschen konnte.
«Hallo, Danny«, sagte sie.
«Guten Tag, Miss.«
«Ich hab dich vom Fenster aus gesehen«, sagte sie. Ich drehte mich überrascht um, da ich Octobers Haus völlig hinter Bäumen verborgen geglaubt hatte, aber tatsächlich konnte man weiter oben am Hang durch eine Lücke zwischen den unbelaubten Ästen eine Hausecke und ein Fenster sehen. Aber es war weit weg. Wenn Patty mich auf die Entfernung erkannt hatte, mußte sie durch ein Fernglas geschaut haben.
«Du sahst ein bißchen einsam aus, da dachte ich, ich unterhalte mich mal mit dir.«
«Danke, Miss.«
«Die übrige Familie«, sagte sie und schlug die Wimpern nieder,»Kommt auch erst heute abend, und allein in dem großen Schuppen wußte ich gar nichts anzufangen, das wird schnell langweilig. Da dachte ich, mit dir kann man wenigstens reden.«
«Mhm. «Ich stützte mich auf den Besen, sah in ihr reizendes Gesicht und fand, daß ihre Augen einen Ausdruck hatten, der ihrem Alter nicht entsprach.
«Es ist ziemlich kalt hier, hm? Ich wollte was mit dir bereden… Können wir uns nicht da in den Eingang stellen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie auf den fraglichen Eingang, es war der des Heuspeichers, zu und trat hinein. Ich folgte ihr und lehnte den Besen gegen den Türpfosten.
«Ja, Miss?«sagte ich. Es war halb dunkel in dem Raum.
Wie sich herausstellte, ging es ihr doch nicht in erster Linie ums Reden.
Sie schlang die Arme um meinen Hals und bot mir die Lippen zum Kuß. Ich beugte mich vor und küßte sie. Octobers Tochter war nicht unerfahren. Sie küßte mit Zunge und Zähnen, und sie bewegte ihren Bauch rhythmisch gegen meinen. Meine Muskeln verkrampften sich. Sie duftete nach frischer Seife, unschuldiger, als sie sich benahm.
«Na siehst du«, sagte sie kichernd, machte sich los und ging auf die Heuballen zu, die den Raum halb ausfüllten.
«Komm«, sagte sie über die Schulter und stieg auch schon auf die Ballen, die eine durchgehend gerade Fläche bildeten. Ich folgte ihr langsam. Oben setzte ich mich, schaute auf den Boden hinunter, sah den Besen an der Tür, den Eimer und eine von der Sonne beschienene Stalldecke draußen. Auf dem Heu hatte Philip, als er klein war, jahrelang am liebsten gespielt… und wie gut, daß dir jetzt deine Familie einfällt, dachte ich.
Patty lag einen Meter von mir entfernt auf dem Rücken. Ihre weit geöffneten Augen glänzten, und auf ihren Lippen lag ein merkwürdiges kleines Lächeln. Ohne den Blick von mir zu wenden, öffnete sie die Silberknöpfe an ihrem Kleid bis weit unter die Taille. Dann ließ sie mit einer schüttelnden Bewegung das Kleid auseinanderfallen.
Sie hatte nichts darunter an.
Ich betrachtete ihren Körper, perlmuttfarben, schlank, begehrenswert; und es durchlief ihn ein leiser Schauer der Erwartung.
Ich sah ihr wieder ins Gesicht. Die Augen waren groß und dunkel, und ihr merkwürdiges Lächeln kam mir plötzlich verstohlen, gierig und ganz und gar verdorben vor. Unvermittelt sah ich mich, wie sie mich sehen mußte, so wie ich mich in dem großen Spiegel in Octobers Stadthaus gesehen hatte, ein flotter, etwas zwielichtiger Bursche mit dunklen Haaren und unlauteren Absichten.
Da wußte ich ihr Lächeln einzuordnen.
Ich wandte mich ab, drehte ihr den Rücken zu und spürte, wie Zorn und Scham in mir aufstiegen.
«Ziehen Sie sich an«, sagte ich.
«Warum? Kriegst du keinen hoch, Danny?«
«Ziehen Sie sich an«, wiederholte ich.»Der Spaß ist vorbei.«
Ich sprang vom Heu herunter und ging, ohne mich umzudrehen, zur Tür hinaus. Schnappte mir den Besen, fluchte verhalten und schrubbte vor lauter Wut über mich selbst die nächste Stalldecke, bis mir die Arme weh taten.
Nach einer Weile sah ich sie im wieder zugeknöpften Kleid aus dem Heuspeicher kommen, um sich blicken und zu einer Schlammpfütze am Rand des Betons gehen. Sie saute sich gründlich die Schuhe ein, trat dann wie ein böses Kind auf die Decke, die ich gerade gereinigt hatte, und streifte den ganzen Matsch mitten darauf ab.
Ihre Augen waren groß, ihr Gesicht ausdruckslos, als sie mich ansah.
«Das wird dir noch leid tun, Danny«, sagte sie nur und ging ohne Eile über den Hof davon, wobei das kastanienbraune Haar ein wenig auf dem grünen Tweedkleid wippte.
Ich schrubbte die Decke noch einmal. Warum hatte ich sie geküßt? Warum war ich mit ihr, obwohl ich nach diesem Kuß über sie Bescheid wußte, ins Heu gegangen? Wie hatte ich so dumm, so gierig, so unbesonnen sein können? Sinnlose Bestürzung erfüllte mich.
Man brauchte eine Einladung zum Essen nicht anzunehmen, selbst wenn die Vorspeise Appetit gemacht hatte. Nahm man sie aber an, durfte man das Gebotene nicht so schroff zurückweisen. Sie hatte allen Grund, wütend zu sein.
Und ich hatte allen Grund, bestürzt zu sein. Seit neun Jahren ersetzte ich zwei Mädchen, von denen eines fast so alt war wie Patty, den Vater. Als sie klein waren, hatte ich ihnen beigebracht, sich nicht von Fremden mitnehmen zu lassen, und als sie größer wurden, wie man raffinierteren Fallstricken entgeht. Und jetzt war ich selbst einer derjenigen, vor denen alle Eltern warnen.
Ich hatte ein entsetzlich schlechtes Gewissen gegenüber October, denn es ließ sich nicht leugnen, daß ich das gleiche gewollt hatte wie Patty.
Kapitel 7
Am nächsten Morgen ritt Elinor mein Pferd, und Patty, die sie offensichtlich überredet hatte, mit ihr zu tauschen, mied es peinlich, mich auch nur anzusehen.
Elinor, ein dunkles Kopftuch um das silberblonde Haar, ließ sich ohne weiteres von mir raufwerfen, lächelte dankend und ritt mit ihrer Schwester an der Spitze des Lots davon. Als wir jedoch vom Training zurückkamen, führte sie das Pferd in die Box und begann es zu putzen, während ich mich um Sparking Plug kümmerte. Ich merkte das erst, als ich den Hof hinunterkam, und war überrascht, sie dort zu sehen, da Patty das Pferd stets gezäumt, gesattelt und verdreckt in der Box zurückgelassen hatte.
«Holen Sie Heu und Wasser«, sagte sie.»Den habe ich gleich sauber.«
Ich trug Sattel und Zaumzeug in die Sattelkammer und brachte Heu und Wasser. Elinor bürstete die Mähne des Pferdes an, und ich legte ihm die Decke über und schloß den Gurt. Sie sah zu, wie ich Stroh nachstreute, um ihm ein bequemes Lager zu bereiten, und wartete, bis ich die Tür verriegelt hatte.
«Danke«, sagte ich.»Vielen Dank.«
Sie lächelte.»Das tu ich gern. Wirklich. Ich mag Pferde, besonders Rennpferde. Drahtig, schnell und aufregend.«
«Ja«, stimmte ich zu. Wir gingen gemeinsam über den Hof, sie zum Ausgang und ich zum Pflegerhaus.
«Es ist so anders, als was ich sonst jeden Tag mache«, sagte sie.
«Was machen Sie denn sonst?«
«Ach… studieren. An der Uni Durham. «Sie mußte über etwas lächeln, das ihr dabei einfiel. Es hatte nichts mit mir zu tun. Wenn man von gleich zu gleich mit ihr verkehrte, dachte ich, fand man bei Elinor sicher mehr als nur gutes Benehmen.