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»Ich habe aber einen Zauberspruch«, protestierte Fizban, als Tolpan an ihm zerrte und ihn hochzog. »Nehmt euch sofort vor diesen Nervensägen in acht!«

»Nein!« sagte Tanis. »Absolut nicht. Bei meinem Pech verwandelst du sie alle in Trolle.«

»Ich frage mich, ob mir das gelingen würde...«, strahlte Fizban.

Die Nachmittagssonne begann gerade unterzugehen, als sich der Pfad, der sie immer höher in die Berge führte, gabelte. Einer führte zu den Berggipfeln, der andere schien sich um eine Bergseite zu schlängeln. Zwischen den Gipfeln könnte ein Paß sein, dachte Tanis, ein Paß, den sie im Notfall verteidigen könnten.

Aber bevor er ein Wort sagen konnte, schlug Fizban den Pfad ein, der sich um den Berg schlängelte. »Diesen Weg«, verkündete der alte Magier, während er vorwärts wankte.

»Aber...«, wollte Tanis protestieren.

»Kommt schon, kommt schon. Diesen Weg!« sagte Fizban hartnäckig, drehte sich um und funkelte sie unter seinen buschigen, weißen Augenbrauen wütend an. »Der andere Weg endet in einer Sackgasse – in mehr als nur einer Hinsicht. Ich war hier schon einmal. Dieser Weg führt um die Bergseite zu einer Schlucht. Über die Schlucht ist eine Brücke gebaut. Wir können sie überqueren und dann die Drakonier bekämpfen, wenn sie versuchen, uns zu folgen.«

Tanis blickte finster, nicht willens, dem verrückten alten Magier zu vertrauen.

»Der Plan ist gut, Tanis«, sagte Caramon langsam. »Irgendwann müssen wir wohl gegen sie kämpfen.« Er zeigte auf die Drakonier, die hinter ihnen die Bergpfade hochkletterten.

Tanis sah sich um. Sie waren alle erschöpft. Tika war blaß, ihre Augen glasig. Sie lehnte sich an Caramon, der sogar Speere zurückgelassen hatte, um seine Last zu erleichtern.

Tolpan grinste Tanis fröhlich an. Aber der Kender keuchte wie ein junger Hund und hinkte.

Berem sah wie immer aus, verdrossen und verängstigt. Wegen Flint machte sich Tanis die größten Sorgen. Der Zwerg hatte während ihrer Flucht kein einziges Wort gesagt. Er hatte immer Schritt gehalten, aber seine Lippen waren blau, und sein Atem kam keuchend und stoßartig. Hin und wieder – wenn der Zwerg sich nicht beobachtet fühlte – hatte Tanis gesehen, wie er seine Hand auf seine Brust legte oder seinen linken Arm rieb, als ob er Schmerzen hätte.

»Nun gut.« Der Halb-Elf hatte sich entschieden. »Geh vor, alter Magier. Obwohl ich es höchstwahrscheinlich bedauern werde«, fügte er leise hinzu, als die anderen Fizban folgten.

Kurz vor Sonnenuntergang hielten die Gefährten an. Sie standen auf einem kleinen Felsvorsprung. Vor ihnen lag eine tiefe, enge Schlucht. Weit unten konnten sie einen Fluß ausmachen, der sich wie eine glänzende Schlange durch die Schlucht wand.

Es muß mehr als zweihundert Meter tief sein, rechnete Tanis. Über die Schlucht gab es nur einen Weg.

»Und diese Brücke«, sagte Flint – die ersten Worte seit Stunden, »ist älter als ich... und in einem schlimmeren Zustand.«

»Die Brücke hält seit Jahren!« erklärte Fizban beleidigt.

»Nun, sie hat immerhin die Umwälzung überlebt.«

»Das glaube ich«, sagte Caramon aufrichtig.

»Zumindest ist sie nicht so lang.« Tika versuchte, hoffnungsfroh zu klingen, obwohl ihre Stimme stockte.

Die Brücke war eine einzigartige Konstruktion. Riesige Vallenholzbaumstämme waren über die Schlucht hinweg in beide Schluchtwände getrieben worden. Die Stämme bildeten eine X-Form, die den hölzernen Gehweg trug. Vor langer Zeit mußte dieses Bauwerk ein architektonisches Wunder gewesen sein. Aber jetzt waren die Holzplanken verrottet. Wenn es einmal ein Geländer gegeben hatte, so mußte es schon vor langer Zeit in die Schlucht gefallen sein. Schon beim Hinsehen knirschte und bebte das Holz im eisigen Abendwind.

Dann hörten sie hinter sich gutturale Stimmen und das Klirren von Stahl.»Soviel zum Zurückgehen«, murmelte Caramon. »Wir sollten einzeln hinübergehen.«

»Keine Zeit«, sagte Tanis. »Wir können nur hoffen, daß die Götter mit uns sind. Und – ich gebe es nicht gern zu -, aber Fizban hat recht. Wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind, können wir die Drakonier mühelos aufhalten. Sie werden hervorragende Zielscheiben abgeben. Ich gehe zuerst. Caramon, du bildest den Schluß. Berem, bleib hinter mir.«

So schnell er sich wagte, betrat Tanis die Brücke. Er konnte die Planken zittern und beben spüren. Tief unten strömte der Fluß schnell zwischen den Bergwänden; spitze Steine ragten aus seiner weißen, schaumigen Oberfläche hervor. Tanis hielt den Atem an und sah schnell weg.

»Seht nicht nach unten«, rief er den anderen zu, während er eisige Leere spürte, wo sonst sein Magen war. Einen Moment lang konnte er sich nicht bewegen, dann kroch er Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Berem folgte ihm dicht, die Angst vor den Drachenmännern ließ ihn alles andere Entsetzliche vergessen.

Nach Berem kam Tolpan, der sich mühelos mit der Geschicklichkeit der Kender fortbewegte und neugierig nach unten spähte. Ihm folgte der verängstigte Flint, von Fizban gestützt.

Tika und Caramon waren die letzten, die ihren Fuß auf die bebenden Planken setzten. Nervös schauten sie zurück.

Tanis hatte fast die Hälfte der Brücke hinter sich, als ein Teil von ihr nachgab, und das verrottete Holz unter seinen Füßen zersplitterte.

Fallend griff er instinktiv nach einer Planke und bekam sie zu fassen. Aber das Holz zerbröckelte in seiner Hand. Seine Finger rutschten ab und...

... eine Hand schloß sich um sein Handgelenk.

»Berem!« keuchte Tanis. »Halt fest!« Er zwang sich, steif zu bleiben, denn jede Bewegung würde es Berem schwerer machen, ihn zu halten.

»Zieh ihn hoch!« hörte er Caramon brüllen. »Keiner bewegt sich! Das ganze Ding bricht gleich zusammen!«

Berems Gesicht verkrampfte, Schweiß lief über seine Stirn, während er zog. Tanis sah die Muskeln am Arm des Mannes hervortreten, die Adern platzten fast aus der Haut. Mit scheinbar tödlicher Langsamkeit zog Berem den Halb-Elfen über den Rand der zerborstenen Brücke. Hier brach Tanis zusammen.

Vor Angst bebend lag er auf dem Holz.

Dann hörte er Tika schreien. Er hob den Kopf und stellte mit grimmiger Belustigung fest, daß er sein Leben wahrscheinlich gerade wiedergewonnen hatte, nur um es doch zu verlieren. Mehr als dreißig Drakonier waren auf dem Pfad erschienen. Die andere Seite der Brücke stand noch. Er könnte über das Loch in Sicherheit springen, und auch Berem und Caramon aber weder Tolpan, noch Flint, noch Tika oder der alte Magier.

»Hervorragende Zielscheiben, sagtest du«, murmelte Caramon, während er sein Schwert zog.

»Wirf einen Zauber, Alter!« sagte Tolpan plötzlich.

»Was?« blinzelte Fizban.

»Einen Zauber!« schrie Tolpan, auf die Drakonier zeigend, die die Gefährten auf der Brücke gefangen sahen und herbeieilten, um ihnen den Rest zu geben.

»Tolpan, wir haben schon genug Ärger«, begann Tanis. Die Brücke ächzte unter seinen Füßen. Caramon, sich vorsichtig bewegend, drehte sich um, um den Drakoniern gegenüberzustehen. Tanis legte einen Pfeil auf und schoß. Ein Drakonier griff an seine Brust und fiel kreischend in die Schlucht. Der Halb-Elf schoß wieder und traf noch einmal. Die Drakonier zögerten verwirrt. Es gab keine Deckung, keinen Ausweg, um den tödlichen Pfeilen des Halb-Elfen zu entkommen. Dann drängten die Vorderen weiter zur Brücke.

In diesem Moment begann Fizban, seinen Zauber zu werfen. Als Tanis den alten Magier singen hörte, verließ ihn der Mut. Dann erinnerte er sich bitter daran, daß sie kaum in einer schlimmeren Position sein konnten. Berem beobachtete die Drakonier mit undurchdringlicher Miene, was Tanis erstaunlich fand, bis ihm wieder einfiel, daß Berem keine Angst vordem Tod hatte, er würde immer wieder ins Leben zurückkehren. Tanis schoß wieder, und ein anderer Drakonier heulte vor Schmerz auf. Er war dermaßen in seine Zielscheiben vertieft, daß er Fizban vergaß, bis er Berem verblüfft aufkeuchen hörte. Tanis blickte auf und sah Berem in den Himmel starren. Als er seinem Blick folgte, hätte er vor Verblüffung beinahe seinen Bogen fallengelassen.